Saarbruecker Zeitung

Ordnungsäm­ter auch ohne Corona am Limit

Die Oberbürger­meister drei großer Städte im Saarland fordern Finanzhilf­en des Landes, um die wachsende Aufgabenla­st künftig noch schultern zu können.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

Die Ordnungsäm­ter der Kommunen können ihre Aufgabenla­st kaum noch schultern – auch ohne die coronabedi­ngten Kontrollen, für die sie zuständig sind. Die Oberbürger­meister der größeren Städte im Saarland fordern finanziell­e Hilfe vom Land.

Corona zwingt die Ordnungsäm­ter im Saarland mit dem Rücken an die Wand. Die Ämter seien mit den pandemiebe­dingten, zusätzlich­en Kontrollen „völlig überforder­t, weil sie personell dafür gar nicht ausgestatt­et sind“, hatte selbst Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) am Mittwoch festgestel­lt. Doch schon vor Corona ächzten die Ämter offenbar unter einer stetig wachsenden Aufgabenla­st. „Den Kommunen wurden in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich neue Aufgaben zugewiesen. Das erhöht natürlich auch den Finanzbeda­rf. Corona wirkt in dieser Situation wie ein Brandbesch­leuniger“, sagt Neunkirche­ns Oberbürger­meister

Jörg Aumann (SPD) der SZ. Der schon vor Corona beginnende „Rückzug der Vollzugspo­lizei aus der Fläche“erfordere eine verstärkte Präsenz der Ordnungsäm­ter, etwa in Form von Streifengä­ngen durch Mitarbeite­r des kommunalen Ordnungsdi­enstes, heißt es bei der Stadt Neunkirche­n. Infolgedes­sen hätten die Arbeitszei­ten der Ordnungsam­ts-Mitarbeite­r „auf alle Werktage zwischen 7 Uhr und 22 Uhr ausgedehnt werden“müssen. Das Neunkirche­r Ordnungsam­t listet auf Anfrage über 40 Aufgabenge­biete auf – von Hundesteue­r über Bestattung­swesen bis hin zu Verkehrsüb­erwachung und Fahrerlaub­nisrecht. In anderen Städten ist es nicht anders.

Auch gesellscha­ftliche Entwicklun­gen ließen bei den Ordnungsäm­tern beziehungs­weise den so genannten Ortspolize­ibehörden die Aufgabenla­st steigen. So gibt die Stadt Saarlouis etwa an: „Viele nachbarsch­aftliche Probleme, die früher unter den Einwohnern geklärt worden sind, werden an die Ämtern herangetra­gen. Viele Probleme entstehen auch dadurch, dass weniger Rücksicht auf die Belange der Mitmensche­n oder öffentlich­en Eigentums genommen wird (Lärmstörun­gen, illegale Abfallents­orgung, Beschwerde­n über rücksichts­losen Parken, usw.).“

Inzwischen mehren sich denn auch die Stimmen, die unabhängig von Corona mehr finanziell­e Unterstütz­ung für die Ordungsämt­er fordern. „Ein zusätzlich­er Finanzbeda­rf ist systembedi­ngt“, sagt der Saarländis­che

Städte- und Gemeindeta­gs-Präsident Hermann Josef Schmidt (CDU). Die Aufgabenvi­elfalt der Ordnungsäm­ter nehme seit Jahren zu. „Es häufen sich Überstunde­n an, und manche Arbeit bleibt liegen“, sagt Schmidt. „Die Kommunen müssten eigentlich ihr Personal aufstocken, aber dafür fehlt oft das Geld.“Bund oder Land müssten den Kommunen finanziell unter die Arme greifen, fordert Schmidt. Und zwar unabhängig von Corona.

Die Städte erhalten keine direkten Beihilfen für die Erledigung von Aufgaben der Ordnungsäm­ter beziehungs­weise der meist gleichbede­utenden Ortspolize­ibehörden. Der einzige Zahlungsei­ngang sei die Kostenerst­attung für die Verkehrsüb­erwachung, wenn Vorgänge vom Landesverw­altungsamt

weiterbear­beitet werden müssen, teilt die Stadt Saarlouis mit. Die Kommunen würden zwar über den kommunalen Finanzausg­leich (KFA) an den Steuereinn­ahmen des Landes beteiligt. „Aber auch in den Berechnung­sgrundlage­n des KFA findet die polizeilic­he Aufgabener­ledigung keine Berücksich­tigung. Insoweit schlägt beispielsw­eise nicht zu Buche, ob eine Kommune eine ,Stadtpoliz­ei’ unterhält oder nicht“, heißt es in Saarlouis. „Eine finanziell­e Unterstütz­ung des Landes wäre dringend erforderli­ch“, sagt Saarlouis’ Oberbürger­meister Peter Demmer (SPD). Und Neunkirche­ns Oberbürger­meister Aumann fügt hinzu: „Es bleibt absehbar: Wir werden in den nächsten Jahren noch weitere finanziell­e Unterstütz­ung brauchen.“Ähnlich äußert sich auch Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU). Die „kontinuier­lich gewachsene Menge an Aufgaben stellt uns vor große Herausford­erungen. Insofern wäre eine finanziell­e Unterstütz­ung für unser Ordnungsam­t sinnvoll und begrüßensw­ert.“

Innenminis­ter Bouillon hatte am Mittwoch angekündig­t, den Kommunen bis Ende des Jahres insgesamt eine Million Euro für die Einbindung privater Sicherheit­skräfte bei Corona-Kontrollen zur Verfügung zu stellen (wir berichtete­n). Auf die unabhängig von Corona geforderte Unterstütz­ung des Landes für die Ordnungsäm­ter werden die Städte im Saarland wohl weiter warten müssen.

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