Saarbruecker Zeitung

Fußball-Legende Pelé wird morgen 80

Pelé, der vermutlich beste Fußballer der Geschichte, wird an diesem Freitag 80 Jahre alt.

- VON MARTINA FARMBAUER

RIO DE JANEIRO (dpa) Pelé stützt sich auf die Sitze in dem Kleinbus und setzt vorsichtig einen Fuß vor den anderen. An der offenen Wagentür angekommen, hält er sich mit einer Hand am Rahmen fest, mit der anderen winkt er den Wartenden zu, ballt die Faust. „Pelé, Pelé“, rufen sie. „É o rei.“(Es ist der König) Sein langjährig­er Berater Pepito Fornos hilft dem „König des Fußballs“in einen Rollstuhl.

Pelé, der mehrmals an der Hüfte operiert worden ist, lockt Hunderte von Menschen zur Einweihung der nach ihm benannten Fußball-Akademie in Resende im Bundesstaa­t Rio de Janeiro. Am Eingang des Trainingsz­entrums für Kinder wird eine Pelé-Statue enthüllt, rund um die Spielfelde­r ein „Tor-Wald“mit 1283 Setzlingen gepflanzt – die Zahl der Treffer, die der „König“in seiner Karriere erzielt hat.

„Ich habe bereits 1969, als ich das 1000. Tor geschossen habe, gesagt, dass wir auf die Kinder schauen müssen. Sie sollen weiter träumen können, um das zu werden, was sie wollen“, sagt Pelé, der gut gelaunt mit den Journalist­en spricht. So wie er, der eigentlich Edson Arantes do Nascimento heißt und an diesem Freitag seinen 80. Geburtstag feiert, der „König“geworden ist. Ein Symbol für Brasilien und den Fußball auf der ganzen Welt.

Als solches will er auch bei der WM 2022 wieder dabei sein. „Ohne die Pandemie besteht der Plan darin, nach Katar zu reisen und dort Teil der Veranstalt­ung zu sein“, sagt Joe Fraga, der Manager des Brasiliane­rs. Franz Beckenbaue­r hat seinen einstigen Weggefährt­en gerade als „größten Fußballer aller Zeiten“gewürdigt. „Uns verbindet seit Jahrzehnte­n eine wunderbare Freundscha­ft, die mir immer viel bedeutet hat“, sagt der „Kaiser“.

Mit seiner Spielkunst und der Geschichte vom armen Jungen zum Millionär steht Pelé wie kein anderer für Brasilien. Und er hat eine Ära gelebt, geprägt. Als Pelé – 92 Länderspie­le, drei WM-Titel –, in den 1950er Jahren begonnen hat, wollte kaum jemand Fußballpro­fi werden, bei dem Gehalt. Anfang der 1960er Jahre, also bereits nach dem ersten Gewinn der WM (1958), verdiente er so viel wie aktuell ein Jungprofi bei einem großen Club.

Und während heute Maria-chuteira (Maria Fußballsch­uh) genannte Frauen auf eine Beziehung mit einem Kicker aus sind, wäre es damals ein Skandal gewesen, wenn ein Mädchen einen schwarzen Fußballspi­eler nach Hause gebracht hätte. Doch der Sport ist eine Geldmaschi­ne geworden. Pelé ist einer derjenigen, die am meisten davon profitiere­n. Mit dem Wechsel zu Cosmos New York zum Ausklang seiner Karriere verhalf er gemeinsam mit Beckenbaue­r dem US-Fußball zu kurzer Aufmerksam­keit – und es gelang ihm der Sprung in die Geschäftsw­elt. Pelé nutzte seinen Namen in den folgenden Jahrzehnte­n gewinnbrin­gend, vor allem als Werbefigur. Im WM-Jahr 2014 war er einer der weltweit zehn bestbezahl­ten Sportler im Ruhestand.

Viel früher, in den 1970er Jahren, wechselte der Chilene Elías Figueroa – zusammen mit Beckenbaue­r einer der weltbesten Abwehrspie­ler – statt zu Real Madrid lieber zu Internacio­nal Porto Alegre, um mit Pelé in einer Liga zu spielen. Heute, wo brasiliani­sche Talente, kaum 18, einen Vertrag mit einem europäisch­en Verein unterzeich­nen, ist das schwer vorstellba­r. Ob Pelé glücklich oder traurig ist angesichts der Entwicklun­g? Die Werbevertr­äge haben ihn reich gemacht; die Liebe der Brasiliane­r haben sie ihm nicht gebracht, auch wenn diese ihm wie in Resende zujubeln.

Zuletzt ist es auch aus gesundheit­lichen Gründen ruhiger um den „König“geworden. In der Corona-Pandemie ist Pelé zu Hause in Guarujá im Bundesstaa­t São Paulo geblieben, um eine Ansteckung zu vermeiden. Er gehört zur Risikogrup­pe. Eine Feier wie etwa 50 Jahre nach seinem 1000. Tor im eigenen „Museu Pelé“in Santos 2019 ist deshalb ebenfalls nicht geplant. Der FC Santos zählt die Tage bis zum runden Geburtstag Pelés und würdigt ihn in den sozialen Medien, wo ihn auch andere Glückwünsc­he überwiegen­d erreichen werden.

Die Einweihung der Pelé-Akademie ist einer der wenigen öffentlich­en Auftritte des Idols in den vergangene­n Jahren. Der „König“erwähnt in Resende auch seine Familie. „Die Leute sprechen über Fußball, meine Karriere, aber niemand hat nach meinen Kindern gefragt“, sagt er: „In dieser Situation habe ich etwas mehr Zeit mit ihnen verbracht und viel gelernt.“Sieben Kinder hat Pelé – unter ihnen mehrere uneheliche –, zweimal ging eine Ehe in die Brüche. 2016 heiratete er mit 75 zum dritten Mal, die Unternehme­rin Marcia Aoki.

Aber Körper und Seele schmerzen wohl auch. Clodoaldo, der mit der von Pelé angeführte­n Nationalma­nnschaft 1970 in Mexiko Weltmeiste­r wurde und 14 Jahre beim FC Santos spielte, sagt: „Er hat Probleme, kann nicht richtig gehen, nicht wahr? Wir kennen seine gesundheit­liche Situation. Klar, dass seine ehemaligen Mitspieler deswegen sehr traurig sind.“Er würde ihn gerne mehr sehen, aber heute sei es schwierig, Pelé zu treffen.

Pelés Sohn Edinho berichtet von einer gewissen Depression des Mannes mit dem strahlende­n Lächeln. „Er ist der König, er war schon immer eine so imposante Figur, und heute kann er nicht mehr richtig gehen.“In einem Interview der Zeitung „Folha de S. Paulo“zu seinem 78. Geburtstag sagte Pelé, Gott habe die Rechnung für seine Jahre als Athlet geschickt.

Bei Santos erhielt der Schuhmache­r-Lehrling 1956 einen Vertrag und debütierte bereits mit 15 in der ersten Mannschaft. Nationaltr­ainer Vicente Feola nahm den 17-jährigen Pelé mit zur WM in Schweden 1958, wo dieser der bis heute jüngste Weltmeiste­r der Fußball-Geschichte wurde. So wie Pelés Stern damals aufging, machte Pelé auch Brasilien in der Welt bekannt.

Als er in Resende nach der Möglichkei­t eines neuen Pelé gefragt wird, antwortet der echte Pelé scherzhaft: „Ein Kind wie Pelé – das funktionie­rt nicht mehr. Mein Vater und meine Mutter haben die Fabrik geschlosse­n.“Er lacht. Aber was er von seinem Vater Dondinho, den eine Knieverlet­zung stoppte, gelernt habe, sei, immer daran zu denken, zu trainieren und sich zu verbessern.

So sagt Pelé, zu diesem Zeitpunkt fast 80, denn auch: „Ich bin jung, ich kann viel für Brasilien tun.“Erst in diesen Tagen habe er sich mit seinem Berater erinnert: „Mensch, bei der ersten Weltmeiste­rschaft in Schweden kannte niemand Brasilien. Wir kamen dort an, und die Leute dachten, Brasilien sei Buenos Aires, Caracas.“Pelé war sauer. Dann wurde die Seleção Weltmeiste­r, zum ersten Mal von bisher fünf. Auch wenn jemand nun die Hauptstadt des südamerika­nischen Landes nicht kennt, so weiß er doch: Brasilien ist das Land des Fußballs, das Land Pelés.

„Ich habe bereits 1969, als ich das 1000. Tor geschossen habe, gesagt, dass wir auf die Kinder schauen müssen.“Pelé über die Bedeutung der Nachwuchsa­rbeit

„Er ist der König, er war schon immer eine so imposante Figur, und heute kann er nicht mehr richtig gehen.“

Edinho

Pelés Sohn

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FOTO: PELÉ ACADEMIA/DPA Pelé lässt sich während der Einweihung der nach ihm benannten Fußball-Akademie im brasiliani­schen Resende mit Besuchern gemeinsam fotografie­ren. Die Fußball-Legende feiert am 23. Oktober ihren 80. Geburtstag.
 ?? FOTO: WEREK/IMAGO IMAGES ?? Der Kaiser und der wohl beste Fußballspi­eler aller Zeiten: Franz Beckenbaue­r und Pelé spielten bei Cosmos New York zusammen.
FOTO: WEREK/IMAGO IMAGES Der Kaiser und der wohl beste Fußballspi­eler aller Zeiten: Franz Beckenbaue­r und Pelé spielten bei Cosmos New York zusammen.
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FOTO: SIMON Pelé feiert mit seinen Mannschaft­skollegen und Anhängern den Gewinn der WM 1970 in Mexiko im überfüllte­n Aztekensta­dion in Mexiko-Stadt.
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FOTO: HARTUNG Pelé kam 1968 mit dem FC Santos ins Saarland zu einem Spiel gegen eine Saarauswah­l. Am Rande des Spiels sprach Ex-SZ-Sportchef Erich Philippi mit ihm.
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FOTO: HARTUNG Die saarländis­che Sportfotog­rafie-Legende Ferdi Hartung und die brasiliani­sche Fußball-Legende Pelé liefen sich in ihrer Karriere des Öfteren über den Weg.

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