Digitale Gewalt ist allgegenwärtig
Junge Frauen werden im Internet immer häufiger Opfer sexueller Belästigung. Das kritisiert die Kinderrechtsorganisation Plan International. Angriffe haben oft weitreichende psychische Folgen für die Betroffenen.
„Du bist sehr hübsch, ich würde dich gerne kennenlernen!“„Wow, was eine tolle Figur!“Solche vermeintlich harmlosen Komplimente stehen häufig am Anfang einer Konversation im Internet, die am Ende für die betroffenen Mädchen und jungen Frauen in einem Albtraum enden kann. Mehr als jede zweite junge Frau ist nach einer Erhebung der Kinderrechtsorganisation Plan International im Internet und speziell in den sozialen Netzwerken bereits sexuell belästigt worden. Für den Report zur Situation von Mädchen auf der Welt der Kinderrechtsorganisation wurden weltweit 14 000 Mädchen in 22 Ländern befragt, 1003 davon in Deutschland. Abgefragt wurden die Erfahrungen der 15- bis 24-Jährigen mit sexueller Belästigung und digitaler Gewalt im Internet.
Unter digitaler Gewalt zählt die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Internet, klicksafe, neben sexueller Gewalt vor allem alle Formen der Diffamierung, Nachstellung und Bedrohung, den Identitätsdiebstahl sowie das Ausspionieren und Abfangen von Daten. Auch die Veröffentlichung von digitalen Aufnahmen sowie das Fotografieren und Filmen per Webcam oder auch die Ortung und digitale Kontrolle fallen unter den Begriff.
In Deutschland geben 70 Prozent der jungen Frauen an, digitale Gewalt erlebt zu haben. Ein besorgniserregender Wert, der sieben Prozent über dem europäischen Durchschnitt liegt, betont das Hilfswerk. „Mädchen und junge Frauen werden im Internet immer mehr zur Zielscheibe, eben weil sie jung und weiblich sind.“Die Bandbreite der Probleme reicht von Beschimpfungen und Beleidigungen (67 Prozent) über sexuelle Belästigung (55 Prozent) bis zu persönlichen Demütigungen (44 Prozent). 41 Prozent der Befragten hätten außerdem mit rassistischen Kommentaren zu kämpfen gehabt. Opfer von Stalkern seien 41 Prozent der Mädchen gewesen, abwertende Kommentare zur sexuellen Orientierung hätten 35 Prozent erfahren. Jeder dritten jungen Frau sei zudem körperliche Gewalt angedroht worden.
Alles in allem hätten 82 Prozent der 15- bis 24-Jährigen verschiedene Arten von Belästigungen erlebt. 18 Prozent gaben in der Studie an, dass ihnen bereits jede der genannten Formen digitaler Gewalt widerfahren sei. „Wie auch im realen Leben können solche
Schikanen sehr massiv erfolgen, psychisches Leid verursachen und auch körperliche Folgen für die Betroffenen haben“, heißt es in dem Bericht.
Digitale Gewalt habe sehr weitreichende Folgen für die Entwicklung junger Frauen. Für 32 Prozent der Befragten
in Deutschland führe dies zu erheblichem mentalem oder emotionalem Stress.
Laut Studie findet der Großteil der Belästigungen auf den sozialen Plattformen Instagram (45 Prozent) und Facebook (35 Prozent) statt.
Auch wie die jungen Frauen digitaler Gewalt und Belästigung begegnen und mit ihnen umgehen, wurde gefragt. Jedes zweite Opfer habe die Vorfälle entweder der Polizei oder den Plattformbetreibern gemeldet. Hier liege Deutschland mit 17 Prozentpunkten
deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. 33 Prozent der betroffenen Mädchen hätten nach derartigen Vorfällen ihre Privatsphäre-Einstellungen in den sozialen Netzwerken verschärft. 47 Prozent versuchten, die Kommentare einfach zu ignorieren, 15 Prozent gaben an, auf die Angriffe mit einer Antwort zu reagieren. Bei einigen Mädchen habe die digitale Gewalt zudem Auswirkungen auf die weitere Nutzung der Plattformen gehabt. Elf Prozent berichteten, soziale Netzwerke nach den Anfeindungen seltener besucht zu haben, neun Prozent vermieden eigene Beiträge und weitere fünf Prozent hätten ihr Profil ganz aufgegeben.
Für die Vorsitzende der Geschäftsführung von Plan International Deutschland, Maike Röttger, ist es unverantwortlich, dass die Betroffenen mit Online-Gewalt alleingelassen werden. Es gebe „viel zu wenige Mechanismen, um wirksam gegen Angriffe und Schikane vorzugehen“. Plan International verlangt von den Betreibern der sozialen Plattformen wirksamere Maßnahmen zur Bekämpfung von Belästigungen.
Knapp die Hälfte der 14 000 befragten jungen Frauen habe angegeben, dass sie sich wünschte, in den sozialen Medien besser geschützt zu werden und dass die Betreiber der Plattformen mehr Verantwortung übernehmen müssten. Auch von den Regierungen wünschte sie sich besseren Schutz und Gesetze gegen digitale Gewalt. Zudem fordert sie bessere Meldesysteme, mit denen die Täter schneller und effektiver zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Das Hilfswerk sieht zudem die Gesellschaft als Ganzes und jeden Einzelnen in der Verantwortung, digitaler Gewalt entgegenzutreten. So könnten sich beispielsweise Schulen, Familie und Freunde den Mädchen aktiv zuwenden, damit diese
Mädchen und Frauen, die digitale Gewalt oder Belästigungen im Internet erleben, können sich in Deutschland auch an den Bundesverband der Frauenberatungsstellen ihre Probleme offenlegen und Unterstützung finden. Die EU-Initiative klicksafe rät betroffenen Frauen zunächst, die belästigende Nachricht auszudrucken oder zu speichern. Auf keinen Fall sollte darauf geantwortet werden. Im Profil der sozialen Netzwerke könnten außerdem die vorhandenen Sperrfunktionen genutzt werden, um weitere Nachrichten zu blockieren. Im Anschluss sollten Familie oder Freunde eingeweiht werden, die die Vorfälle bezeugen können. Auf alle Fälle sollten die Plattformbetreiber informiert werden. Diese sind verpflichtet, beleidigende Inhalte zu löschen. Je nach Schwere der Beleidigung sollte die Polizei informiert und Strafanzeige gestellt werden.
und Frauennotrufe (bff) wenden. Dieser ist die wichtigste Anlaufstelle in Deutschland und leistet den hauptsächlichen Anteil der ambulanten Beratung und Hilfestellung für weibliche Opfer von Gewalt. aktiv-gegen-digitale-gewalt.de