Drohen jetzt massive Corona-Einschränkungen?
Im Berchtesgadener Land dürfen die Menschen wegen der hohen Infektionszahlen ihre Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas und Restaurants sind zu.
(dpa) In Deutschland hat es zwar nie einen harten Lockdown gegeben, wie etwa teilweise in Italien oder Spanien. Dennoch waren die Einschränkungen, die im Frühjahr zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorübergehend getroffen wurden, für viele Menschen sehr belastend. Deshalb wächst angesichts steigender Infektionszahlen jetzt nicht nur die Sorge um die eigene Gesundheit oder vor einer Überlastung der Krankenhäuser. Auch zusätzliche Einschränkungen, die in den nächsten Wochen auf uns zukommen könnten, treibt viele Menschen
um. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Wie ist die aktuelle Lage?
Der kritische Wert von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche ist auf die gesamte Bundesrepublik bezogen mittlerweile überschritten worden. Der Wert gilt als eine wichtige Schwelle für strengere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab die Zahl am Mittwoch mit 51,3 an, am Vortag lag sie bei 48,6.
Allerdings ist laut RKI weit weniger als jeder Hundertste der gemeldeten Corona-Infizierten in Deutschland zuletzt an oder mit Beteiligung der Infektion gestorben. Demnach liegt der Anteil Verstorbener an allen laborbestätigten Sars-CoV-2-Infektionen seit der Kalenderwoche 34 (17. August bis 23. August) bei deutlich unter einem Prozent.
Welche Maßnahmen sind denkbar? Um die Akzeptanz durch die Mehrheit der Bevölkerung nicht zu riskieren, setzen Bund und Länder derzeit nicht auf die Abriegelung ganzer Landstriche oder auf Ausgehverbote für Millionen Menschen, sondern auf Maßnahmen wie Quarantäne, Corona-Tests und die Nachverfolgung von Infektionsketten. Positive Effekte sollen auch die wieder etwas verschärften Kontaktbeschränkungen bringen sowie eine Erweiterung der Maskenpflicht auf Fußgängerzonen und weitere Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen. Bei dieser Strategie, die von täglichen eindringlichen Appellen der politisch Verantwortlichen begleitet wird, will man zunächst auch bleiben.
Stärker eingegriffen wird nur lokal und regional, da wo besonders viele Menschen infiziert sind, wie beispielsweise im Kreis Berchtesgadener Land in Bayern. Hier dürfen die Menschen momentan die Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas und Restaurants sind zu.
Könnten die Grenzen geschlossen werden?
Nein. Ganz dichtgemacht werden sie sicher nicht. Da die Zahlen der Corona-Infizierten in den meisten Nachbarländern deutlich höher sind als in Deutschland, könnten mittelfristig vielleicht wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Schließlich hatten vermutlich auch die Einreisebeschränkungen und Kontrollen an den Grenzen zu mehreren Nachbarstaaten zwischen Ende März und Mitte Juni dazu beigetragen, das Infektionsgeschehen hierzulande einzudämmen. Theoretisch sei eine Rückkehr zu Kontrollen denkbar, sagt der Sprecher des zuständigen Bundesinnenministeriums, Steve Alter. Konkrete Pläne, sie wieder einzuführen, gibt es aber nach seinen Worten bislang nicht.
Können die Bundesländer in puncto Einreise mitentscheiden?
Nein, nur indirekt über ihre Quarantäne-Verordnungen. Beispielsweise will Bayern jetzt eine Testpflicht für Berufspendler aus ausländischen Corona-Hotspots einführen. Wer sich binnen 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten hat und nach Deutschland zum Arbeiten pendelt, soll künftig einmal pro Woche einen negativen Corona-Test vorweisen müssen.
Sind bald die Kitas wieder zu?
Nein, zumindest nicht flächendeckend. Die Ausgangsbeschränkungen in Berchtesgaden treffen auch Schulen und Kitas, die nun geschlossen bleiben. Grundlage der Maßnahmen ist eine sogenannte Allgemeinverfügung des Landkreises
Berchtesgadener Land. Es geht also um eine regionale Anordnung. Bundesweit flächendeckende Schul- und Kitaschließungen wie im Frühjahr soll es möglichst nicht mehr geben, wie Spitzenpolitiker aus dem Bund und den Ländern immer wieder betonen.
Welche anderen Maßnahmen sind denkbar?
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Bildungsministerin, Stefanie Hubig (SPD), verweist auf ein stufenweises regionales Vorgehen. „Dann treten Maßnahmen in Kraft, wie eine Maskenpflicht im Unterricht, der Wechsel von Fern- und Präsenzunterricht oder aber auch die temporäre Umstellung auf Fernunterricht – so wie das aktuell in den Ländern geschieht. In Nordrhein-Westfalen müssen nach den Herbstferien Schüler ab der fünften Klasse auch an ihrem Sitzplatz wieder Maske tragen. Wie das Schulministerium am Mittwoch ankündigte, soll die Regelung bis zu den Weihnachtsferien gelten.
Wie wahrscheinlich ist ein erneuter „Lockdown“für die Wirtschaft?
Ein erneutes Herunterfahren des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland wie im Frühjahr wäre ein Alptraum für viele Unternehmen. Die Bundesregierung hat wiederholt betont: Zu ihren Hauptzielen gehöre es, die Wirtschaft weiter am Laufen zu halten. Deshalb setzen Bund und Länder bei der Pandemie-Bekämpfung auf regionale und lokale Maßnahmen.