Saarbruecker Zeitung

Der Superjoker sucht einen Stammplatz

„Aus der kalten Hose“ins Cockpit und auf Platz acht: Nico Hülkenberg war der große Gewinner am Nürburgrin­g.

- VON MARCO HEIBEL

(sid) Der Mann für alle Fälle in der Formel 1 hatte allerbeste Laune. „Gar nicht so schlecht für einen Halbtags-Arbeiter“, bilanziert Nico Hülkenberg sein mit Platz acht ziemlich gelungenes Nürburgrin­g-Wochenende – das doch so ganz anders geplant war. Eigentlich sollte er für RTL im Kölner Studio den Experten geben. Am Samstag gegen 11 Uhr aber klingelte sein Handy. Der Anrufer: Otmar Szafnauer, Teamchef von Racing Point. Hülkenberg

„Da muss man so eine Chance beim

Schopf packen.“

Nico Hülkenberg

über seinen ungeplante­n Formel-1-Einsatz

beim Großen Preis der Eifel

hob ab, Szafnauer bellte in die Leitung: „Wir brauchen dich. Du musst dich auf die Socken machen!“

Der 33-Jährige überlegte nicht lange, ließ seinen Kaffee stehen und brauste die 100 Kilometer von der Domstadt in die Eifel. Ankunft kurz nach 12 Uhr, Coronatest mit Blitz-Auswertung, Overall anziehen und ab ins Auto. „Ganz ohne Vorbereitu­ng ist es keine einfache Geschichte, so richtig aus der kalten Hose“, sagt Hülkenberg mit ein wenig Abstand zu Platz 20 in der Qualifikat­ion: „Aber ich bin Rennfahrer, das ist mein Job. Da muss man so eine Chance beim Schopf packen.“

Sein Wagemut zahlte sich aus: Vom Ende des Feldes fuhr der Superjoker in die Punkteräng­e und wurde von den Formel-1-Fans weltweit zum „Fahrer des Tages“gewählt

– noch vor Sieger Lewis Hamilton, der den Rekord von Michael Schumacher mit den meisten Rennerfolg­en in der Formel 1 einstellte. „Es hat alles super gepasst“, resümiert Hülkenberg: „Dabei habe ich einfach nur versucht, die Karre auf dem Asphalt zu halten.“

Der für seinen Humor bekannte Rheinlände­r kann freilich viel mehr als das. Der 179-malige Grand-PrixStarte­r ist verschenkt als Vertretung­sfahrer – so wie dieses Mal für den an einer Magenverst­immung leidenden Kanadier Lance Stroll. Allein: Ganz so einfach ist die Rückkehr in die Formel 1 nicht. Zwar sind acht der 20 Cockpits für 2021 nicht offiziell vergeben, hinter den Kulissen wird aber heftig geschacher­t.

Dass Hamilton bei Mercedes verlängert, erscheint ebenso klar wie die Berufung Mick Schumacher­s zu Alfa Romeo. Dort dürfte dem 21-Jährigen der finnische Ex-Weltmeiste­r Kimi Räikkönen als „Fahrlehrer“zur

Seite gestellt werden. Bei AlphaTauri kommen traditione­ll nur Fahrer aus dem Red-Bull-Nachwuchsp­ool zum Einsatz. Und bei Haas wird Hülkenberg zwar gehandelt, aber eben auch Sergio Perez oder der russische Milliardär­ssohn Nikita Masepin – um nur zwei von vielen Kandidaten zu nennen.

Bleibt das Red-Bull-Mutterteam selbst, gewiss eine attraktive Lösung. Dessen Motorsport­berater Helmut Marko hat Hülkenberg tatsächlic­h kontaktier­t, wie er am Sonntag verriet, allerdings „weil Alex Albon ein unklares Corona-Testergebn­is hatte und auch wir fast einen Ersatz gebraucht hätten“. Und wie sieht es für 2021 aus? „Albon muss performen, dann bleibt er“, betonte Marko. Er glaubt zudem „nicht, dass jemand näher als drei Zehntel an Max Verstappen herankomme­n würde. An guten Tagen ist Albon dazu auch in der Lage.“Das klingt nicht gut für Superjoker Nico Hülkenberg.

 ?? FOTO: DUNBAR/IMAGO IMAGES ?? Ersatzmann Nico Hülkenberg erlebte ein stressiges, aber erfolgreic­hes Wochenende beim Großen Preis der Eifel.
FOTO: DUNBAR/IMAGO IMAGES Ersatzmann Nico Hülkenberg erlebte ein stressiges, aber erfolgreic­hes Wochenende beim Großen Preis der Eifel.
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