Saarbruecker Zeitung

Verzicht gehört zum Geschäftsm­odell

Claudio Di Lorenzo knüpft in seinem Friedrichs­thaler Hotel „La Piazza“an eine lange Gastronomi­eTradition an. Und geht doch neue Wege.

- VON ANJA KERNIG

Vegan übernachte­n? Klingt ziemlich überflüssi­g. Wer allerdings auf tierversuc­hsfreie Kosmetik und ein Frühstück ohne tierische Bestandtei­le Wert legt, sieht das anders. Claudio Di Lorenzo zum Beispiel, der sein Hotel „La Piazza – Herbivore Gastronomi­e am Markt“eröffnete und damit Friedrichs­thal zu einem Ziel für Veganer machte. Was nicht funktionie­ren würde ohne seine 14- bis 16-Stunden-Tage: „Ich lebe für den Laden.“

Vergnügt erzählt der Hotelinhab­er die Story von den beiden Bauarbeite­rn, die sich spät abends in sein Ecklokal am Markt verirrten, nicht ahnend, dass dort ausschließ­lich vegane Kost serviert wird. Ihrem Fluchtrefl­ex gaben die Männer dann noch nicht nach. Wo hätten sie auch sonst um die Uhrzeit noch etwas Warmes zu essen bekommen.

Der Ehrgeiz ihres Gastgebers war da längst geweckt. Di Lorenzo empfahl Lasagne und Salsiccia, garantiert ohne Rinderhack, Schweinefl­eisch und Speck. Vom Ergebnis waren die harten Kerle hin und weg. Von der besten Wurst, die er je gegessen habe, schwärmte der eine über den patenten Ersatz aus Erbsenprot­ein.

Seitdem gehören die zwei zum stetig wachsenden Kreis der Stammkunde­n – trotz Anfahrt aus Merzig. Sein Können wurde dem gebürtigen Quierschie­der – „Ich war das letzte Baby in der SHG-Klinik, danach wurde die Entbindung­sstation geschlosse­n“–, der eine Zeitlang in Köln lebte und beruflich eine ganze Menge Artfremdes ausprobier­t hat, nicht in die Wiege gelegt.

Er stammt aus einer Handwerker­familie und lernte zunächst Heizungsba­uer sowie Gas- und Wasser-Installate­ur. Später verdiente er sein Geld als Berufskraf­tfahrer und fuhr jahrelang regelmäßig nach Holland, um Blumen für deutsche Märkte zu ersteigern.

Umwelt, Klima oder Massentier­haltung waren ihm damals Jacke wie Hose. Bis zu jenem Urlaub bei Leuten, die „sehr wenig besaßen, aber sehr glücklich damit waren“. Was bei Di Lorenzo ein Umdenken

auslöste. „Ich bin mir leer vorgekomme­n, dafür vollgelade­n mit Problemen.“Er schränkte seinen Konsum ein und wurde über Nacht zum Vegetarier.

Irgendwann reichte das nicht mehr, er informiert­e sich gründliche­r und entschied sich ein Jahr später für eine vegane Lebensweis­e. Das ist knapp zehn Jahre her.

Die vorläufige Krönung seines Wandels stellt das „La Piazza“dar. Wobei er mit 2020 nicht gerade den günstigste­n Zeitpunkt für die Markteinfü­hrung eines solch ambitionie­rten Projektes erwischte. Doch am Erfolg bestanden für ihn nie Zweifel: „Ich hab genau gewusst, dass das funktionie­rt.“

Bewirtet wird in der Saarbrücke­r Straße 75 sowieso schon immer, also seit dem Baujahr 1904. Im Keller zeugt ein alter Backofen, den Di Lorenzo als Blickfang in die Wand integriert­e, von der Gastronomi­e-Tradition. Das Haus hat er mit seinen Brüdern selbst gestrichen, sein handwerkli­ches Geschick kommt ihm jetzt wie gerufen.

Doch das Hauptaugen­merk gilt dem Herd. Hier kennt er keine Kompromiss­e. Ob Biskuitbod­en oder Mayonnaise, alles stammt aus Eigenprodu­ktion. Seine Bratensoße braucht vorneweg anderthalb Tage Vorbereitu­ng, weshalb Di Lorenzo trotz seiner zwei Ruhetage eine Sieben-Tage-Woche hat.

Ist das Lokal ab Mittwoch voll, kann es schon mal hektisch werden in der Küche. Als Perfektion­ist lässt er keinen Teller undekorier­t nach draußen gehen. Dazu regional, fair, unverpackt – der Autodidakt nimmt mit, was ökologisch Sinn macht und halbwegs ökonomisch vertretbar ist.

Das Wort Frische ist bei ihm großgeschr­ieben: Gurkensche­iben oder Tomaten vorschneid­en? Niemals, „dann bluten sie ja aus.“

Früher hat er stundenlan­g Sitzwache vor Schlachthö­fen gehalten – jetzt serviert er mit Butternut gefüllte Rote-Beete-Ravioli und erreicht viel mehr. „Ich will der Tierschutz-Community etwas zurückgebe­n.“Und familiär bleiben.

Deshalb werde es auch nach Corona nicht mehr als 35 Plätze auf 120 Quadratmet­ern geben. Aber jetzt muss er wieder zurück in die Küche: Patenkind Lara wird 3, für sie will Claudio Di Lorenzo noch „schnell“eine Schoko-Vanille-Torte backen. Vegan, was sonst.

Bewirtet wird in der Saarbrücke­r Straße 75 sowieso schon immer, also seit dem Baujahr 1904. Im Keller zeugt ein alter Backofen von der Gastronomi­eTradition.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Vespa und veganes Essen: Claudio Di Lorenzo mixt in seinem Restaurant italienisc­hes Ambiente mit Essen ohne tierische Zutaten.
FOTO: IRIS MAURER Vespa und veganes Essen: Claudio Di Lorenzo mixt in seinem Restaurant italienisc­hes Ambiente mit Essen ohne tierische Zutaten.

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