Lernen in der radikalen Moderne
Das Athénée-Lyzeum in Luxemburg-Stadt hat als ältestes Gymnasium des Großherzogtums eine mehr als 400-jährige Geschichte. Diese gipfelt in einem seinerzeit wegweisenden Bau.
Funktional und seiner Zeit voraus: Die drei Flügel des Luxemburger Lyzeums Athénée fassen 1600 Schüler, und seit einigen Jahren ist der Bau aus den 1960ern auch energetisch auf dem neusten Stand. „Es ist ein imposantes Gebäude auf einer Stahl- und Betonkonstruktion als Grundgerüst. Allein die Transparenz, die durch die großzügige Verglasung entsteht, ist etwas Besonderes.“Jos Salentiny, Ehrendirektor des Athénée de Luxembourg kennt die weiterführende Schule am Boulevard Pierre Dupong in- und auswendig. Hier wurden erstmals in einem großen öffentlichen Luxemburger Gebäude Aluminiumfenster verbaut, ein verglastes Erdgeschoss diente als großer Aufenthaltsraum.
„Es ist das älteste Lyzeum das Landes und war drei Jahrhunderte das einzige Gymnasium, deswegen ist es in vielen Familien fest verankert“, sagt Salentiny. 1603 wird es als Jesuitenkolleg direkt neben der Kathedrale in der Altstadt gegründet. Später dient es als Gefängnis, Depot, Militärkrankenhaus und französische Schule, 1817 wird es zum „Athénée Royal“. Mitte des 20. Jahrhunderts ist das Gebäude zu klein. Das Projekt für ein „Nouvel Athénée“, einem Neubau außerhalb des Zentrums der Stadt, wird 1957 ausgeschrieben. Der Luxemburger Architekt Laurent Schmit (Robert Schuman Gebäude in Kirchberg) setzt sich durch, und führt den Auftrag mit Nicolas Schmit-Noesen (Hotel Kons, Luxemburger Pavillon der Pariser Weltausstellung 1937) und Pierre Grach aus. 1964 startet der Betrieb am neuen Standort.
Auch wenn das Gebäude von Anfang an auf Erweiterung ausgelegt ist – lassen sich doch im Südflügel nach der Auslagerung von Küche und Kantine leicht acht neue Klassensäle einrichten –, besteht energetisch bald Nachholbedarf. „Die Isolation des
Mauerwerks erwies sich als sehr schlecht, die Fenster waren auch nur einfach verglast und nicht dicht“, erinnert sich Salentiny.
Zwischen November 2013 und Januar 2017 wird die Schule für rund 85 Millionen Euro umfangreich überholt. Energieverbrauch, barrierefreier Zugang, Brandschutz und Hygiene sollen den heutigen Anforderungen genügen. Das Gebäude wird auf seine Grundstruktur zurückgebaut. Die Originalböden bleiben dort, wo es möglich war, erhalten. „Für die Fassade wird Jaumont-Stein verwendet“, sagt Joël Cannivé, Projektleiter bei der Verwaltung für öffentliche Bauten in Luxemburg. Der gelbliche Sandstein aus der Metzer Umgebung „kommt in Aussehen, Farbe, Textur und Körnung dem ursprünglichen Naturstein aus Rumelange sehr nahe.“Letzterer sei laut Cannivé recht porös, und wäre aufgrund der neuen Innendämmung, eine Außendämmung hätte die Proportionen zerstört, frostanfällig gewesen. „Viel Stein ist charakteristisch für die Luxemburger Architektur der 50er und 60er Jahre“, sagt Cannivé und merkt an, „das Gebäude war seinerzeit ein radikaler Bruch und wegweisend“. Während der Sanierung geht der Unterricht weiter – im Provisorium mit 49 Klassensälen und einer Fiberglas-Verkleidung, das auf dem Campus aufgestellt wird.
Die Einweihung nach der Sanierung findet am 24. April 2017 statt. Dach-Solarzellen auf 400 Quadratmetern führen laut Energiekonzept, bei einer Jahresproduktion von 60 000 kWh zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 36 Tonnen. Das Provisorium (28,2 Millionen Euro, 14 Monate Bauzeit) bleibt aber, es soll von umliegenden Schulen genutzt werden, wenn deren Sanierung ansteht. Denn längst bildet das Athénée neben vier Schulen und dem Musikkonservatorium den Campus Geesseknäppchen. Und auch hier haben die Ursprünge der Schule in ihrem Luxemburger Namen „Kolléisch“überdauert.