Ärger wegen Stillstand bei Zeitumstellung
Deutschland soll seinen Ratsvorsitz nutzen, um das Hin und Her zu beenden, fordert die EU-Politikerin.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag endet die Sommerzeit und die Uhren müssen wieder umgestellt werden. Eigentlich hatten sich jedoch das EU-Parlament und die Kommission für eine Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und frühere Bundesjustizministerin, Katarina Barley (SPD), wo es hakt.
Frau Barley, wird die Uhr am Wochenende vor- oder zurückgestellt?
BARLEY Im Englischen sagt man: Spring forward. Fall back. Also im Frühling vor und im Herbst zurück.
Richtig. Sie haben keine Probleme mit der Zeitumstellung?
BARLEY Nicht mehr. Aber als meine Kinder noch kleiner waren, habe ich immer sehr geflucht. Sie hatten arge Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen.
Warum wird noch zweimal im Jahr an der Uhr gedreht? Die Europäische Union war doch klar für die Abschaffung.
BARLEY Genau. Es gab eine Bürgerbefragung dazu, die sehr deutlich ausging. Wir haben auch eine Position der Kommission und eine Stellungnahme des Parlamentes jeweils pro Abschaffung. Was fehlt, ist die Entscheidung des Rates, also der Regierungen der Mitgliedstaaten. Die müssten sich idealerweise einigen, welche Zeit es dann werden soll. Da gibt es aber unterschiedliche Sichtweisen, ob man beispielsweise in Portugal oder Nordfinnland lebt.
Wer blockiert denn konkret?
BARLEY Ich glaube nicht, dass man in diesem Fall von Blockade sprechen kann. Mein Eindruck ist, dass man sich mit dem Thema immer ein stückweit unbeliebt macht als Regierung, weil die eine Hälfte der Leute die Sommerzeit, die andere Hälfte die Winterzeit behalten will. Es bräuchte jetzt jemanden, der das Heft in die Hand nimmt.
Wie wäre es mit der deutschen Regierung? Deutschland hat die EU-Ratspräsidentschaft inne.
BARLEY Richtig. Die deutsche Ratspräsidentschaft wäre dafür eine gute Gelegenheit. Die Portugiesen, die nach uns kommen, haben da keinerlei Ambitionen. Allein 70 Prozent der Menschen, die an der EU-Umfrage teilgenommen haben, waren Deutsche. Hierzulande ist das Bedürfnis groß, die Zeitumstellung endlich abzuschaffen. Das Thema liegt bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier und der macht keinerlei Anstalten, aktiv zu werden. Wir haben da aber Kontakt aufgenommen, mein Fraktionskollege Ismail Ertug hat Altmaier kürzlich angeschrieben und ihn aufgefordert, zu handeln.
Vielleicht liegt die Zurückhaltung daran, dass die Corona-Krise alles andere überlagert?
BARLEY Das ist ein Argument, das ich nicht gelten lasse. Wir haben riesige Ressorts mit vielen Menschen in Brüssel, die für unterschiedliche Themen zuständig sind. Da kann man auch schon mal zwei Dinge gleichzeitig erledigen. Das Europäische Parlament will ja, dass die Abschaffung im März 2021 vollzogen wird. Noch ist das möglich. Wenn man es will.
Wofür sind Sie denn nach der Abschaffung der Umstellung – für die
Sommer- oder die Winterzeit?
BARLEY Emotional ist man immer versucht, Sommer zu sagen, weil es sich einfach schöner anhört. Glaubt man aber den Wissenschaftlern, ist die Winterzeit die natürlichere, die unserem Rhythmus eher entgegenkommt. Davon habe ich mich überzeugen lassen.