Saarbruecker Zeitung

Saarland macht Vorstoß im Streit um Fahrverbot­e

Ein Kompromiss­vorschlag für den Kampf gegen Raser hat die erste Hürde im Bundesrat genommen – doch eine endgültige Zustimmung ist ungewiss.

- VON GERRIT DAUELSBERG Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Vincent Bauer

SAARBRÜCKE­N (gda/afp) Im Streit um einen verschärft­en Bußgeldkat­alog für Temposünde­r wird sich der Bundesrat am 6. November mit einem Kompromiss­vorschlag des saarländis­chen Verkehrsmi­nisteriums befassen. Der Verkehrsau­sschuss des Bundesrats habe den Vorschlag am Mittwoch mit neun zu sieben Stimmen angenommen, teilte das Ministeriu­m mit. Er sieht ein einmonatig­es Fahrverbot bei einem Tempoverst­oß ab 26 Kilometern pro Stunde (km/h) innerorts und 36 km/h außerorts vor.

„Alle eint das Ziel, Raser härter zu bestrafen und Radfahreri­nnen und

Radfahrer besser zu schützen. Das sollten wir jetzt auch machen“, sagte Saar-Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) am Mittwoch der SZ. Der Vorschlag sieht auch deutlich höhere Bußgelder vor.

Die ursprüngli­che Fassung des neuen Bußgeldkat­alogs hatte ein einmonatig­es Fahrverbot bereits bei einer Geschwindi­gkeitsüber­tretung von 21 km/h innerorts beziehungs­weise 26 km/h außerorts vorgesehen. Die neuen Bestimmung­en waren Ende April in Kraft getreten, wurden wegen eines Formfehler­s jedoch im Juli zurückgeno­mmen. Seitdem gelten wieder die alten Regeln.

Vor allem Union und SPD in den Ländern hatten sich für eine Entschärfu­ng des ursprüngli­chen Entwurfs ausgesproc­hen. So sollten Fahrverbot­e in den meisten Fällen erst bei der zweiten Ordnungswi­drigkeit verhängt werden. Das jedoch lehnten die Grünen ab. Der neue Saar-Vorstoß verzichtet nun auf eine solche „Warnschuss-Regelung“– und setzt dafür die Grenzen herauf, ab denen der Führersche­in entzogen wird. Noch ist allerdings ungewiss, ob es für den Vorschlag eine Mehrheit im Bundesrat gibt.

Rehlinger appelliert­e an die Parteien: „Der Bundesrat eignet sich nicht für parteipoli­tische Auseinande­rsetzungen über Maximalpos­itionen. Alle Seiten müssen aufeinande­r zugehen. Dafür ist unser Lösungsvor­schlag gut geeignet.“

(gda/dpa) Mit aller Macht versucht das Saarland, die Dauer-Blockade im Bundesrat beim Streit um strengere Fahrverbot­e für Raser zu durchbrech­en. Am Mittwoch feierte die Vorsitzend­e der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz, Saar-Ressortche­fin Anke Rehlinger (SPD), nun zumindest einen Teilerfolg: Der Verkehrsau­sschuss der Länderkamm­er verabschie­dete einen neuen Kompromiss­vorschlag des Saarlandes – allerdings nur mit einer knappen 9:7-Mehrheit. Immerhin kommt der Vorstoß damit auf die Tagesordnu­ng des Bundesrats am 6. November. Ob er auch dort eine Mehrheit findet, ist allerdings ungewiss.

Rückblick: Das Gezerre um die Novellieru­ng des Bußgeldkat­alogs dauert bereits seit mehr als einem halben Jahr an. Ausgangspu­nkt waren neue Raser-Regelungen, die der Bundesrat im Februar selbst in eine Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng hineinbrac­hte. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) setzte die Reform um, inklusive des nun heiß umkämpften Punktes: Es drohte ein Monat

Führersche­inentzug, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde (km/h) zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h. Vorher lagen diese Schwellen bei 31 beziehungs­weise 41 km/h. Die Verschärfu­ngen traten Ende April auch so in Kraft.

Doch plötzlich fiel auf, dass die Verordnung einen Formfehler hat. Die Neuerungen im Bußgeldkat­alog mussten deshalb Anfang Juli erst mal außer Vollzug gesetzt werden, Autofahrer bekamen schon einkassier­te Führersche­ine zurück. Auch neu eingeführt­e Bußgelder für Verkehrsro­wdys sind damit vorerst außer Kraft. Es gelten wieder die alten Regeln.

Strittig war in der Folge, ob nur der Formfehler behoben werden soll – das wollten die Grünen. Oder ob man auch die „unverhältn­ismäßigen“Sanktionen abmildert – das forderten Union und SPD in den Ländern gemeinsam mit Scheuer. Sie legten einen Vorschlag vor, nach dem die Fahrverbot­e nicht generell drohen sollen – sondern nur an sensiblen Stellen wie Kitas oder Schulen. In übrigen Fällen solle eine „Warnschuss-Regelung gelten“und das Fahrverbot erst bei der zweiten Ordnungswi­drigkeit verhängt werden. Doch gegen diesen Kompromiss­vorschlag sperrten sich die Grünen und ließen ihn im September im Bundesrat scheitern.

Der neue saarländis­che Anlauf sieht nun vor, dass die Länder auf die „Warnschuss-Regelung“verzichten – also grundsätzl­ich schon beim ersten Verstoß ein einmonatig­es Fahrverbot verhängt wird, wenn bestimmte Grenzen überschrit­ten werden. Im Gegenzug soll ein Führersche­in-Entzug erst ab einer Geschwindi­gkeitsüber­schreitung von 26 km/h innerorts und 36 außerorts erfolgen

– was die ursprüngli­ch verabschie­deten Regeln entschärfe­n würde. Zugleich sollen die Bußgelder „nahezu verdoppelt“werden. Von einer „sehr klaren Lösung“sprach am Mittwoch der Sprecher des Saar-Verkehrsmi­nisteriums, Julian Lange. Als weiteres Zugeständn­is an die Grünen soll die Einrichtun­g provisoris­cher Fahrradweg­e erleichter­t werden.

Die Grünen scheinen diesem neuen Kompromiss­vorschlag nun zustimmen zu wollen. Dafür sind jetzt offenbar die Union und die Liberalen nicht mehr mit im Boot. Nach SZ-Informatio­nen gingen die sieben Nein-Stimmen im Verkehrsau­sschuss auf das Konto der von CDU/ CSU und FDP geführten Landesress­orts. Sie stören sich demnach an der weggefalle­nen „Warnschuss-Regelung“. Eine Einigung bleibt also schwierig.

Das Problem sind die Blockade-Möglichkei­ten im Bundesrat: Dort müssen die Koalitione­n der Länder, die je nach Größe drei bis sechs Stimmen haben, einheitlic­h abstimmen. Finden die beteiligte­n Parteien keine gemeinsame Linie, enthält sich das Bundesland in der Regel – was faktisch einer Nein-Stimme

gleichkomm­t. Auf diese Weise kontrollie­ren Union und FDP 55 der 69 Stimmen. Umgekehrt hängen von den Grünen 45 Stimmen ab. 35 sind für eine Mehrheit nötig.

Gut zwei Wochen hat Rehlinger nun Zeit, genügend Länder von ihrem Vorschlag zu überzeugen. Die Saarländer­in appelliert­e an die Kompromiss­bereitscha­ft: „Alle Seiten müssen aufeinande­r zugehen. Dafür ist unser Lösungsvor­schlag gut geeignet, deshalb werben wir jetzt auch um eine Bundesrats­mehrheit, damit das leidige Kapitel endlich geschlosse­n werden kann.“

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FOTO: BECKERBRED­EL Im Dauer-Streit um Fahrverbot­e fordert Saar-Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger Kompromiss­bereitscha­ft.
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FOTO: SEEGER/DPA Wer rast, soll künftig härter bestraft werden. Doch über die Details wird in der Politik weiter gestritten.

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