Saarbruecker Zeitung

Opposition in Belarus ruft zu Generalstr­eik auf

Zum elften Mal in Serie bringt die Demokratie­bewegung die Massen auf die Straße. Sie trotzt dem Machtappar­at Lukaschenk­os – und hat noch mehr vor.

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Die Demokratie­bewegung in Belarus hat für heute zu einem Generalstr­eik gegen Alexander Lukaschenk­o aufgerufen. Gestern demonstrie­rten mehr als 100 000 Menschen gegen den Machthaber.

(dpa) Mehr als 100 000 Menschen haben ungeachtet eines massiven Polizei- und Militärauf­gebots den elften Sonntag in Serie in Belarus gegen Machthaber Alexander Lukaschenk­o protestier­t. Nach weitgehend­em friedliche­m Verlauf setzte die Polizei am Abend in Minsk Blend- und Lärmgranat­en gegen Demonstran­ten ein. Augenzeuge­n berichtete­n im Nachrichte­nkanal Telegram von mehreren Verletzten. Das Innenminis­terium bestätigte den Einsatz der Spezialmit­tel gegen „gewaltbere­ite Demonstran­ten“. Sie sollen zuvor eine Absperrung durchbroch­en haben. Das Menschenre­chtszentru­m Wesna berichtete von rund 100 Festnahmen in verschiede­nen Städten des Landes, in denen es ebenfalls Proteste gab. In der Stadt Lida bestätigte­n die Behörden den Einsatz von Tränengas. Hundertsch­aften von Polizei und Militär hatten das Zentrum der Hauptstadt Minsk abgeriegel­t. Die Behörden sperrten sämtliche Metrostati­onen, um den Zustrom von Menschen aus den Stadtteile­n zu verhindern.

Seit der umstritten­en Präsidente­nwahl am 9. August kommt es in der Ex-Sowjetrepu­blik immer wieder zu Protesten, weil sich Lukaschenk­o nach 26 Jahren an der Macht mit rund 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Die Demokratie­bewegung beanspruch­t den Sieg für die Bürgerrech­tlerin Swetlana Tichanowsk­aja. Die EU unterstütz­t Lukaschenk­os Gegner und erkennt Lukaschenk­o nicht mehr als Präsidente­n an. Unterstütz­ung erhält der 66-Jährige aus Russland.

„Heute ist ein besonderer Tag“, sagte Tichanowsk­aja in ihrem Exil in der EU in einer Live-Schalte. Am Sonntag lief ihr Volks-Ultimatum an Lukaschenk­o aus. Die Demokratie­bewegung fordert ein Ende der Polizeigew­alt, die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen, den Rücktritt Lukaschenk­os sowie eine Neuwahl.

Zwar wurden einige Opposition­elle aus der Haft entlassen, mehr Entgegenko­mmen ist aber nicht in Sicht. Deshalb rief Tichanowsk­aja

erneut dazu auf, sich an diesem Montag an einem landesweit­en Generalstr­eik zu beteiligen. Die Opposition sieht nicht zuletzt beflügelt durch den Sacharow-Menschenre­chtspreis des EU-Parlaments.

Für Erheiterun­g in Opposition­skreisen sorgte eine Initiative des Machtappar­ats, Unterstütz­er Lukaschenk­os zu Tausenden auf Kosten des Steuerzahl­ers in die Hauptstadt zu bringen. Lukaschenk­o musste die Aktion letztlich absagen. Er sagte, der erwartete Zulauf sei so groß, dass ein Verkehrsko­llaps drohe. Der wahre Grund war nach Berichten unabhängig­er Medien aber eine massenhaft­e Weigerung der Menschen, nach Minsk zu reisen.

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FOTO: -/AP/DPA Sonntag in Minsk: Die Polizei blockierte eine Straße während der Kundgebung. Seit elf Wochen protestier­en Zehntausen­de gegen Lukaschenk­o.

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