Saarbruecker Zeitung

Wirt gibt Kult-Kneipe nach 40 Jahren in jüngere Hände

Über 40 Jahre sorgte Jochem Franken dafür, dass in Riegelsber­g ansprechen­de Musik zu hören war. Jetzt übergibt er das Zepter an Samira Kraft. Sie stammt aus einer Musiker-Familie und will den Geist von Jochems Kneipe erhalten.

- VON ANDREAS ENGEL Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Markus Saeftel

Man kann es nicht anders ausdrücken – eine Ära geht zu Ende. Nach 41 Jahren wird es Jochems Kneipe, eine Musik-Legende in Riegelsber­g, nur noch ohne Jochem geben. Jochem Franken übergibt das Zepter an Samira Kraft. „Einmal muss Schluss sein“, sagt der 65-Jährige. Über Jahrzehnte prägte er in Riegelsber­g

nicht nur die Kneipensze­ne, er inspiriert­e und förderte auch das musikalisc­he Geschehen in der Region nachhaltig.

Im März 1979 eröffnete Jochem Franken sein Lokal „Jochems Kneipe“. Von Anfang an stand die Musik im Fokus – und zwar Live-Musik auf der Bühne. Heute ist Jochems Kneipe die älteste Live-Bühne im Saarland.

Die erste Jochems Kneipe befand sich in der Kirchstraß­e in Riegelsber­g. Und das allererste Konzert von geschätzt weit mehr als 1000 lief unter dem Edith-Piaf-Motto „Non, je ne regrette rien“, zu deutsch: „Nein, ich bereue nichts“. Vielsagend der Leitspruch, der über die Jahrzehnte nichts an Bedeutung verlor, denn der Gastronom Franken hat keinen Grund, irgendetwa­s zu bereuen.

Nach dem Start im ehemaligen Café Neuhaus zog der umtriebige Franken ins Haus Gabriel weiter. Bis 1989 residierte dort auch der von Franken mitgegründ­ete Kulturvere­in. Dem Haus Gabriel folgte als Domizil das Haus Wacker. Dort kooperiert­e Franken jahrelang mit seinem jüngeren Bruder Axel. Im Jahr 2005 aber war dort Schluss. Nach einer kleinen Pause und einem kurzen Abstecher nach Heusweiler zogen die Musikfreun­de mit Jochems Kneipe in die Bergstraße. Bis Anfang des Jahres 2018. Da wurde endlich auch topografis­ch der Höhepunkt des Musikgasth­auses erreicht, auf dem Stumpen in Riegelsber­g. Axel Rösner, ein Freund der Kunst und Kultur

und langjährig­er Weggefährt­e von Franken, vermietete seine Immobilie und machte so den Fortbestan­d der zur Institutio­n gereiften Gaststätte erst möglich.

Franken hatte in den verstriche­nen vier Jahrzehnte­n illustre Stars zu Gast. Tony Sheridan („Der fünfte Beatle“), Pete Wyoming Bender oder „Wishbone Ash“, sie alle, und noch viele mehr, spielten auf der Bühne in Jochems Kneipe.

Nun aber ereilte auch Franken mit seiner Kneipe die Corona-Pandemie,

die zur Schließung des Lokals ab Mitte März führte. Der Umsatzsatz schrumpfte gegen Null. Zuweilen stand die Fortführun­g des Lokals auf der Kippe. Bis dann endlich die Lockerunge­n einsetzten und das Geschäft allmählich wieder anlaufen konnte. Franken hatte Anfang September sogar den Mut, zusammen mit seinem Team und vielen ehrenamtli­chen Helferinne­n und Helfern das erste Musikfesti­val auf dem Stumpen zu organisier­en, wahrlich ein guter Start in eine Zeit ohne Corona, die hoffentlic­h bald kommen möge.

Zu seinem Team gehört seit vielen Jahren auch Samira Kraft. Nun hat die 36-Jährige das Lokal übernommen. Nach 41 Jahren Gastronomi­e mit allen Höhen und Tiefen sei nun Schluss, bekundete Franken. Der 65-Jährige ist auch gesundheit­lich angeschlag­en, so dass er sich schon vor der Corona-Zeit nach einer geeigneten Nachfolge umgeschaut hatte. Immerhin ging es um nichts weniger, als ein gelungenes Konzept und ein Lebenswerk fortzuführ­en.

„Es war schon immer mein Traum, selbststän­dig ein Lokal zu führen“, sagt Samira Kraft. Die gelernte Kauffrau ist zuversicht­lich – trotz der Krise. Und über Erfahrung im Metier verfügt sie zur Genüge. Sie stammt aus einer Gastronomi­e-Familie. Und ihr Vater war der in der Region bekannte Sänger und Begleiter vieler Rockmusike­r (zum Beispiel Frank Zappa, Scorpions) Peter Hell. Auch ihre Mutter Marion führte jahrelang in Riegelsber­g ein Lokal und arbeitet nebenbei noch heute in Jochems Kneipe.

Kraft jobbte schon mit 17 Jahren als Schülerin bei Jochem Franken. Später, nach der Ausbildung, arbeitete sie als Vertriebsk­auffrau in der Saarlandha­lle und der Congressha­lle.

„Mein Plan ist es, das Konzept von Jochem weiterzuen­twickeln mit Konzerten und kulturelle­n Veranstalt­ungen“, sagt sie. Frankens weit verzweigte Kontakte in die Musiker-Szene werde sie nutzen. Der Bedarf an guter Musik müsse gedeckt werden, das sei ihr Credo.

„Ich will das Konzept von Jochem weiterentw­ickeln mit Konzerten und kulturelle­n Veranstalt­ungen.“

Samira Kraft

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FOTO: ANDREAS ENGEL Jochem Franken übergibt nach 41 Jahren „Jochems Kneipe“an Samira Kraft. Aber Live-Musik soll auch unter der neuen Chefin weiter gemacht werden.

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