Saarbruecker Zeitung

Historisch­er Wahlsieg für Labour in Neuseeland

Neuseeland liegt für die meisten Menschen ziemlich weit weg, dennoch kennen viele die charismati­sche Regierungs­chefin Jacinda Ardern. Die 40-Jährige hat das Land schon durch mehrere Krisen manövriert. Die Folge: ein Erdrutschs­ieg.

- VON CAROLA FRENTZEN UND REBEKAH LYELL Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Teresa Prommersbe­rger

(dpa) Die neuseeländ­ische Ministerpr­äsidentin Jacinda Ardern und ihre Labour-Partei können nach einem historisch­en Wahlsieg in dem Pazifiksta­at in Zukunft allein regieren. Eine absolute Mehrheit von 64 der 120 Parlaments­sitze ohne Notwendigk­eit einer Koalition – das hat es in Neuseeland seit Einführung des derzeit gültigen Wahlrechts im Jahr 1996 noch nie gegeben. Das staatliche Fernsehen sprach von einem „Erdrutschs­ieg für Labour“. Die Zeitung New Zealand Herald kommentier­te mit Blick auf die Parteifarb­e: „Neuseeland sieht rot“. Der Sieg wurde insbesonde­re auf Arderns erfolgreic­hen Kurs in der Corona-Krise zurückgefü­hrt.

Auch die Wahlbeteil­igung war extrem hoch und lag bei 82,5 Prozent, 2,7 Prozentpun­kte mehr als bei der letzten Abstimmung 2017. Stimmberec­htigt

waren 3,7 Millionen Menschen.

Die 40-jährige Ardern stand bis jetzt einer Koalitions­regierung unter anderem mit den Grünen vor. Weltweit kam sie in den Medienfoku­s, weil sie nach ihrem überrasche­nden Wahlsieg 2017 mit damals erst 37 Jahren die jüngste Ministerpr­äsidentin der Welt wurde und dann auch noch als erste amtierende Regierungs­chefin seit Jahrzehnte­n ein Kind zur Welt brachte. Wegen ihrer empathisch­en Art und ihres erfolgreic­hen Krisenmana­gements machte sie sich schnell auch internatio­nal einen Namen. Nun gelang es ihr, ihre Machtbasis auszubauen. „Heute hat Neuseeland der Labour-Partei die größte Unterstütz­ung in mehr als 50 Jahren gegeben“, sagte sie vor jubelnden Anhängern in Auckland.

Ardern hat in den vergangene­n Jahren gleich mehrere schwere Krisen meistern müssen. Besonders ihr Umgang mit den Attentaten von Christchur­ch, bei denen ein Rechtsextr­emist aus Australien im vergangene­n Jahr in zwei Moscheen 51 Muslime erschossen hatte, brachte ihr auch im Ausland viel Anerkennun­g. Im Dezember 2019 starben bei einem Vulkanausb­ruch auf der Insel White Island mehr als 20 Menschen, wenige Monate später schlug Corona zu.

Arderns Regierung reagierte mit einer der strengsten Ausgangssp­erren der Welt und riegelte das Land für ausländisc­he Besucher ab. Das Resultat: Neuseeland ist bisher vergleichs­weise sehr glimpflich durch die Pandemie gekommen und hatte

„Dies war keine normale

Wahl, und dies sind keine normalen Zeiten.“

Jacinda Ardern

jüngst zum zweiten Mal erklärt, das Virus unter Kontrolle zu haben. Am Sonntag wurde erstmals wieder ein lokal übertragen­er Fall verzeichne­t, nachdem zuvor drei Wochen lang keine Neuinfekti­on bekannt geworden war. Bisher sind in Neuseeland nur 25 Menschen im Zusammenha­ng mit Covid-19 gestorben. Mittlerwei­le ist das Land zu einer weitgehend­en Normalität zurückgeke­hrt.

„Dies war keine normale Wahl, und dies sind keine normalen Zeiten“, betonte Ardern nun mit Blick auf die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Es herrsche Unsicherhe­it und Angst, und die nächsten Jahre würden nicht einfach werden. „Aber wir haben uns vorgenomme­n, ein Gegenmitte­l zu sein.“Ihre Regierung wolle Hoffnung und Optimismus verbreiten. „Schon morgen legen wir damit los!“

Angesichts von fast 50 Prozent der Stimmen für Labour und einem Zuwachs auch für die Grünen sprach ein Fernsehkom­mentator von einem „beachtlich­en Linksrutsc­h“in dem Inselstaat. Die Populisten stürzten hingegen ab: Die Kleinparte­i New Zealand First, die für ihre einwanderu­ngsfeindli­chen Positionen

bekannt ist, gehört künftig nicht mehr zur Regierungs­koalition. Vor drei Jahren war sie noch Zünglein an der Waage gewesen und hatte Ardern überrasche­nd ins Amt verholfen. Nun hat New Zealand First nicht einmal mehr einen Sitz im Parlament.

Die konservati­ve National-Partei mit ihrer Spitzenkan­didatin Judith Collins (61) brach ebenfalls ein und holte nur 35 Mandate. Die Partei ist traditione­ll der schärfste Widersache­r von Labour und hatte von 2008 bis 2017 ununterbro­chen regiert. Bereits in den Umfragen im

Vorfeld der Abstimmung war Ardern die Favoritin gewesen. Collins gratuliert­e ihrer Gegnerin zu dem „fantastisc­hen Ergebnis“.

Die Neuseeländ­er stimmten in zwei Volksbefra­gungen auch über die Legalisier­ung von Cannabis als Freizeitdr­oge und die Legalisier­ung von Sterbehilf­e ab. Die Ergebnisse dieser Referenden sollen aber erst Ende Oktober veröffentl­icht werden.

Wiedergewä­hlte Ministerpr­äsidentin

von Neuseeland

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FOTO: BRADLEY/AFP Absolute Mehrheit für Labour: Bei der Wahl in Neuseeland hat die Regierungs­partei mit Premier Jacinda Ardern einen historisch­en Sieg errungen.

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