Was die Ramsteiner über den US-Wahlkampf denken
Der kleine Ort mit dem riesigen US-Militärstützpunkt gilt als „Klein-Amerika“in der Pfalz. Die bevorstehende Präsidentschaftswahl elektrisiert die Bürger.
(dpa) Hoffnung und Skepsis sind vor der nahen US-Präsidentschaftswahl vielleicht nirgendwo in Deutschland so spürbar wie in Ramstein. „Ich bin entsetzt über die Art, wie die Kontrahenten Donald Trump und Joe Biden miteinander umgehen“, sagt Ralf Hechler, Bürgermeister von Ramstein-Miesenbach. „Jede kleine Erschütterung in der politischen Spitze wirkt sich bei uns hier unten direkt aus.“Die stationierten Soldaten gehören zur Kaiserslautern Military Community, die mehr als 50 000 Amerikaner zählt – mit Angehörigen und Zivilbeschäftigten. „Die Amerikaner genießen hier einen hohen Stellenwert, und wir profitieren wirtschaftlich von ihnen“, sagt Hechler. Allein in der Militärgemeinde Kaiserslautern hat die US-Armee eine Wirtschaftskraft von jährlich gut 2,3 Milliarden Euro.
Trump polarisiere, seine Politik komme in Ramstein schlecht an, so Hechler. „Wenn er poltert oder Unsinniges twittert, fühlen wir uns hier wie der letzte Heinz.“Dass Amerikaner und Deutsche eine gewachsene Struktur in Ramstein seien, aber auch, dass er den Nato-Partner Deutschland nicht vor den Kopf stoßen sollte – darüber würde der Bürgermeister gerne einmal mit Trump sprechen. Auf die US-Wahl am 3. November schaut er mit gemischten Gefühlen. „Ich fürchte, dass das eng ausgeht. Und dann kann man nur hoffen, dass der Verlierer die Niederlage akzeptiert.“
Immobilienmakler Günther Wolf macht in Ramstein schon seit 30 Jahren mit Amerikanern gute Geschäfte. Wie sieht er die Stimmung kurz vor der Wahl? „Klar, die Meinungen über Trump gehen auseinander“, sagt Wolf. „Aber sind wir ehrlich: Präsidenten kommen und gehen. Wir hier müssen das Beste daraus machen.“Schon mehrmals habe es Aufregung in Ramstein gegeben, ob nach dem Golfkrieg 1991 oder den Anschlägen vom 11. September 2001. „Jetzt heißt es, die Amerikaner wollten Tausende Soldaten abziehen. Aber wenn deswegen Unruhe in Ramstein herrschen würde, würden die Leute ihre Häuser verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall: Für Amerikaner werden weiter Wohnungen gesucht. Die Preise hier waren nie höher.“
Bisher habe sich immer alles ins Positive gedreht, sagt Wolf. Wer abends durch Ramstein gehe, sehe manche Lokale zu drei Vierteln mit Amerikanern besetzt. „Eigentlich“, sagt der Makler, „sind wir hier eine riesige Familie“.
Eine Familie, das ist in Ramstein auch das deutsch-amerikanische Ehepaar Pfannenstiel mit seinen beiden Kindern. Weil der Dialog zwischen Deutschen und Amerikanern für sie eine Herzensangelegenheit ist, haben Bianka und Will Pfannenstiel vor drei Jahren einen Stammtisch gegründet. „Als Will 2017 bei der US-Armee in Rente ging, haben wir überlegt, wie wir das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern verbessern können“, erzählt die SPD-Gemeinderätin. Anfangs kamen 20 Leute, zuletzt vor der Corona-Zwangspause etwa 40.
Und dann wird gestritten? Will Pfannenstiel lacht. „Wir landen seltener bei Politik als viele denken.“Wichtiger sei der Alltag, sagt seine Frau. Politik sei jedoch nicht tabu. „Aber in Deutschland werden Amerikaner oft mit Trump gleichgesetzt – unabhängig davon, ob sie ihn gewählt haben.“Das Paar hatte sich 1999 in Wiesbaden kennengelernt, wo die Lehrerin arbeitete. Will war dort stationiert.
„Ich verstehe die Fixierung vieler Deutscher auf Trump. Er ist omnipräsent“, meint der Ex-Soldat. Ihn störe aber, dass Auswärtige praktisch jeden in Ramstein auf Politik reduzierten. „Politik ist hier eigentlich zweitrangig.“Natürlich gebe es Unterschiede in den Kulturen, sagt er. Aber nach fast 70 Jahren seien Amerikaner in Ramstein ein Teil der Gesellschaft. „Jeder Deutsche hat mittlerweile irgendeinen Amerikaner in der Familie.“