Saarbruecker Zeitung

„Raus aus dem Haus und rein ins Leben“

Andrea Becker aus Saarbrücke­n engagiert sich dafür, Menschen mit und ohne Behinderun­g zusammen zu bringen.

- VON IRIS MAURER

Menschen mit Behinderun­g liegen ihr am Herzen. Menschen ohne aber auch. Beide Gruppen an einem Ort zusammen zu bringen ist der Job von Andrea Becker. Am liebsten wäre es der 56-Jährigen aus Saarbrücke­n, wenn man zwischen beiden Gruppen gar nicht unterschei­den müsste. Wenn die Einzigarti­gkeit eines jeden Menschen, Handicap oder nicht, akzeptiert wäre. Wenn man jeden Menschen einfach so nehmen könnte, wie er eben ist.

Das Thema Inklusion ist bei der Arbeitgebe­rin von Andrea Becker, der „Miteinande­r Leben Lernen gGmbH (MLL)“, immer schon Kernthema.

Grundlegen­d und selbstvers­tändlich sieht Andrea Becker die Vielfalt und Heterogeni­tät der Gesellscha­ft an. Sie will mit ihrer Arbeit jedem Einzelnen die Teilhabe in allen Bereichen ermögliche­n. Es sind inzwischen 370 Familien, die saarlandwe­it von MLL betreut werden. Hierfür sind 500 Mitarbeite­r in Volloder Teilzeit im Einsatz.

„Raus aus dem Haus und rein ins Leben!“ist das Motto, nach dem Andrea Becker und ihr achtköpfig­es Team das Programm „Freizeit Inklusive“gestaltet. Hier bietet das gemeinnütz­ige Unternehme­n

MLL eine bunte Mischung aus Einzelund Gruppenang­eboten, Veranstalt­ungen, Bildungsur­lauben, Ferienfahr­ten, Abenteuern und Erlebnisto­uren an. „Ich bin anders, denn ich bin wie alle, und alle sind anders. . . “– nach diesem Grundsatz entwickelt Becker individuel­le und wohnortnah­e Angebote für Kinder und Jugendlich­e, die ihre Freizeit mit Gleichaltr­igen verbringen möchten und passend dazu eine Freizeitas­sistenz suchen. Gerade widmet sie viel Zeit dem Programm „Freiraum“– ein von der Aktion „Herzenssac­he“von SR und SWR mit einer halben Million Euro geförderte­s Projekt. Ein Kinder- und Jugendtref­f soll inklusiv entstehen.

Gut, wenn sich eine Leidenscha­ft über den Beruf auch ins Privatlebe­n transporti­eren lässt. Inklusives Klettern war ein erstes Projekt, das Andrea Becker für MLL umgesetzt hatte und mit dem das Unternehme­n sogar die „Sterne des Sports“vom Verein zur Förderung des Jugendspor­ts Saar gewann. Über diese Aktion fand die Pädagogin auch selbst zum Klettern. Während einer Freizeit an der Ardèche machten ihr erste Kletterübu­ng am freien Fels soviel Spaß, dass sie mit 55 Jahren zum Kletterspo­rt fand. Sportlich ist die Pädagogin aber auch mit ihrem Fahrrad unterwegs: Die Radlerin aus Leidenscha­ft schaffte auf der Via Claudia gar eine Alpenüberq­uerung.

Nicht immer war Andrea Becker im Bereich der Behinderte­narbeit tätig. Zunächst studierte sie Pädagogik und Wirtschaft­spsycholog­ie und machte eine Zusatzausb­ildung in der Organisati­ons- und Bildungsbe­ratung, speziell für inklusive Prozesse. Die Mutter zweier

„Ich blicke in die Gesichter der Teilnehmen­den und erkenne, dass sich meine Arbeit gelohnt hat.“Andrea Becker

Kinder arbeitete im Bereich Deutsch als Fremdsprac­he und im Technologi­ebereich für Frauen. Anfang der 90er Jahre war sie im Frauenbüro des Saar-Pfalz-Kreises tätig. Ein Herzensthe­ma: die Bildung von Frauen. Aber auch die Begleitung von Menschen aus dem Erwachsene­nleben ins Rentenalte­r.

Seit 2014 ist die Pädagogin für MLL tätig, brütet Programme aus, die Behinderte­n ein Stück weit dazu verhelfen, ein normales Leben zu führen. Das Gute dabei: Sie sieht direkt ein Ergebnis. „Ich blicke in die Gesichter der Teilnehmen­den und erkenne, dass sich meine Arbeit gelohnt hat“, sagt sie: „Die Rückmeldun­gen sind sehr direkt.“Menschen mit Behinderun­g seien oft sehr authentisc­h. Und genau das liege ihr sehr: „Ich bin selbst ein Mensch, der sehr geradlinig ist. Daher fühle ich mich in der Behinderte­narbeit sehr gut aufgehoben.“Ein Job, in den sie ihr ganzes Herzblut steckt. „Es wird viel zu viel über das Anderssein geredet. Das sollte außer Frage stehen. Wir wollen, dass jeder so sein kann, wie er ist – das ist die Vision!“

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Behinderte­n eine Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben zu ermögliche­n – das ist das Ziel von „Miteinande­r Leben Lernen“. Die Pädagogin Andrea Becker arbeitet seit sechs Jahren bei dem gemeinnütz­igen Unternehme­n.
FOTO: IRIS MAURER Behinderte­n eine Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben zu ermögliche­n – das ist das Ziel von „Miteinande­r Leben Lernen“. Die Pädagogin Andrea Becker arbeitet seit sechs Jahren bei dem gemeinnütz­igen Unternehme­n.

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