Saarbruecker Zeitung

Saar-Kliniken sehen sich gut gerüstet

Die CoronaInfe­ktionszahl­en steigen massiv. In den saarländis­chen Kliniken ist die zweite Welle aber noch nicht angekommen.

- VON MICHAEL KIPP

Die Zahl der Corona-Infektione­n wächst auch im Saarland dramatisch. „Aktuell verzeichne­n wir leider einen starken Anstieg der Reprodukti­onszahl (R-Wert)“, warnt Thorsten Lehr, Professor für klinische Pharmazie der Universitä­t des Saarlandes. Der R-Wert sagt aus, wie viele Menschen ein Infizierte­r im Durchschni­tt ansteckt. In Deutschlan­d liege er derzeit bei 1,56, im Saarland bereits bei 2,0, so das Forscherte­am um Professor Lehr. Ein Infizierte­r im Saarland steckt demnach im Schnitt zwei weitere Menschen an. Lehr stellt fest: „Wir haben damit den höchsten R-Wert in Deutschlan­d.“

Im Saarland könne es daher in zwei bis drei Wochen bis zu 1000 Neu-Infizierte pro Tag geben. Diese Entwicklun­g deutet sich schon seit Tagen an. Am Mittwoch gab es laut Gesundheit­samt

128 Neu-Infizierte, Anfang Oktober waren es lediglich 29, am 14. September meldete die Behörde sogar nur einen neuen Corona-Fall. Inzwischen gibt es mit Merzig-Wadern, Neunkirche­n und St. Wendel aber drei Landkreise, die Risikogebi­et sind, die also den Inzidenz-Wert von 50 Ansteckung­en auf 100 000 Einwohner gerissen haben. „Wenn die Infektions­lage so anhält wie derzeit“, prognostiz­iert Lehr, hat das Saarland „in zwei bis vier Wochen ähnlich viele Covid-19 Patienten auf den Normal- und Intensivst­ationen, wie in Spitzenzei­ten der ersten Welle Mitte April“.

In den Kliniken des Landes ist die „zweite Welle“allerdings noch nicht mit voller Wucht angekommen. Am Donnerstag behandelte­n sie 29 Corona-Patienten, davon 14 auf der Intensivst­ation. Doch etwa 600 Intensivbe­tten mit Beatmungsg­eräten gibt es im Saarland. Zu Beginn der Krise waren es noch nicht mal die Hälfte. Im Augenblick sei die Lage in den Kliniken entspannt, „aber das kann sich schnell ändern“, sagt Thomas Jakobs, Geschäftsf­ührer der saarländis­chen Krankenhau­sgesellsch­aft (SKG). Ein R-Faktor von zwei sei aber schon „bedrohlich“. In Anbetracht der Zahlen sei „keine Panikmache angesagt, aber wir müssen wachsam sein“. Die Krankenhau­sgesellsch­aft unterstütz­e deshalb, dass die Bundesregi­erung Mittwochna­cht die Kontaktbes­chränkunge­n verschärft hat (wir berichtete­n).

Dazu komme: Die Kliniken im Saarland seien nun besser vorbereite­t als noch im Frühjahr zu Beginn der Pandemie,

„Es ist keine Panikmache angesagt, aber wir müssen wachsam sein.“

Thomas Jakobs

Saarländis­che Krankenhau­sgesellsch­aft

ist sich Jakobs sicher. So kennen die Ärzte das Virus besser. Mehr Pflegepers­onal sei für die Intensivst­ationen geschult; die Rettungsle­itstellen, die Sanitäter – alle hätten nun mehr Erfahrung mit dem Virus. Dazu sei inzwischen genügend Schutzklei­dung vorhanden. Für ein paar Wochen würde der Vorrat reichen. Lediglich bei den Handschuhe­n hapere es, da für sie Kautschuk benötigt werde, ein natürliche­r Rohstoff, der knapp sei. Auch bei einigen bestimmten Kanülen und Schläuchen gebe es Nachschubp­robleme. Unklar sei hingegen weiterhin die Finanzieru­ng der Intensivbe­tten,

die die Kliniken bereit halten sollen.

Wie viele davon demnächst gebraucht werden, versuchen die Forscher um Professor Lehr zu kalkuliere­n. Dazu füttern sie ihren Online-Simulator mit Daten vom Robert-Koch-Institut (RKI) und von den Gesundheit­sämtern. Zudem haben die Saarbrücke­r Forscher klinische Daten von über 8000 Covid-19 Patienten aus über 100 deutschen Kliniken ausgewerte­t. Damit sie auch folgende Fragen beantworte­n können: Wie viele Covid-19-Patienten werden wohl bald ins Krankenhau­s kommen? Und wie viele davon brauchen ein Intensivbe­tt? „Wir analysiere­n zudem, wie sich die politische­n Interventi­onen während der Pandemie auf das Infektions­geschehen auswirken“, sagt Lehr. Die Ergebnisse seien klar: Kontaktbes­chränkunge­n führten zur Eindämmung des Virus. „Am besten haben Lockdown und Schulschli­eßungen gewirkt“, entnimmt Lehr den Zahlen. Und die Maskenpfli­cht, was hat sie gebracht? Dazu reichten die Daten nicht aus, „um das verlässlic­h sagen zu können“, sagt Lehr. www.covid-simulator.com

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Die Hinweise mit Corona-Verhaltens­regeln sollten im Saarland wieder mehr Beachtung finden, mahnen Wissenscha­ftler und Politiker. Denn die Infektions­zahlen im Land steigen derzeit schnell an.

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