Wirt gibt Kult-Kneipe nach 40 Jahren in jüngere Hände
Über 40 Jahre sorgte Jochem Franken dafür, dass in Riegelsberg ansprechende Musik zu hören war. Jetzt übergibt er das Zepter an Samira Kraft. Sie stammt aus einer Musiker-Familie und will den Geist von Jochems Kneipe erhalten.
Man kann es nicht anders ausdrücken – eine Ära geht zu Ende. Nach 41 Jahren wird es Jochems Kneipe, eine Musik-Legende in Riegelsberg, nur noch ohne Jochem geben. Jochem Franken übergibt das Zepter an Samira Kraft. „Einmal muss Schluss sein“, sagt der 65-Jährige. Über Jahrzehnte prägte er in Riegelsberg
nicht nur die Kneipenszene, er inspirierte und förderte auch das musikalische Geschehen in der Region nachhaltig.
Im März 1979 eröffnete Jochem Franken sein Lokal „Jochems Kneipe“. Von Anfang an stand die Musik im Fokus – und zwar Live-Musik auf der Bühne. Heute ist Jochems Kneipe die älteste Live-Bühne im Saarland.
Die erste Jochems Kneipe befand sich in der Kirchstraße in Riegelsberg. Und das allererste Konzert von geschätzt weit mehr als 1000 lief unter dem Edith-Piaf-Motto „Non, je ne regrette rien“, zu deutsch: „Nein, ich bereue nichts“. Vielsagend der Leitspruch, der über die Jahrzehnte nichts an Bedeutung verlor, denn der Gastronom Franken hat keinen Grund, irgendetwas zu bereuen.
Nach dem Start im ehemaligen Café Neuhaus zog der umtriebige Franken ins Haus Gabriel weiter. Bis 1989 residierte dort auch der von Franken mitgegründete Kulturverein. Dem Haus Gabriel folgte als Domizil das Haus Wacker. Dort kooperierte Franken jahrelang mit seinem jüngeren Bruder Axel. Im Jahr 2005 aber war dort Schluss. Nach einer kleinen Pause und einem kurzen Abstecher nach Heusweiler zogen die Musikfreunde mit Jochems Kneipe in die Bergstraße. Bis Anfang des Jahres 2018. Da wurde endlich auch topografisch der Höhepunkt des Musikgasthauses erreicht, auf dem Stumpen in Riegelsberg. Axel Rösner, ein Freund der Kunst und Kultur
und langjähriger Weggefährte von Franken, vermietete seine Immobilie und machte so den Fortbestand der zur Institution gereiften Gaststätte erst möglich.
Franken hatte in den verstrichenen vier Jahrzehnten illustre Stars zu Gast. Tony Sheridan („Der fünfte Beatle“), Pete Wyoming Bender oder „Wishbone Ash“, sie alle, und noch viele mehr, spielten auf der Bühne in Jochems Kneipe.
Nun aber ereilte auch Franken mit seiner Kneipe die Corona-Pandemie,
die zur Schließung des Lokals ab Mitte März führte. Der Umsatzsatz schrumpfte gegen Null. Zuweilen stand die Fortführung des Lokals auf der Kippe. Bis dann endlich die Lockerungen einsetzten und das Geschäft allmählich wieder anlaufen konnte. Franken hatte Anfang September sogar den Mut, zusammen mit seinem Team und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern das erste Musikfestival auf dem Stumpen zu organisieren, wahrlich ein guter Start in eine Zeit ohne Corona, die hoffentlich bald kommen möge.
Zu seinem Team gehört seit vielen Jahren auch Samira Kraft. Nun hat die 36-Jährige das Lokal übernommen. Nach 41 Jahren Gastronomie mit allen Höhen und Tiefen sei nun Schluss, bekundete Franken. Der 65-Jährige ist auch gesundheitlich angeschlagen, so dass er sich schon vor der Corona-Zeit nach einer geeigneten Nachfolge umgeschaut hatte. Immerhin ging es um nichts weniger, als ein gelungenes Konzept und ein Lebenswerk fortzuführen.
„Es war schon immer mein Traum, selbstständig ein Lokal zu führen“, sagt Samira Kraft. Die gelernte Kauffrau ist zuversichtlich – trotz der Krise. Und über Erfahrung im Metier verfügt sie zur Genüge. Sie stammt aus einer Gastronomie-Familie. Und ihr Vater war der in der Region bekannte Sänger und Begleiter vieler Rockmusiker (zum Beispiel Frank Zappa, Scorpions) Peter Hell. Auch ihre Mutter Marion führte jahrelang in Riegelsberg ein Lokal und arbeitet nebenbei noch heute in Jochems Kneipe.
Kraft jobbte schon mit 17 Jahren als Schülerin bei Jochem Franken. Später, nach der Ausbildung, arbeitete sie als Vertriebskauffrau in der Saarlandhalle und der Congresshalle.
„Mein Plan ist es, das Konzept von Jochem weiterzuentwickeln mit Konzerten und kulturellen Veranstaltungen“, sagt sie. Frankens weit verzweigte Kontakte in die Musiker-Szene werde sie nutzen. Der Bedarf an guter Musik müsse gedeckt werden, das sei ihr Credo.
„Ich will das Konzept von Jochem weiterentwickeln mit Konzerten und kulturellen Veranstaltungen.“
Samira Kraft