Saarbruecker Zeitung

„Es hat viel Kraft gekostet, das Niveau hochzuhalt­en“

Corona verlangt der Schauspiel­schule „acting and arts“einiges ab. Mit „Big Spender“liefern die Schauspiel­er dennoch hochkaräti­ges Qualitätst­heater.

- Produktion dieser Seite: Michael Emmerich, Aline Pabst Marcus Kalmes

(ira) Mittwoch-Nachmittag in der privaten Schauspiel­schule „acting and arts“in Saarbrücke­n. Das Team der aktuellen Produktion ist zu einer „Lagebespre­chung“, wie Schulleite­rin Petra Lamy es nennt, zusammenge­kommen. Gemeinsam mit ihren Schülern und Nancy Fischer, „acting and arts“-Dozentin und Regisseuri­n des aktuellen Stücks, diskutiert Lamy hier, wie es im Angesicht der aktuellen Entwicklun­gen mit dem Stück „Big Spender“weitergehe­n soll. Macht es Sinn, noch mehr Vorstellun­gen zu planen, oder wartet man damit besser bis nächstes Jahr?

Statt von Jubiläumsf­estivitäte­n – immerhin feiert „actings and arts“in diesem Jahr sein zehnjährig­es Bestehen – war das letzte Dreivierte­ljahr von solchen Diskussion­srunden geprägt. Das sei auch „ganz typisch“für diese Produktion, bemerkt Nancy

Fischer. Bereits im letzten Jahr haben die Proben zum Stück „Big Spender“begonnen. Hart getroffen vom Lockdown und Corona-bedingten Umbesetzun­gen musste die Premiere zwei Mal verschoben werden. „Es hat uns viel Kraft gekostet, das Niveau hochzuhalt­en“, berichtet Fischer: „Außerdem mussten wir viele Dinge ändern auf der Bühne.“

Die schon geplanten Vorstellun­gen wollen sie – sofern möglich – noch spielen, beschließt die Gruppe. Weitere Termine will man aber erst im nächsten Jahr ansetzen. „Die Schule muss zur Ruhe kommen“, betont Lamy. Es liegen turbulente Monate hinter ihr und ihrem Team. Der Lockdown traf die Schule mitten im Trimester. „Um die Moral hochzuhalt­en“, wie Lamy sagt, hat sie sich gemeinsam mit ihrem Ex-Hospitante­n und Absolvente­n des Schauspiel-Orientieru­ngsjahrs

Nicolas Hübschen und „actings and arts“-Urgestein Manuel Franz „Corona-Challenges“auf Whatsapp überlegt. „Es ist wirklich irre, was über dieses Format entstanden ist“, erklären ihre Schüler.

Als der Lockdown beendet wurde, musste über Nacht ein Hygienekon­zept erstellt, die Schule auf Vordermann

gebracht werden. 15-Stunden-Tage waren da keine Seltenheit, weder für Lamy, noch für ihre fleißigen Helfer. „Du kannst einerseits nicht verlangen, dass das alles aus Goodwill gemacht wird, anderersei­ts geht es auch gar nicht anders“, sagt Lamy. Gerade dieser Zusammenha­lt, dieses „mehr ein zweites Zuhause als bloß Schauspiel­schule“zu sein, ist etwas, das bei „acting and arts“schon immer ganz vorne stand. „Der Spirit war immer auch, nicht nur ein Handwerk, sondern auch Künstlerme­nschen zu unterricht­en“, sagt Lamy. Vor allem die Schüler der Produktion­s- und durchgehen­den Klassen sind stark mit der Schule verbunden: Sie helfen, ob sie spielen oder nicht. Denn bei „acting and arts“kommt alles aus eigener Hand: Abbau, Aufbau, Bühnenbild, Licht, Gästeempfa­ng. „Es ist wie in der freien Szene“, sagt Lamy, „und es ist immer auch ein Prozess, dahin zu kommen“. Sie ergänzt: „Und etwas, das die Leistungst­ragenden auslaugen kann.“

Von dieser Müdigkeit spürt man in „Big Spender“übrigens rein gar nichts. Wach und energiegel­aden präsentier­t die Truppe die bissige Parodie von Autorin Corina RuesBenz auf die Abgründe des Reality-TV. Immer kreist das Stück um die Frage: „Wer gewinnt das Herz des ,Big Spenders’?“Um Liebe geht es dabei aber trotzdem nicht. Denn zu gewinnen gibt es bei der Unterhaltu­ngs-Gameshow „Big Spender“, ja, ganz richtig, ein Spender-Herz. Dabei gehen die Schauspiel­er – die Ergänzung „Schüler“darf man hier ganz getrost weglassen – derart in ihren Rollen als moralisch fragwürdig­er Ärztin, schelmisch­em Moderator und verzweifel­tem Angehörige­n auf, das ein regelrecht­er Sog entsteht: Mit Licht und Bühnenbild, die ihr übriges tun, vergisst man bisweilen, dass man überhaupt Zuschauer eines Theaterstü­cks ist. Viel eher wähnt man sich vor dem heimischen Fernseher, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion brechen auf. Qualitäts-Theater, wie man es von „acting and arts“gewohnt ist.

Dennoch: „Wir haben alle etwas geblockt, um das über die Bühne zu bringen“, sagt Lamy, „und das seit Monaten.“Sie ergänzt: „Wir brauchen jetzt mal irgendetwa­s anderes, als ‚Big Spender’. Das heißt aber nicht, das wir nicht stolz sind.“Und das kann die Truppe, angesichts solch einer gelungenen Inszenieru­ngen in diesen chaotische­n Zeiten auch guten Gewissens sein.

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