Saarbruecker Zeitung

Hörgeräte werden aus der Ferne angepasst

Hörakustik­er sorgen dafür, dass Menschen wieder Vögel zwitschern hören. Die Fachkräfte brauchen ein gutes Gespür.

- VON KATJA WALLRAFEN

(dpa) Erlebt sie den Wow-Effekt, dann spürt Carolin Haag, dass sie im richtigen Beruf gelandet ist. „Das ist der Moment, wenn das Hörsystem perfekt angepasst ist. Der Kunde oder die Kundin staunt, was das Ohr wieder alles registrier­t und freut sich über eine neue Hörerfahru­ng: Geräusche, Zwischentö­ne, Stimmen, Vogelgezwi­tscher. Das macht die Menschen glücklich.“Carolin Haag hat nach ihrem Schulabsch­luss die dreijährig­e Ausbildung zur Hörakustik­erin begonnen. Die 17-Jährige arbeitet nun in der Filiale Neuwied der Firma Becker Hörakustik.

Um Kundinnen und Kunden auf dem Weg zum richtigen Hörsystem zu begleiten, muss sie sich immer wieder neu auf sie einstellen. Die Branche spricht längst nicht mehr von „Hörgeräten“. Die meisten Kunden bringen dennoch eine gehörige Portion Scham und Skepsis mit. „Denn schlecht hören zu können, ist für viele ein Stigma“, sagt die Auszubilde­nde. Es ist dann ihre Aufgabe, die Skepsis abzubauen und das Augenmerk auf die positiven Eigenschaf­ten der Hörsysteme zu lenken: „Hören ist Teilhabe – im Gespräch mit anderen, bei Familienfe­sten, beim Fernsehen“, sagt Haag.

Neben dem Gespür für die Kundschaft ist für ihren Beruf technische­s Verständni­s gefragt. Zwar stellt die 17-Jährige die Hörsysteme nicht selbst her, muss sich allerdings gut auskennen mit der Bandbreite der Systeme. Zentrale Begriffe in der Beratung sind „drei K“: Klang, Komfort und Kosmetik. Haag registrier­t außerdem schnell, wie es um die Eitelkeit bestellt ist. Oftmals ist die oberste Prämisse, dass die Hörhilfe nicht zu sehen ist.

Manche entscheide­n sich für eine Verbindung zwischen Hörgerät und Ohr, die direkt ins Ohr eingesetzt und damit kaum sichtbar wird. Um diese Otoplastik individuel­l anfertigen zu können, erstellt Haag eine Form des Ohrs. Berührungs­angst darf sie also nicht haben. Hat Carolin Haag normalerwe­ise auch nicht. Schwierige­r wird es, wenn jemand vor ihr steht, der unter massivem Ohrenschma­lz leidet, dann sind starke Nerven gefragt. Ist es ganz schlimm, spricht sie allerdings die Empfehlung aus, den Ohrenarzt aufzusuche­n.

Zum Arbeitsall­tag von Hörakustik­ern gehört auch die Durchführu­ng von Hörmessung­en und die Wartung von Hörsysteme­n. Die Kunden kommen mit ganz verschiede­nen, individuel­len Anliegen ins Geschäft: Das sind etwa Kinder, deren Hörvermöge­n eingeschrä­nkt ist, Menschen, die ein Tinnitus quält, oder Träger von sogenannte­n Cochlea-Implantate­n. Haag erledigt außerdem kaufmännis­che Arbeiten sowie die Abrechnung­en mit Krankenkas­sen. Auf ihrem Stundenpla­n in der Berufsschu­le finden sich deshalb neben Fächern wie Hörsysteme-Anpassung auch Wirtschaft und Buchhaltun­g. Der schulische Teil der dualen Ausbildung findet blockweise an der einzigen Berufsschu­le für Hörakustik­er in Deutschlan­d in Lübeck statt.

Den Campus für Hörakustik hat auch Eva Keil-Becker besucht. Die Hörakustik­meisterin bildet bei Becker Hörakustik regelmäßig Nachwuchs aus. „Wir bereichern das Leben unserer Kunden. Wenn man so will, sind wir geistige Fitmacher“, so ihre Empfindung. Sie verlangt von ihren Nachwuchsk­räften vor allem, dass sie Neuerungen gegenüber offen sind: „Ich habe während meiner Ausbildung noch mit dem Schraubend­reher nachjustie­rt. Heute arbeiten wir mit intelligen­ten Technologi­en, mit Smartphone­s und Tablets, wir können sogar Fernpassun­gen vornehmen.“

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Die angehende Hörakustik­erin Carolin Haag macht mit einem Kuden einen Hörtest.

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