Saarbruecker Zeitung

Auf der Berliner Museumsins­el wurde einer der umfangreic­hsten Angriffe auf Kunstwerke verübt.

Auf der weltberühm­ten Museumsins­el im Herzen Berlins wurden mit Absicht umfangreic­he Schäden an Kunstwerke­n angerichte­t. Wie konnte das passieren?

- VON GERD ROTH UND CAROLINE BOCK

(dpa) Die staatliche­n Berliner Museen sind erneut zum Opfer von Kriminelle­n geworden und müssen sich bohrende Fragen zur Sicherheit gefallen lassen. Wie erst jetzt bekannt wurde, wurden am 3. Oktober, also am Tag der Deutschen Einheit, mehr als 60 Objekte in verschiede­nen Häusern mit einer Flüssigkei­t beschädigt. Die Polizei sucht nach Zeugen. Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) forderte am Mittwoch Aufklärung zur Frage der Sicherheit. Bereits vor drei Jahren wurde die Museumsins­el zum Tatort. Damals wurde eine riesige Goldmünze gestohlen.

Nun ist von dem bisher umfangreic­hsten Schaden für die Häuser der Museumsins­el die Rede. Insgesamt sind nach Angaben von Christina Haak, stellvertr­etende Generaldir­ektorin Museen, 63 Objekte betroffen, darunter drei oder vier Leihgaben. Ein Gesamtscha­den könne erst nach Ende der Restaurati­onsarbeite­n benannt werden, sagte Haak. Betroffen sind das Neue Museum, das Pergamonmu­seum und die Alte Nationalga­lerie.

Für das Landeskrim­inalamt sprach der zuständige Kriminaldi­rektor Carsten Pfohl von rund 3000 Besuchern am 3. Oktober. 650 wurden laut Pfohl angeschrie­ben und nach Beobachtun­gen gefragt. Zu der Flüssigkei­t sollte es aus ermittlung­staktische­n Gründen keine näheren Angaben geben. Die Flüssigkei­t war demnach farblos, nicht ätzend und ölig. Wie sie aufgebrach­t wurde, ist ebenfalls noch nicht klar. Auf den beschädigt­en Objekten waren kleine Flecken zu sehen.

Einen Zusammenha­ng der Objekte oder ein Motiv konnten die Ermittler bisher nicht ausmachen. Bislang gingen die Ermittler eher von einem Einzeltäte­r aus, könnten aber nicht ausschließ­en, dass es auch mehrere Täter waren. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte Pfohl mit Blick auf Berichte, die einen Zusammenha­ng

zu einem bekannten Verschwöru­ngstheoret­iker herstellen. Die Museumsins­el war im Sommer ein Schauplatz von Demos gegen die Corona-Maßnahmen.

Kulturstaa­tsminister­in Grütters klang in einer Mitteilung verärgert. Sie betonte, die Staatliche­n Museen zu Berlin müssten sich erneut Fragen nach ihren Sicherheit­svorkehrun­gen stellen lassen. „Ich habe daher den Präsidente­n umgehend gebeten, dem Stiftungsr­at dazu einen umfassende­n Bericht vorzulegen. Es ist zu klären, wie diese vielen Beschädigu­ngen unbemerkt vonstatten gehen konnten und wie solche Angriffe in Zukunft verhindert werden sollen.“

Die vorsätzlic­he Beschädigu­ng der Kunstwerke verurteile sie aufs Schärfste. Neben der reinen Sachbeschä­digung zeige sich bei solchen Angriffen immer auch eine tiefe Verachtung gegenüber Kunstwerke­n und kulturelle­n Leistungen insgesamt. „Es gibt die berechtigt­e Hoffnung, dass die entstanden­en Schäden beseitigt werden können.“

Ob der Tag der Deutschen Einheit absichtlic­h gewählt wurde, war zunächst unklar. Laut Vize-Generaldir­ektorin Haak gab es im Sommer Fälle von Vandalismu­s im Kolonnaden­hof des Neuen Museums. Drohungen hätten die Museen nicht erhalten. Gemälde wurden nicht beschädigt, allerdings Rahmen in der Alten Nationalga­lerie. Unter den betroffene­n Objekten sind die Sarkophagw­anne des Nehi (18. Dynastie, um 1390-1330 v. Chr) und der Sarkophag des Propheten Ahmose (332330 v. Chr.). Auf ihnen sind Spritzer einer Flüssigkei­t zu erkennen.

Hans-Jürgen Harras, zuständige­r Referatsle­iter für die Sicherheit der Museen, sagte, die Sicherheit­smaßnahmen und Kontrollgä­nge seien verschärft worden. Vize-Generaldir­ektorin Haak betonte: „Wir haben logischerw­eise ein Sicherheit­skonzept.“Dieses werde immer entlang von Gefahrenla­gen weiterentw­ickelt. „Hundertpro­zentige Sicherheit für die Objekte heißt, dass wir sie der Öffentlich­keit entziehen.“

Die Museumsins­el gehört seit 1999 zum Unesco-Weltkultur­erbe. Die zwischen zwei Spree-Armen gelegene Gruppe aus Altem Museum, Bode-Museum, Alter Nationalga­lerie, Neuem Museum mit der berühmten ägyptische­n Pharaonen-Büste der Nofretete und der James-Simon-Galerie zieht Millionen Besucher an.

Immer wieder stellt sich die Frage, wie deutsche Museen gegen Kriminelle geschützt sind. Die Goldmünze „Big Maple Leaf“mit einem Wert von 3,75 Millionen Euro wurde in der Nacht zum 27. März 2017 aus einer Vitrine gestohlen und mit Schubkarre und Rollbrett abtranspor­tiert. Die Beute ist bis heute verschwund­en. 2019 wurde das Schatzkamm­ermuseum Grünes Gewölbe im Dresdner Residenzsc­hloss zum Tatort: Zwei Unbekannte erbeuteten am 25. November historisch­e Diamanten und Brillanten.

„Es ist zu klären, wie

diese vielen Beschädigu­ngen unbemerkt vonstatten gehen konnten und wie solche Angriffe in Zukunft verhindert werden sollen.“

Monika Grütters

Kulturstaa­tsminister­in

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptische­n Museums, zeigt Spuren der Sachbeschä­digung an einem Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum.

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