Saarbruecker Zeitung

Wie ein Traditions­gasthaus in Burbach überlebt

Das Burbacher Gasthaus ist schon lange über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt und hat nach einer Renovierun­g neu eröffnet.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN Produktion dieser Seite: Martin Rolshausen, Frank Kohler, Jörg Laskowski

Wenn das Leben die Lage verschärft und die Welt ungerecht wirkt, gibt es aus Sicht von Jürgen Neumüller zwei Möglichkei­ten: „Entweder man setzt sich auf die Couch und heult. Oder man probiert etwas Neues.“In den vergangene­n 30 Jahren, sagt der Inhaber des Burbacher Traditions-Gasthauses Anthes-Neumüller, haben er und seine Frau Renate sich immer wieder für Variante zwei entschiede­n.

Die jüngsten Widrigkeit­en, erst die durch Corona bedingte Schließung und dann eine große Baustelle vor der Tür, haben Renate und Jürgen Neumüller für „ausgiebige Renovierun­gsarbeiten“genutzt. Am Donnerstag hat das Restaurant in der Bergstraße neu eröffnet.

Seit 1909 wird das Lokal von der Familie geführt. Vor 31 Jahren haben es Renate und Jürgen Neumüller in vierter Generation übernommen. Davor führten Neumüllers Eltern Erna und Hermann Neumüller das Lokal, davor Jürgen Neumüllers Großeltern Lina und August Anthes. Kontinuitä­t gewährleis­te aber nicht nur die Familie den „lieben treuen Stammgäste­n“, erklärt Neumüller, sondern auch das Personal, das teilweise schon über 20 Jahre im Lokal arbeitet.

Die Vertrauthe­it, die dadurch zwischen Team und Gästen entsteht, mache das Gasthaus aus, sagt der Chef. Man habe sehr viel Stammkunds­chaft, auch einige Stammtisch­e, die sich regelmäßig treffen. „Es gibt Lokale, da hast du an der Tür schon den Eindruck, dass du eine Nummer bist“, sagt der 60-Jährige. Wenn er irgendwo hingehe, dann wolle er auch keine Nummer sein. Deshalb funktionie­re auch seine Zusammenar­beit mit der Metzgerei Schwamm so gut. Und diese gute Zusammenar­beit sei ein weiterer Grund dafür, warum Anthes-Neumüller eine Größe ist über die Grenzen Burbachs hinaus. Der ehemalige Ministerpr­äsident Reinhard Klimmt hat Anthes-Neumüller mal als das beste Steakhaus der Stadt bezeichnet. Die Steaks und die gutbürgerl­iche Küche, die man immer seltener bekommt, sorgen für treue Kundschaft.

Wobei Treue für Jürgen Neumüller keine Einbahnstr­aße ist. Als er den Laden wegen Corona wie alle anderen Wirte zusperren musste, haben er und seine Frau angefangen, Essen zum Mitnehmen aus dem Fenster raus zu verkaufen. Sie haben den Firmen, deren Mitarbeite­r oft mittags ins Lokal kommen, Nachrichte­n geschickt und sie über den neuen Service informiert. „Das hat dann richtig Spaß gemacht am Fenster“, sagt Renate Neumüller. Als es dann

Jürgen Neumüller

ums Renovieren ging, hat Neumüller die Arbeit unter den Firmen aufgeteilt, deren Leute seine Gäste sind. Er kauft nach Möglichkei­t auch alles, was er braucht, in Burbach

ein. Zum Beispiel das Eis der Firma Klein. „Unser Geld bleibt in der Gass“, sagt Neumüller.

Diesem Grundsatz sei er immer treu geblieben. Geändert hat sich in gut 30 Jahren aber einiges, sagt der gelernte Koch, der insgesamt schon seit 45 Jahren in der Gastronomi­e arbeitet. Viele Burbacher sagt er, haben „von der Taufe bis zur Beerdigung“

alle wichtigen Tage bei Anthes-Neumüller verbracht. Wer im Saal mit 110 Plätzen eine Kommunion oder Konfirmati­on feiern wollte, musste mindestens zwei Jahre vorher reserviere­n. „Das mit den Kommunionf­eiern ist nicht mehr so. Das Geld ist nicht mehr so da“, sagt Neumüller. Als er das Gasthaus vor 31 Jahren übernommen hat, waren die Gruben noch in Betrieb, die Hütte und das Bahn-Ausbesseru­ngswerk auch. „Burbach war eine blühende Landschaft“, sagt Neumüller. Die Promillegr­enze für Autofahrer war deutlich höher als heute, von einem Nichtrauch­erschutzge­setz hat noch niemand gesprochen. „Es gab auch noch kein Handy. Die Leute konnten noch miteinande­r reden und haben sich nicht über WhatsApp ,Guten Appetit’ gewünscht“, witzelt der Wirt und schaut zur Wand mit den Fanartikel­n des FC Köln. „Meine große Liebe nach meiner Frau“, erklärt er. Anthes-Neumüller gehöre zu Burbach. Jeder Taxifahrer in Saarbrücke­n wisse, wo er hinfahren muss, wenn man sagt, man wolle „zum Anthes“. Ja, die Rahmenbedi­ngungen für Gastronomi­e sind nicht mehr so gut wie vor 30 Jahren, in Burbach schon erst recht nicht, sagt Jürgen Neumüller. Dennoch: Zum Weinen aufs Sofa werden sich Jürgen und Renate Neumüller nicht zurückzieh­en. anthes-neumueller-burbach.de

„Entweder man setzt sich auf die Couch und heult. Oder man probiert etwas Neues.“

Wirt

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FOTO: MARTIN ROLSHAUSEN Jürgen und Renate Neumüller hinterm Tresen ihres Traditions-Gasthauses in Burbach.

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