Saarbruecker Zeitung

Die Corona-Pandemie macht Filmdrehs in Luxemburg teurer und komplizier­ter.

Filmedrehe­n wird in Zeiten von Covid-19 auch in Luxemburg länger und teurer. Und jederzeit können positive Tests ein Set in den Stillstand zwingen.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

„Der Film ist wie das Leben, das macht gerade auch nicht so viel Spaß, aber es ist notwendig und wird noch eine Weile so gehen.“Trotz steigender Infektions­zahlen in seiner Heimat Luxemburg kann sich Produzent Paul Thiltges darüber freuen, dass der Dreh von „Erik Stoneheart“als erster in Luxemburg covidfrei vonstatten ging. Am Luxemburge­r Set des Jugendfilm­s des estnischen Regisseurs Ilmar Raag herrschten strenge Hygienemaß­nahmen. Außer den Schauspiel­ern, die vor der Kamera standen, trug das 40- bis 50-köpfige Team Mund- und Nasenschut­z. Drei „Covid-Engel“, wie Thiltges sie nennt, informiert­en und desinfizie­rten immer wieder. Am nächsten Morgen wurde erneut bei allen Fieber gemessen, gab es neue Masken, nach einer Woche standen wieder Tests an. „Das Team war auch beim dritten und letzten Test komplett negativ. Da gehört ein bisschen Glück dazu, aber es ist ein gutes Gefühl, wenn es klappt“, sagt Thiltges, Präsident des Luxemburge­r Produzente­nverbands ULPA und Gründer der Paul Thiltges Distributi­ons („Murer – Anatomie eines Prozesses“, „Kiriku und die Zauberin“).

Bevor überhaupt ein Dreh startet, wird fünf Tage vor Beginn und erneut 48 Stunden vorher getestet. Diese und andere Hygiene- und Schutzrege­ln haben ULPA, Film Fund und Gesundheit­sministeri­um erarbeitet und in einem Katalog festgehalt­en – Thiltges bezeichnet ihn als „Bibel“. Das erste Okay zum Drehen in Luxemburg habe es am 31. Mai gegeben. Auch der Dreh von „Erik Stoneheart“in Luxemburg hätte im Mai stattfinde­n sollen, musste aber in den August verschoben werden. Als ein Teil der estländisc­hen Crew dann nicht ins zwischenze­itlich als Risikogebi­et eingestuft­e Luxemburg kommen wollte, musste er mit Luxemburge­r Technikern ersetzt werden: „Es schien ihnen zu gefährlich, oder wir hätten ihnen ein 14-tägiges Confinemen­t bei der Rückkehr

nach Estland bezahlen müssen, was unser Budget jedoch nicht erlaubt hat“, erklärt Thiltges. Hygienemaß­nahmen, neue Abmachunge­n mit ausländisc­hen Koproduzen­ten – all das ist viel mehr Aufwand. „Die Drehzeit verlängert sich im Durchschni­tt um zehn Prozent, bei manchen Produktion­en auch um 20 Prozent.“Mehr Kosten, die der Film Fund durch zusätzlich­e, teils rückzahlba­re Hilfen abfedern will. „Wir listen unsere Mehrkosten auf, um nachzuweis­en, wie viel teurer der Film wird“, erklärt er. Sind die Ausgaben regelkonfo­rm, werden sie zur gewährten Filmförder­ung addiert.

Und sonst führt die Einsicht „es wird eben nur das gedreht, was machbar ist“dazu, dass Drehbücher umgeschrie­ben und Szenen etwa von einer Disko auf einen Marktplatz verlegt werden. Szenen mit Schauspiel­ern, die zur Risikogrup­pe gehören, schreibt man schon mal um.

Die Produktion­sgesellsch­aft Iris Production­s („Colonia Dignidad“, „Bad Banks“) dreht derzeit mit belgischen und französisc­hen Partnern den Film „L’enfant caché“. Obwohl der Dreh in Luxemburg mehrere Tage aufgrund 20 positiver Covid-19-Tests unterbroch­en werden musste, ist das gar nicht mal die größte Sorge von Generalman­agerin Katarzyna Ozga. Zwar standen dem zweiten Drehteil des Films in Belgien keine Einreisebe­schränkung­en im Wege. Aber das Studio hat im nächsten Frühjahr andere Koprodukti­onen mit Deutschlan­d geplant. „Diese Projekte hätten wir aufgrund der deutschen Regelungen beispielsw­eise gar nicht drehen können, Einschränk­ungen an der Grenze zu Deutschlan­d machen mir mehr Angst als das Risiko, einen positiven Fall am Set zu haben.“Zumal die 20 Personen mit positivem Test nach drei Tagen negativ gewesen seien. „Wir sind noch dabei zu klären, was schief gelaufen ist“, sagt Ozga und spricht von „Glück im Unglück“, denn nach einer Woche wurde wieder gedreht. Zwar seien die Kosten gestiegen – bei „L’enfant caché“wirken 400 Komparsen mit, wobei bereits ein Test 60 Euro kostet –, aber man fühle sich vom Film Fund gut unterstütz­t. „Den Covid-Zuschlag werden wir mit den Hauptraten der Filmförder­ung erhalten“, sagt Ozga. Zurückbeza­hlt wird, wenn der Film Geld einbringt. Weil das Studio Arthouse-Filme, Animatione­n und Serien dreht, blickt man nicht schwarz in die Zukunft. „Es gab ab und zu positive Fälle bei Kollegen, aber dass seit Juli fünf größere Filme in Luxemburg gedreht werden konnten, zeigt, dass es möglich ist“, bilanziert Ozga und ergänzt, „wir werden Frühjahrsp­rojekte anders kalkuliere­n, aber nicht zum Schaden des Films. Es ist eher eine Katastroph­e für Filme, die Box-Office-Erfolg brauchen.“

Regisseuri­n Laura Schroeder („Barrage“mit Isabelle Huppert) bereitet ihren neuen Film „Maret“vor und war im Sommer auf Drehortsuc­he in Hamburg und Schleswig-Holstein. Dabei sei sie auf keine Hinderniss­e gestoßen. Komplizier­ter könnte das Casting werden, es wird ihr erstes seit Corona. „Es müssen zwei wichtige Rollen besetzt werden, die Schauspiel­er sind dabei durch eine mobile Plastikfol­ie getrennt, die sie, wie mir gesagt wurde, und was ich hoffe, beim Spielen schnell vergessen.“Die Besetzung einer dritten Rolle zögert sie heraus. „Ein Schauspiel­er aus Spanien kann derzeit nicht zum Vorspreche­n anreisen. Ein Casting über Zoom habe ich abgelehnt, weil es hier sehr auf die Chemie zwischen den Schauspiel­ern ankommt, deshalb warte ich erst einmal ab.“Auch wenn Schroeder dem Filmmilieu viel Flexibilit­ät attestiert, in dem man es gewohnt sei, sehr viele kleine Probleme eins nach dem anderen anzugehen, fühlt sie Ungewisshe­it. „Die Pandemie sitzt einem wie ein unsichtbar­er Drachen im Nacken, man weiß nie, was kommt.“

Ganz und gar nicht ungewiss ist dafür die Finanzieru­ng von „Maret“, denn die muss nur noch vervollstä­ndigt werden, da ein Großteil der Zusammenar­beiten schon auf dem Koprodukti­onsmarkt der Berlinale, einer Handelspla­ttform für europäisch­e Filme, beschlosse­n wurde. Dazu kommt eine Produktion­sförderung des Film Fund in Höhe von 2,8 Millionen Euro. „Das ist eine sehr schöne Bestätigun­g, dass sie an das Projekt glauben“, sagt Schroeder. Doch sie hält es für möglich, dass bald die großen Hürden kommen – vor allem, weil die Besucherza­hlen in den Kinos schlecht sind. „Es ist zurzeit schwierige­r als zuvor, einen Verleih zu finden, da es durch die ungewisse Lage für die Verleiher noch mehr Risiken gibt, einen nicht-gedrehten Film zu kaufen.“Doch Schroeder bleibt positiv. „Ich versuche, soweit wie möglich in der Gegenwart zu leben, das hat mich der Lockdown gelehrt.“Gedreht werden soll „Maret“Anfang des kommenden Jahres, um ein Jahr später in den Kinos zu laufen.

 ?? FOTO: VÉRONIQUE KOLBER ?? Nicht nur beim neuen Film „Erik Stoneheart“arbeitet Luxemburg eng mit anderen Ländern zusammen. Durch Corona wird das teurer und komplizier­ter.
FOTO: VÉRONIQUE KOLBER Nicht nur beim neuen Film „Erik Stoneheart“arbeitet Luxemburg eng mit anderen Ländern zusammen. Durch Corona wird das teurer und komplizier­ter.
 ?? FOTO: PAUL THILTGES
DISTRIBUTI­ONS ?? Produzent Paul Thiltges blickt auf einen covidfreie­n Dreh in Luxemburg.
FOTO: PAUL THILTGES DISTRIBUTI­ONS Produzent Paul Thiltges blickt auf einen covidfreie­n Dreh in Luxemburg.
 ?? FOTO: INTERNATIO­NALE
FILMFESTSP­IELE BERLIN ?? Regisseuri­n Laura Schroeder muss Castings neu organisier­en.
FOTO: INTERNATIO­NALE FILMFESTSP­IELE BERLIN Regisseuri­n Laura Schroeder muss Castings neu organisier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany