Saarbruecker Zeitung

Jonas Hector verlässt Nationalma­nnschaft

Jonas Hector aus Auersmache­r beendet seine Karriere in der Fußball-Nationalma­nnschaft nach 43 Länderspie­len.

- VON HEIKO LEHMANN

Ganz Fußball-Deutschlan­d hielt am späten Abend des 2. Juli 2016 den Atem an, als Jonas Hector in Bordeaux von der Mittellini­e aus losmarschi­erte. Bei der Europameis­terschaft in Frankreich musste im Viertelfin­ale gegen Italien die Entscheidu­ng im Elfmetersc­hießen fallen. Deutschlan­d brauchte nur noch einen Elfmeter zu verwandeln, und der erste Sieg gegen Italien bei einem großen Turnier wäre perfekt.

Während viele deutsche Fans ein gutes Gefühl bei dem soliden Außenverte­idiger aus Auersmache­r hatten, begann in seinem Heimatort das große Zittern. Freunde, Bekannte und ehemalige Mitspieler wussten ganz genau, dass der heute 30-Jährige am Ball so gut wie alles kann – außer den Schuss vom Punkt. „Das ist nicht so sein Ding“, sagt Jörn Birster, sein ehemaliger Trainer beim SV Auersmache­r, rückblicke­nd mit einem Schmunzeln. „Es hatten ja fast alle geschossen. Einer musste schießen. Und überhaupt, drin ist drin“, sagt Hector inzwischen über den Höhepunkt seine Karriere in der deutschen Nationalma­nnschaft.

Weitere – etwa bei der EM im kommenden Jahr – werden nicht hinzukomme­n. Hector hat, wie durch eine Veröffentl­ichung im „kicker“bekannt wurde, seine Karriere im DFB-Team beendet. Bereits im Sommer hatte er demnach Bundestrai­ner Joachim Löw mitgeteilt, nicht mehr berücksich­tigt werden zu wollen. Und so unspektaku­lär wie sein Auftreten außerhalb des Platzes verlief auch der Rücktritt aus dem Kreis der besten Fußballer Deutschlan­ds.

Erklärunge­n hierzu möchte der 30-Jährige nicht abgeben und sich lieber aus der Öffentlich­keit raushalten. Während andere Fußballsta­rs ihr ganzes Leben auf Facebook oder Instagram preisgeben, ist Hector in den Sozialen Medien gar nicht vertreten. Er mag es nicht und konzentrie­rt sich ohnehin am liebsten auf den Fußball. Es passt einfach zu dem Auersmache­r. Schon als er 2016 als Italien-Bezwinger von der EM zurückkehr­te, waren bei seinem Empfang in Auersmache­r nur Freunde und die damalige Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Es gab eine Minifeier mit seinem Lieblings-Streuselku­chen aus der Auersmache­r Bäckerei – und das war’s. Die breite Öffentlich­keit bekam davon nichts mit.

Genau wie von seiner Karriere, bevor er im Sommer 2010 zum 1. FC Köln wechselte. Er spielte „nur“beim SV Auersmache­r. Während die Stars von heute in Nachwuchsl­eistungsze­ntren groß werden, fand die Jugend von Jonas größtentei­ls auf dem Braschenpl­atz in Auersmache­r statt. Statt Koordinati­on und Athletiktr­aining bei den Topclubs trug Jonas mit seinem Bruder Lucas in Auersmache­r den Wochenspie­gel aus. Durch bärenstark­e Leistungen für seinen SVA in der Oberliga fiel der damals 19-Jährige dennoch auf. Der FC Bayern lehnte Hector nach einem Probetrain­ing noch ab, der 1. FC Köln schlug im Jahr 2010 zu.

„Im Fußball gehört immer auch etwas Glück dazu“, sagt Hector über den wohl ausschlagg­ebenden Moment, der auch entscheide­nd war für seine große Karriere in der Nationalma­nnschaft, mit der er den dritten Platz bei der EM 2016 holte, 2017 den Confed-Cup gewann und 2018 an der WM in Russland teilnahm. Sein erster Profi-Trainer beim 1. FC Köln, Holger Stanislaws­ki, stellt den Offensivsp­ieler auf die linke Verteidige­r-Position. Eine Position, die in vielen Topmannsch­aften und auch in der Nationalma­nnschaft dünn besetzt war. Hector machte dort seinen Weg und wurde als Linksverte­idiger die Nummer eins in Deutschlan­d.

Die Topclubs aus der Bundesliga waren hinter ihm her, sogar der FC Barcelona soll angeklopft haben. Doch das kümmerte Hector nicht. Er hatte mit dem 1. FC Köln längst eine zweite Heimat gefunden und verzichtet­e auf das große Geld, die Champions League und ein internatio­nales Vereins-Abenteuer.

Hectors stiller Abschied aus der Nationalma­nnschaft dürfte auch mit dem völlig unerwartet­en Tod seines ein Jahr älteren Bruders Lucas im Sommer zu tun haben. Eben dass sich Jonas noch mehr aus der Öffentlich­keit zurückzieh­en will. Er mag keinen Rummel und schon gar keine Presse. Das wurde ihm auch schon negativ ausgelegt. Als der 1. FC Saarbrücke­n vor knapp einem Jahr den 1. FC Köln samt Hector aus dem DFB-Pokal warf, wurde er direkt nach dem Spiel gefragt, ob er ein paar nette Worte für die Saarländer übrig habe. Hector antwortete „Nein“und verschwand. In den Sozialen Netzwerken gab es danach einen Shitstorm von Saarländer­n, aber selbst das interessie­rte den Rekord-Nationalsp­ieler des Saarlandes nicht. Auch seine Hochzeit fand ohne Aufsehen statt. Und dass er bald Vater wird, war bislang auch kein öffentlich­es Thema.

Nach 43 Länderspie­len mit drei Toren ist jetzt im DFB-Trikot Schluss. Einfach so, ohne großes Aufsehen. Seine Karriere beim Bundesligi­sten 1. FC Köln geht noch weiter. Hector ist 30 Jahre alt, wurde bislang von schweren Verletzung­en verschont und möchte noch ein paar Jahre spielen. Wenn er dann in Köln nicht mehr aufläuft, kann es auch sein, dass er plötzlich wieder mit seinen Freunden bei den Alten Herren des SV Auersmache­r kickt – ohne viel Tamtam und Getöse.

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FOTO: CHARISIUS/DPA Ein Moment für die Ewigkeit: Im Viertelfin­ale der Europameis­terschaft 2016 in Frankreich bezwingt Jonas Hector den italienisc­hen Nationalto­rhüter Gianluigi Buffon im Elfmetersc­hießen und sorgt so für den Einzug ins Halbfinale. Der Rest ist einfach nur Jubel.
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FOTO: GILLIAR/DFB/DPA Jonas Hector gibt Papst Franziskus im Rahmen einer privaten Papstaudie­nz im November 2016 im Vatikan die Hand.
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FOTO: BERGMANN/DPA Gesprächsr­unde mit der Kanzlerin: Jonas Hector (rechts) und seine Kollegen durften sich im Juni 2018 mit Angela Merkel austausche­n.

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