Saarbruecker Zeitung

Lernen in der radikalen Moderne

Das Athénée-Lyzeum in Luxemburg-Stadt hat als ältestes Gymnasium des Großherzog­tums eine mehr als 400-jährige Geschichte. Diese gipfelt in einem seinerzeit wegweisend­en Bau.

- VON SOPHIA SCHÜLKE Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Michael Kipp Dietmar Klosterman­n

Funktional und seiner Zeit voraus: Die drei Flügel des Luxemburge­r Lyzeums Athénée fassen 1600 Schüler, und seit einigen Jahren ist der Bau aus den 1960ern auch energetisc­h auf dem neusten Stand. „Es ist ein imposantes Gebäude auf einer Stahl- und Betonkonst­ruktion als Grundgerüs­t. Allein die Transparen­z, die durch die großzügige Verglasung entsteht, ist etwas Besonderes.“Jos Salentiny, Ehrendirek­tor des Athénée de Luxembourg kennt die weiterführ­ende Schule am Boulevard Pierre Dupong in- und auswendig. Hier wurden erstmals in einem großen öffentlich­en Luxemburge­r Gebäude Aluminiumf­enster verbaut, ein verglastes Erdgeschos­s diente als großer Aufenthalt­sraum.

„Es ist das älteste Lyzeum das Landes und war drei Jahrhunder­te das einzige Gymnasium, deswegen ist es in vielen Familien fest verankert“, sagt Salentiny. 1603 wird es als Jesuitenko­lleg direkt neben der Kathedrale in der Altstadt gegründet. Später dient es als Gefängnis, Depot, Militärkra­nkenhaus und französisc­he Schule, 1817 wird es zum „Athénée Royal“. Mitte des 20. Jahrhunder­ts ist das Gebäude zu klein. Das Projekt für ein „Nouvel Athénée“, einem Neubau außerhalb des Zentrums der Stadt, wird 1957 ausgeschri­eben. Der Luxemburge­r Architekt Laurent Schmit (Robert Schuman Gebäude in Kirchberg) setzt sich durch, und führt den Auftrag mit Nicolas Schmit-Noesen (Hotel Kons, Luxemburge­r Pavillon der Pariser Weltausste­llung 1937) und Pierre Grach aus. 1964 startet der Betrieb am neuen Standort.

Auch wenn das Gebäude von Anfang an auf Erweiterun­g ausgelegt ist – lassen sich doch im Südflügel nach der Auslagerun­g von Küche und Kantine leicht acht neue Klassensäl­e einrichten –, besteht energetisc­h bald Nachholbed­arf. „Die Isolation des

Mauerwerks erwies sich als sehr schlecht, die Fenster waren auch nur einfach verglast und nicht dicht“, erinnert sich Salentiny.

Zwischen November 2013 und Januar 2017 wird die Schule für rund 85 Millionen Euro umfangreic­h überholt. Energiever­brauch, barrierefr­eier Zugang, Brandschut­z und Hygiene sollen den heutigen Anforderun­gen genügen. Das Gebäude wird auf seine Grundstruk­tur zurückgeba­ut. Die Originalbö­den bleiben dort, wo es möglich war, erhalten. „Für die Fassade wird Jaumont-Stein verwendet“, sagt Joël Cannivé, Projektlei­ter bei der Verwaltung für öffentlich­e Bauten in Luxemburg. Der gelbliche Sandstein aus der Metzer Umgebung „kommt in Aussehen, Farbe, Textur und Körnung dem ursprüngli­chen Naturstein aus Rumelange sehr nahe.“Letzterer sei laut Cannivé recht porös, und wäre aufgrund der neuen Innendämmu­ng, eine Außendämmu­ng hätte die Proportion­en zerstört, frostanfäl­lig gewesen. „Viel Stein ist charakteri­stisch für die Luxemburge­r Architektu­r der 50er und 60er Jahre“, sagt Cannivé und merkt an, „das Gebäude war seinerzeit ein radikaler Bruch und wegweisend“. Während der Sanierung geht der Unterricht weiter – im Provisoriu­m mit 49 Klassensäl­en und einer Fiberglas-Verkleidun­g, das auf dem Campus aufgestell­t wird.

Die Einweihung nach der Sanierung findet am 24. April 2017 statt. Dach-Solarzelle­n auf 400 Quadratmet­ern führen laut Energiekon­zept, bei einer Jahresprod­uktion von 60 000 kWh zu einer Reduzierun­g des CO2-Ausstoßes um 36 Tonnen. Das Provisoriu­m (28,2 Millionen Euro, 14 Monate Bauzeit) bleibt aber, es soll von umliegende­n Schulen genutzt werden, wenn deren Sanierung ansteht. Denn längst bildet das Athénée neben vier Schulen und dem Musikkonse­rvatorium den Campus Geesseknäp­pchen. Und auch hier haben die Ursprünge der Schule in ihrem Luxemburge­r Namen „Kolléisch“überdauert.

 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Für die Skulptur von Nina Grach-Jascinsky stand Henri Kraus Modell – damals Schüler, später Maler.
FOTO: ROBBY LORENZ Für die Skulptur von Nina Grach-Jascinsky stand Henri Kraus Modell – damals Schüler, später Maler.
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FOTO: ROBBY LORENZ Bereiche des ehemals offenen Erdgeschos­ses wurden ausgebaut und dienen heute auch als Bibliothek. Die Möbel sind Originale.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Die Mosaike von Franz Gillen, Joseph Probst und Michel Stoffel mussten während der Sanierung abgebaut werden. Experten restaurier­en sie und setzen sie wieder ein.
FOTO: ROBBY LORENZ Die Mosaike von Franz Gillen, Joseph Probst und Michel Stoffel mussten während der Sanierung abgebaut werden. Experten restaurier­en sie und setzen sie wieder ein.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Auch wenn es nicht so aussieht: Das Athénée ist das älteste Lyzeum im Großherzog­tum.
FOTO: ROBBY LORENZ Auch wenn es nicht so aussieht: Das Athénée ist das älteste Lyzeum im Großherzog­tum.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Dieses farbenfroh­e Geländer sorgt seit 1964 für Halt.
FOTO: ROBBY LORENZ Dieses farbenfroh­e Geländer sorgt seit 1964 für Halt.
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LORENZ ?? Heute funktionie­ren die Sonnensege­l des Athénée de Luxembourg automatisc­h. Vor der Sanierung waren sie blau und wurden von Hand bedient.
FOTO: ROBBY LORENZ Heute funktionie­ren die Sonnensege­l des Athénée de Luxembourg automatisc­h. Vor der Sanierung waren sie blau und wurden von Hand bedient.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Auf der Direktions­etage blieb der Originalbo­den erhalten.
FOTO: ROBBY LORENZ Auf der Direktions­etage blieb der Originalbo­den erhalten.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Hinter der Schule befindet sich die Sporthalle mit ihren Sitzreihen aus Stein.
FOTO: ROBBY LORENZ Hinter der Schule befindet sich die Sporthalle mit ihren Sitzreihen aus Stein.
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FOTO: ROBBY LORENZ Die weiterführ­ende Schule ist großzügig verglast.

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