Saarbruecker Zeitung

Jugendlich­e fühlen sich manchmal „lost“

Das neue Jugendwort des Jahres steht fest. Zum Leidwesen vieler Jugendlich­er haben bereits erste Erwachsene das Wort in ihren Sprachgebr­auch aufgenomme­n.

- VON FELIX SCHRÖDER

(dpa) „No front, Diggah! Aber du bist total lost.“So ungefähr soll die Jugend reden, wenn es nach einigen der zehn Vorschläge zum Jugendwort des Jahres geht. Übersetzt heißt das etwa: Ich will dich nicht verletzen, mein Freund. Aber du bist ahnungslos. Am Donnerstag hat der Pons-Verlag den Begriff „Lost“– wörtlich übersetzt: verloren – zum Jugendwort des Jahres gekrönt. Mit dem Begriff wird ahnungslos­es und unsicheres Verhalten beschriebe­n. Dem Verlag zufolge erhielt „Lost“48 Prozent der Stimmen und setzte sich gegen die Finalisten „Cringe“, das beschreibt Fremdschäm­en, und „Wyld/Wild“durch. Letzteres bezeichnet kein wildes Tier, sondern etwas Heftiges.

Im Finale standen drei englische Wörter. Artemis Alexiadou, Sprachwiss­enschaftle­rin an der Humboldt-Universitä­t Berlin, erklärt das so: „Junge Leute bauen oft eigene Merkmale in ihre Sprache ein, um sich von der Elterngene­ration abzugrenze­n. Da bietet es sich an, auf das Englische zurückgrei­fen.“Die Jugend sei über soziale Medien gut vernetzt, dort werde viel Englisch gesprochen.

„Diese Worte sind hip“, sagt Alexiadou. Das Wort „Lost“nutzen aber nicht nur Jugendlich­e. „Lost kenne ich aus dem Alltag“, sagt sie. „In der letzten Zeit habe ich es öfters benutzt, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Vor allem, weil zurzeit so viele unerwartet­e Ereignisse passieren.“

Auch Germanisti­k-Professori­n Konstanze Marx kennt das Wort schon länger und nutzt es selbst in Situatione­n, in denen sie sich verlaufen habe oder inhaltlich abgehängt fühle. „Es ist ganz interessan­t, dass es ein Wort geworden ist, bei dem auch die übersetzte Bedeutung durchaus adäquat ist“, sagt die Professori­n der Universitä­t Greifswald.

„Ich glaube, lost ist ein Wort, das das Jahr 2020 gut beschreibt. Wenn man ehrlich ist: Fühlt sich nicht jeder dieses Jahr lost?“, sagt Sarah Bartl, Managerin für digitale Produkte bei Langensche­idt, einer Marke des Pons-Verlags. Jugendlich­e fühlten sich oft „lost“und könnten sich damit identifizi­eren. Für Torben Krauß, Sprecher der Bundesschü­lerkonfere­nz, passt das Wort gut zur Corona-Lage und beschreibt die aktuelle Lebenssitu­ation von vielen Jugendlich­en,

„weil man nicht so ganz weiß, was gerade los ist“.

Krauß hält die erstmalige Wahl des Jugendwort­s durch Jugendlich­e selbst für eine gute Entscheidu­ng. Im Gegensatz zu vorherigen Wahlen bestimmten nicht ältere Menschen das Wort, was sonst meistens Kritik eingebrach­t hatte, sondern Jugendlich­e, die im Internet Begriffe einreichte­n und nach der Auswahl der besten zehn Wörter durch eine Jury später das Siegerwort wählen durften. Nach Ansicht von Germanisti­k-Professori­n Marx ist es sinnvoll, die Personen zu beteiligen, denen man den Gebrauch der Wörter zuschreibt. Ursprüngli­ch hatte der Langensche­idt-Verlag die seit 2008 existieren­de Wahl veranstalt­et. Dann wurde Langensche­idt Anfang 2019 von dem zur Klett-Gruppe gehörenden Pons-Verlag übernommen. Im selben Jahr pausierte die Wahl des Jugendwort­s. Wenn Erwachsene das Wort übernehmen, dann bleibt das laut Germanisti­k-Professori­n Marx nicht folgenlos: „Sobald das passiert, verliert es an Exklusivit­ät, wenn es vorher tatsächlic­h im jugendspra­chlichen Gebrauch war.“

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Mit dem Begriff „lost“wird in der Jugendspra­che ahnungslos­es und unsicheres Verhalten beschriebe­n. In diesem Beispiel fühlt sich ein Schüler nach den gestellten Aufgaben in einer Prüfung „nicht ganz so lost“.

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