Saar-Kliniken sehen sich gut gerüstet
Die CoronaInfektionszahlen steigen massiv. In den saarländischen Kliniken ist die zweite Welle aber noch nicht angekommen.
Die Zahl der Corona-Infektionen wächst auch im Saarland dramatisch. „Aktuell verzeichnen wir leider einen starken Anstieg der Reproduktionszahl (R-Wert)“, warnt Thorsten Lehr, Professor für klinische Pharmazie der Universität des Saarlandes. Der R-Wert sagt aus, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. In Deutschland liege er derzeit bei 1,56, im Saarland bereits bei 2,0, so das Forscherteam um Professor Lehr. Ein Infizierter im Saarland steckt demnach im Schnitt zwei weitere Menschen an. Lehr stellt fest: „Wir haben damit den höchsten R-Wert in Deutschland.“
Im Saarland könne es daher in zwei bis drei Wochen bis zu 1000 Neu-Infizierte pro Tag geben. Diese Entwicklung deutet sich schon seit Tagen an. Am Mittwoch gab es laut Gesundheitsamt
128 Neu-Infizierte, Anfang Oktober waren es lediglich 29, am 14. September meldete die Behörde sogar nur einen neuen Corona-Fall. Inzwischen gibt es mit Merzig-Wadern, Neunkirchen und St. Wendel aber drei Landkreise, die Risikogebiet sind, die also den Inzidenz-Wert von 50 Ansteckungen auf 100 000 Einwohner gerissen haben. „Wenn die Infektionslage so anhält wie derzeit“, prognostiziert Lehr, hat das Saarland „in zwei bis vier Wochen ähnlich viele Covid-19 Patienten auf den Normal- und Intensivstationen, wie in Spitzenzeiten der ersten Welle Mitte April“.
In den Kliniken des Landes ist die „zweite Welle“allerdings noch nicht mit voller Wucht angekommen. Am Donnerstag behandelten sie 29 Corona-Patienten, davon 14 auf der Intensivstation. Doch etwa 600 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten gibt es im Saarland. Zu Beginn der Krise waren es noch nicht mal die Hälfte. Im Augenblick sei die Lage in den Kliniken entspannt, „aber das kann sich schnell ändern“, sagt Thomas Jakobs, Geschäftsführer der saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG). Ein R-Faktor von zwei sei aber schon „bedrohlich“. In Anbetracht der Zahlen sei „keine Panikmache angesagt, aber wir müssen wachsam sein“. Die Krankenhausgesellschaft unterstütze deshalb, dass die Bundesregierung Mittwochnacht die Kontaktbeschränkungen verschärft hat (wir berichteten).
Dazu komme: Die Kliniken im Saarland seien nun besser vorbereitet als noch im Frühjahr zu Beginn der Pandemie,
„Es ist keine Panikmache angesagt, aber wir müssen wachsam sein.“
Thomas Jakobs
Saarländische Krankenhausgesellschaft
ist sich Jakobs sicher. So kennen die Ärzte das Virus besser. Mehr Pflegepersonal sei für die Intensivstationen geschult; die Rettungsleitstellen, die Sanitäter – alle hätten nun mehr Erfahrung mit dem Virus. Dazu sei inzwischen genügend Schutzkleidung vorhanden. Für ein paar Wochen würde der Vorrat reichen. Lediglich bei den Handschuhen hapere es, da für sie Kautschuk benötigt werde, ein natürlicher Rohstoff, der knapp sei. Auch bei einigen bestimmten Kanülen und Schläuchen gebe es Nachschubprobleme. Unklar sei hingegen weiterhin die Finanzierung der Intensivbetten,
die die Kliniken bereit halten sollen.
Wie viele davon demnächst gebraucht werden, versuchen die Forscher um Professor Lehr zu kalkulieren. Dazu füttern sie ihren Online-Simulator mit Daten vom Robert-Koch-Institut (RKI) und von den Gesundheitsämtern. Zudem haben die Saarbrücker Forscher klinische Daten von über 8000 Covid-19 Patienten aus über 100 deutschen Kliniken ausgewertet. Damit sie auch folgende Fragen beantworten können: Wie viele Covid-19-Patienten werden wohl bald ins Krankenhaus kommen? Und wie viele davon brauchen ein Intensivbett? „Wir analysieren zudem, wie sich die politischen Interventionen während der Pandemie auf das Infektionsgeschehen auswirken“, sagt Lehr. Die Ergebnisse seien klar: Kontaktbeschränkungen führten zur Eindämmung des Virus. „Am besten haben Lockdown und Schulschließungen gewirkt“, entnimmt Lehr den Zahlen. Und die Maskenpflicht, was hat sie gebracht? Dazu reichten die Daten nicht aus, „um das verlässlich sagen zu können“, sagt Lehr. www.covid-simulator.com