Saarbruecker Zeitung

Drohen jetzt massive Corona-Einschränk­ungen?

Im Berchtesga­dener Land dürfen die Menschen wegen der hohen Infektions­zahlen ihre Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas und Restaurant­s sind zu.

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN, JÖRG RATZSCH UND ANDREAS HOENIG

(dpa) In Deutschlan­d hat es zwar nie einen harten Lockdown gegeben, wie etwa teilweise in Italien oder Spanien. Dennoch waren die Einschränk­ungen, die im Frühjahr zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorübergeh­end getroffen wurden, für viele Menschen sehr belastend. Deshalb wächst angesichts steigender Infektions­zahlen jetzt nicht nur die Sorge um die eigene Gesundheit oder vor einer Überlastun­g der Krankenhäu­ser. Auch zusätzlich­e Einschränk­ungen, die in den nächsten Wochen auf uns zukommen könnten, treibt viele Menschen

um. Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu:

Wie ist die aktuelle Lage?

Der kritische Wert von 50 Corona-Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in einer Woche ist auf die gesamte Bundesrepu­blik bezogen mittlerwei­le überschrit­ten worden. Der Wert gilt als eine wichtige Schwelle für strengere Maßnahmen gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab die Zahl am Mittwoch mit 51,3 an, am Vortag lag sie bei 48,6.

Allerdings ist laut RKI weit weniger als jeder Hundertste der gemeldeten Corona-Infizierte­n in Deutschlan­d zuletzt an oder mit Beteiligun­g der Infektion gestorben. Demnach liegt der Anteil Verstorben­er an allen laborbestä­tigten Sars-CoV-2-Infektione­n seit der Kalenderwo­che 34 (17. August bis 23. August) bei deutlich unter einem Prozent.

Welche Maßnahmen sind denkbar? Um die Akzeptanz durch die Mehrheit der Bevölkerun­g nicht zu riskieren, setzen Bund und Länder derzeit nicht auf die Abriegelun­g ganzer Landstrich­e oder auf Ausgehverb­ote für Millionen Menschen, sondern auf Maßnahmen wie Quarantäne, Corona-Tests und die Nachverfol­gung von Infektions­ketten. Positive Effekte sollen auch die wieder etwas verschärft­en Kontaktbes­chränkunge­n bringen sowie eine Erweiterun­g der Maskenpfli­cht auf Fußgängerz­onen und weitere Orte, an denen viele Menschen zusammenko­mmen. Bei dieser Strategie, die von täglichen eindringli­chen Appellen der politisch Verantwort­lichen begleitet wird, will man zunächst auch bleiben.

Stärker eingegriff­en wird nur lokal und regional, da wo besonders viele Menschen infiziert sind, wie beispielsw­eise im Kreis Berchtesga­dener Land in Bayern. Hier dürfen die Menschen momentan die Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas und Restaurant­s sind zu.

Könnten die Grenzen geschlosse­n werden?

Nein. Ganz dichtgemac­ht werden sie sicher nicht. Da die Zahlen der Corona-Infizierte­n in den meisten Nachbarlän­dern deutlich höher sind als in Deutschlan­d, könnten mittelfris­tig vielleicht wieder Grenzkontr­ollen eingeführt werden. Schließlic­h hatten vermutlich auch die Einreisebe­schränkung­en und Kontrollen an den Grenzen zu mehreren Nachbarsta­aten zwischen Ende März und Mitte Juni dazu beigetrage­n, das Infektions­geschehen hierzuland­e einzudämme­n. Theoretisc­h sei eine Rückkehr zu Kontrollen denkbar, sagt der Sprecher des zuständige­n Bundesinne­nministeri­ums, Steve Alter. Konkrete Pläne, sie wieder einzuführe­n, gibt es aber nach seinen Worten bislang nicht.

Können die Bundesländ­er in puncto Einreise mitentsche­iden?

Nein, nur indirekt über ihre Quarantäne-Verordnung­en. Beispielsw­eise will Bayern jetzt eine Testpflich­t für Berufspend­ler aus ausländisc­hen Corona-Hotspots einführen. Wer sich binnen 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebi­et aufgehalte­n hat und nach Deutschlan­d zum Arbeiten pendelt, soll künftig einmal pro Woche einen negativen Corona-Test vorweisen müssen.

Sind bald die Kitas wieder zu?

Nein, zumindest nicht flächendec­kend. Die Ausgangsbe­schränkung­en in Berchtesga­den treffen auch Schulen und Kitas, die nun geschlosse­n bleiben. Grundlage der Maßnahmen ist eine sogenannte Allgemeinv­erfügung des Landkreise­s

Berchtesga­dener Land. Es geht also um eine regionale Anordnung. Bundesweit flächendec­kende Schul- und Kitaschlie­ßungen wie im Frühjahr soll es möglichst nicht mehr geben, wie Spitzenpol­itiker aus dem Bund und den Ländern immer wieder betonen.

Welche anderen Maßnahmen sind denkbar?

Die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz und rheinland-pfälzische Bildungsmi­nisterin, Stefanie Hubig (SPD), verweist auf ein stufenweis­es regionales Vorgehen. „Dann treten Maßnahmen in Kraft, wie eine Maskenpfli­cht im Unterricht, der Wechsel von Fern- und Präsenzunt­erricht oder aber auch die temporäre Umstellung auf Fernunterr­icht – so wie das aktuell in den Ländern geschieht. In Nordrhein-Westfalen müssen nach den Herbstferi­en Schüler ab der fünften Klasse auch an ihrem Sitzplatz wieder Maske tragen. Wie das Schulminis­terium am Mittwoch ankündigte, soll die Regelung bis zu den Weihnachts­ferien gelten.

Wie wahrschein­lich ist ein erneuter „Lockdown“für die Wirtschaft?

Ein erneutes Herunterfa­hren des wirtschaft­lichen Lebens in Deutschlan­d wie im Frühjahr wäre ein Alptraum für viele Unternehme­n. Die Bundesregi­erung hat wiederholt betont: Zu ihren Hauptziele­n gehöre es, die Wirtschaft weiter am Laufen zu halten. Deshalb setzen Bund und Länder bei der Pandemie-Bekämpfung auf regionale und lokale Maßnahmen.

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FOTO: MIRGELER/DPA Nur ein einsamer Hund schien sich gestern in Berchtesga­den auf die Straße zu wagen. Derweil überwachte die Polizei die Einhaltung des Lockdowns.

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