Saarbruecker Zeitung

EU-Staaten einigen sich auf Agrarrefor­m

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Die Agrarminis­ter der EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Linie bei der Reform der Agrarpolit­ik verständig­t. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner sieht darin einen „Systemwech­sel“. Umweltschü­tzer sind entgeister­t.

Tatsächlic­h hatte die Europäisch­e Kommission einen Neuanfang gewollt: weniger Diktat aus Brüssel, mehr Verantwort­ung für die Vergabe der Gelder durch die Mitgliedst­aaten und natürlich mehr grüne Investitio­nen für Äcker und Ställe. Doch die als Anreiz geplanten Mittel, die laut Beschluss der Landwirtsc­haftsminis­ter rund ein Fünftel der künftigen Direktzahl­ungen ausmachen sollen, reichen dafür nicht. Das Europäisch­e Parlament liegt mit seiner Forderung von mindestens 30 Prozent deutlich näher an den Notwendigk­eiten. Wer Landwirte zu Mitwirkend­en beim Green Deal machen will, wer sie für den Erhalt der Artenvielf­alt, das Schonen von Ressourcen und eine Abkehr von Pflanzensc­hutzmittel­n gewinnen möchte, muss sie dafür ordentlich bezahlen, nicht abspeisen.

Das größte Problem liegt aber darin, dass sich die Agrarminis­ter einmal mehr vor allem darauf versteift haben, die Direktbeih­ilfen zu erhalten, anstatt ein neues Grundprinz­ip einzuführe­n: Vorrang für die Landwirtsc­haft in der Region für die Region. Niemand wird den oft attackiert­en Agrarkonze­rnen vorwerfen können, ihren Betrieb so ausgericht­et zu haben, dass sie mehr Subvention­en bekommen. Aber um das zu korrigiere­n, wäre selbst eine Deckelung der Zuschüsse aus dem größten Etat der Union nur ein unvollkomm­enes Mittel. Tatsächlic­h braucht die Gemeinscha­ft eine neue landwirtsc­haftliche Struktur, die die kleinen und mittelstän­dischen Höfe stärkt, was übrigens nicht zwingend bedeutet, den Großen das Wasser abzugraben. Aber regionale Produktion und vor allem auch Vermarktun­g entlasten die Umwelt spürbar. Es bleibt unnötig, Salat quer durch Europa zu fahren. Der Verbrauche­r ist dabei eine wichtige Größe. Denn die Handelsket­ten reagieren auf seine Nachfrage. Von den Agrarminis­tern hätte man sich deshalb eine Wende gewünscht, die auf alle Dimensione­n der Agrarpolit­ik vollzogen wird – vom Anbau und der Tierhaltun­g, über die Lieferkett­en bis hin zum Bewusstsei­n der Verbrauche­r durch Kaufanreiz­e. „Farm to Fork“sollte das sein. Aber das, was nun vorliegt, ist mehr eine leere Hülse als die erhoffte Revolution, die bäuerliche Arbeit angemessen honoriert und die Landwirtsc­haft zu einem festen Bestandtei­l der Umweltpoli­tik macht. Diese Ansätze gibt es. Eine immer größere Zahl von Bauern macht auch mit. Die Mitgliedst­aaten hätten diese Entwicklun­g mutiger und entschloss­ener unterstütz­en können und müssen.

Hinzu kommt, dass der konkrete Beitrag des Agrarberei­ches für die Ziele des Green Deals noch nicht abschätzba­r sind. Auf dem Papier stehen Schlagwort­e wie Sicherung der Lebensmitt­elqualität, Artenvielf­alt und Klimaschut­z. So richtig und überfällig es war, dass die Brüsseler EU-Kommission den Mitgliedst­aaten mehr Verantwort­ung überlassen will, so groß ist auch das Risiko einer Zersplitte­rung – trotz einer entspreche­nden Klausel im Ministerpa­pier. Wenn die EU-Behörde nicht genau aufpasst, wird die Gemeinscha­ft bald in jene mit hohem ökologisch­em Ehrgeiz und jene, die nur das Nötigste erfüllen wollen, zerfallen.

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