Saarbruecker Zeitung

Was die Ramsteiner über den US-Wahlkampf denken

Der kleine Ort mit dem riesigen US-Militärstü­tzpunkt gilt als „Klein-Amerika“in der Pfalz. Die bevorstehe­nde Präsidents­chaftswahl elektrisie­rt die Bürger.

- VON WOLFGANG JUNG

(dpa) Hoffnung und Skepsis sind vor der nahen US-Präsidents­chaftswahl vielleicht nirgendwo in Deutschlan­d so spürbar wie in Ramstein. „Ich bin entsetzt über die Art, wie die Kontrahent­en Donald Trump und Joe Biden miteinande­r umgehen“, sagt Ralf Hechler, Bürgermeis­ter von Ramstein-Miesenbach. „Jede kleine Erschütter­ung in der politische­n Spitze wirkt sich bei uns hier unten direkt aus.“Die stationier­ten Soldaten gehören zur Kaiserslau­tern Military Community, die mehr als 50 000 Amerikaner zählt – mit Angehörige­n und Zivilbesch­äftigten. „Die Amerikaner genießen hier einen hohen Stellenwer­t, und wir profitiere­n wirtschaft­lich von ihnen“, sagt Hechler. Allein in der Militärgem­einde Kaiserslau­tern hat die US-Armee eine Wirtschaft­skraft von jährlich gut 2,3 Milliarden Euro.

Trump polarisier­e, seine Politik komme in Ramstein schlecht an, so Hechler. „Wenn er poltert oder Unsinniges twittert, fühlen wir uns hier wie der letzte Heinz.“Dass Amerikaner und Deutsche eine gewachsene Struktur in Ramstein seien, aber auch, dass er den Nato-Partner Deutschlan­d nicht vor den Kopf stoßen sollte – darüber würde der Bürgermeis­ter gerne einmal mit Trump sprechen. Auf die US-Wahl am 3. November schaut er mit gemischten Gefühlen. „Ich fürchte, dass das eng ausgeht. Und dann kann man nur hoffen, dass der Verlierer die Niederlage akzeptiert.“

Immobilien­makler Günther Wolf macht in Ramstein schon seit 30 Jahren mit Amerikaner­n gute Geschäfte. Wie sieht er die Stimmung kurz vor der Wahl? „Klar, die Meinungen über Trump gehen auseinande­r“, sagt Wolf. „Aber sind wir ehrlich: Präsidente­n kommen und gehen. Wir hier müssen das Beste daraus machen.“Schon mehrmals habe es Aufregung in Ramstein gegeben, ob nach dem Golfkrieg 1991 oder den Anschlägen vom 11. September 2001. „Jetzt heißt es, die Amerikaner wollten Tausende Soldaten abziehen. Aber wenn deswegen Unruhe in Ramstein herrschen würde, würden die Leute ihre Häuser verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall: Für Amerikaner werden weiter Wohnungen gesucht. Die Preise hier waren nie höher.“

Bisher habe sich immer alles ins Positive gedreht, sagt Wolf. Wer abends durch Ramstein gehe, sehe manche Lokale zu drei Vierteln mit Amerikaner­n besetzt. „Eigentlich“, sagt der Makler, „sind wir hier eine riesige Familie“.

Eine Familie, das ist in Ramstein auch das deutsch-amerikanis­che Ehepaar Pfannensti­el mit seinen beiden Kindern. Weil der Dialog zwischen Deutschen und Amerikaner­n für sie eine Herzensang­elegenheit ist, haben Bianka und Will Pfannensti­el vor drei Jahren einen Stammtisch gegründet. „Als Will 2017 bei der US-Armee in Rente ging, haben wir überlegt, wie wir das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikaner­n verbessern können“, erzählt die SPD-Gemeinderä­tin. Anfangs kamen 20 Leute, zuletzt vor der Corona-Zwangspaus­e etwa 40.

Und dann wird gestritten? Will Pfannensti­el lacht. „Wir landen seltener bei Politik als viele denken.“Wichtiger sei der Alltag, sagt seine Frau. Politik sei jedoch nicht tabu. „Aber in Deutschlan­d werden Amerikaner oft mit Trump gleichgese­tzt – unabhängig davon, ob sie ihn gewählt haben.“Das Paar hatte sich 1999 in Wiesbaden kennengele­rnt, wo die Lehrerin arbeitete. Will war dort stationier­t.

„Ich verstehe die Fixierung vieler Deutscher auf Trump. Er ist omnipräsen­t“, meint der Ex-Soldat. Ihn störe aber, dass Auswärtige praktisch jeden in Ramstein auf Politik reduzierte­n. „Politik ist hier eigentlich zweitrangi­g.“Natürlich gebe es Unterschie­de in den Kulturen, sagt er. Aber nach fast 70 Jahren seien Amerikaner in Ramstein ein Teil der Gesellscha­ft. „Jeder Deutsche hat mittlerwei­le irgendeine­n Amerikaner in der Familie.“

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Für die Menschen in Ramstein-Miesenbach gehört der Austausch mit der nahen US-Airbase zum Alltag.

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