Die Werkzeugmacher der Steinzeit
Schon vor 2,8 Millionen Jahren entwickelten die frühesten Vorfahren des Menschen aus Steinen ihre ersten Werkzeuge.
(np) Die Steinzeit gilt als die früheste Epoche der Geschichte der Menschheit. Und bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass unsere Vorfahren in Afrika vor 2,5 bis 2,6 Millionen Jahren damit begonnen haben, Werkzeuge systematisch aus Stein herzustellen. Doch mittlerweile zeichnet sich nicht nur ab, dass Steinwerkzeuge 200 000 Jahre älter sind als bisher angenommen. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie um Professor David Braun gehen sogar davon aus, dass Steinwerkzeuge in jener Epoche mehrmals zu unterschiedlichen Einsatzzwecken erfunden wurden.
Die Leipziger Wissenschaftler untersuchen gemeinsam mit US-Anthropologen Zusammenhänge zwischen dem Ursprung unserer Gattung und der systematischen Herstellung der Steinwerkzeuge an der Ausgrabungsstätte Bokol Dora im Nordosten Äthiopiens. Sie fanden dort einen 2,78 Millionen Jahre alten Kieferknochen, der als das älteste Fossil der Gattung Homo gilt, wie das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie berichtet. Christopher Campisano, Geologe an der Arizona State University, habe die ersten scharfkantigen Steinwerkzeuge entdeckt, die an einem steilen Hang aus dem Sediment herausragten.
Die Forscher seien dann nach mühseliger Ausgrabungsarbeit auf eine Millionen Jahre alte archäologische Schicht gestoßen, in der außer Tierknochen auch Hunderte kleiner Steinsplitter stecken. „Bei diesen Steinabschlägen handelt es sich um die frühesten Zeugnisse, wie unsere direkten Vorfahren aus Stein Werkzeuge hergestellt und verwendet haben. Die Fundstelle enthält eine Fülle an Informationen darüber, wie und wann Menschen begannen, Steinwerkzeuge zu benutzen“, erklärt das Max-Planck-Institut.
„Die ersten Menschen, die diese Steinwerkzeuge herstellten, lebten in einem völlig anderen Lebensraum als Lucy“, sagt Kaye Reed von der Arizona State University. „Lucy“ist der Spitzname, den die Wissenschaftler
einem nur in Teilen erhaltenen Frauenskelett des Vormenschen Australopithecus afarensis gegeben haben. Sein Alter wird auf 3,2 Millionen Jahre geschätzt. Es war im Jahr 1974 an der Fundstelle Hadar in Äthiopien entdeckt worden, etwa 45 Kilometer südwestlich des neuen Fundplatzes. „Der Lebensraum veränderte sich von einem Strauchland mit wenigen Bäumen und Auenwäldern zu einem offenen Grasland mit wenigen Bäumen. Sogar die fossilen Giraffen fraßen Gras.“
„Als wir uns die Steinartefakte genauer ansahen, wurde uns klar, dass sie nur wenig mit den Steinwerkzeugen verbindet, die uns aus älteren archäologischen Fundstellen bekannt sind oder die von heute lebenden Primaten genutzt werden“, sagt Will Archer vom Max-Planck-Institut
für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Als Hauptunterschied sehen die Forscher die Fähigkeit, kleinere scharfkantige Werkzeuge systematisch von größeren Brocken abzuschlagen. Schimpansen und andere Affenarten benutzten Werkzeuge im Allgemeinen zum Zertrümmern, zum Beispiel um Nüsse und Schalentiere zu knacken. Zu diesem Zweck seien wahrscheinlich auch die frühesten 3,3 Millionen Jahre alten Hammersteine eingesetzt worden, die in Kenia gefunden worden sind.
Vor etwa 2,6 Millionen seien unsere Vorfahren dann aber wesentlich geschickter im Umgang mit Werkzeugen geworden. Sie seien nun in der Lage gewesen, Steine zu scharfkantigen Werkzeugen zurechtzuschlagen. Darauf gäben zum Beispiel
die in Äthiopien gefundenen Steinabschläge Hinweise, erklärt das Max-Planck-Institut. Und wie es scheine, sei dieser Wechsel bei der Werkzeugproduktion auch mit einer anatomischen Veränderung bei den neuen Meistern dieser Kunst einhergegangen. „Als unsere Vorfahren
begannen, Nahrungsmittel vor dem Verzehr mit Steinwerkzeugen zu bearbeiten, fingen ihre Zähne an sich zu verkleinern. Schon vor 2,6 Millionen Jahren waren Technologie und Biologie des Menschen eng miteinander verknüpft“, erklärt das Max-Planck-Institut.