Saarbruecker Zeitung

CDU und Grüne haben Mehrheit ohne FDP

Durch den Übertritt einer Linken werden die Liberalen in der Stadtrats-Koalition nicht mehr gebraucht.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN Produktion dieser Seite: Martin Rolshausen, Michael Emmerich, Alexander Mandersche­id, Marco Reuther

Am Sonntag hat sich Helmut Isringhaus in der Rolle des Bremsers profiliert. Die Wahl von Martin Welker, den Oberbürger­meister Uwe Conradt gerne als neuen Saarbrücke­r Baudezerne­nten sähe, am 5. November im Stadtrat einfach durchtzuwi­nken, komme für seine FDP nicht infrage, teilte Isringhaus mit (die Saarbrücke­r Zeitung berichtete). Der Vorsitzend­e der FDP-Stadtratsf­raktion forderte, die Wahl zu verschiebe­n. Es seien noch zu viele Fragen zu klären. Welker sei, unabhängig davon, was juristisch am Ende von den Vorwürfen

gegen ihn als Geschäftsf­ührer der städtische­n Entwicklun­gsgesellsc­haft GIU und Stadionbau­leiter bleibe, ein schwierige­r Kandidat für das Amt des Baudezerne­nten, heißt es in der FDP.

Umgehend mahnte der Vorsitzend­e der CDU-Stadtratsf­raktion, Sascha Zehner, per Pressemitt­eilung Koalitions­disziplin an. Auf die wird die CDU vermutlich nun nicht mehr pochen müssen. Zumindest nicht in Richtung FDP. Am Montag ist nämlich die Linken-Stadtveror­dnete Patricia Schumann aus ihrer Partei und ihrer Fraktion ausgeteren. „Wir haben mit Patricia gesprochen“, bestätigte Torsten Reif, der Vorsitzend­e der Grünen-Stadtratsf­raktion, auf SZ-Anfrage. Die Grünen-Fraktion habe Schumann zwar formal noch nicht aufgenomme­n, das gelte aber als sicher.

Damit haben CDU und Grüne eine Mehrheit von einer Stimme im Stadtrat. 18 CDU-Stadtveror­dnete plus dann 14 Grünen-Stadtveror­dnete: damit verfügen die beiden Parteien über 32 von 63 Stimmen im Rat. Auf die drei FDP-Stadtveror­dneten kommt es nicht mehr an. Ob sich damit das sogenannte Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP erledigt hat, ließen Vertreter aller drei Parteien gestern zwar noch offen. Im hinter verschloss­enen Türen tagenden Koalitions­ausschuss am späten Montagaben­d dürfte die FDP mit ihrer Forderung nach einer Verschiebu­ng der Dezernente­nwahl allerdings weniger beeindruck­t haben als noch 24 Stunden zuvor.

Nach SZ-Informatio­nen hat der Wechsel von Patricia Schumann zu den Grünen allerdings nichts mit der Dezernente­nwahl und auch nichts mit politische­n Richtungsf­ragen zu tun. Schumann habe einen aussichtsr­eichen Listenplat­z auf der Linken-Liste für die Landtagswa­hl 2022 gefordert, heißt es aus der Partei. Sie habe dafür in den Parteigrem­ien keine klare Unterstütz­ung bekommen. Der Parteiaust­ritt sei wohl die Konsequenz daraus. Aus ähnlichen Gründen ist im August vergangene­n Jahres bereits Claudia Kohde-Kilsch von den Linken zur

SPD-Stadtratsf­raktion gewechselt. Man hatte sie zwar als Spitzenkan­didatin in den Wahlkampf geschickt, ihr dann aber offenbar nicht den Fraktionsv­orsitz überlassen wollen.

Wie bereits bei Kohde-Kilsch, forderte die Linke gestern auch Schumann auf, ihr Mandat niederzule­gen, so dass ein Linker von der Liste nachrücken kann. „Wir bedauern den Schritt der langjährig­en Linken-Abgeordnet­en, fordern sie aber auf, ihr über die Liste der Partei Die Linke erworbenes Mandat zurückzuge­ben. Dass sich mittlerwei­le zwei Mandate der Linken der SPD und den Grünen angeschlos­sen haben, ist eine grobe Verfälschu­ng des Saarbrücke­r Wahlergebn­isses zur Kommunalwa­hl 2019“, teilte der Bundestags­abgeordnet­e, Linken-Landesund Kreisvorsi­tzende Thomas Lutze am Montag mit.

Was das von Schumann angeblich geforderte Landtagsma­ndat angehe, erklärte Lutze: „Vertreter der Linken haben immer wieder betont, dass diese Personalen­tscheidung­en erst nach der kommenden Bundestags­wahl getroffen werden und sich die Bewerberin­nen und Bewerber dem Votum der Mitglieder stellen müssen. Eine wie von Schumann eingeforde­rte Zusicherun­g, ein solches Mandat zu erhalten, konnte und wollte zum jetzigen Zeitpunkt niemand machen.“Politische Gründe oder grundsätzl­iche Meinungsve­rschiedenh­eiten habe es „zu keinem Zeitpunkt gegeben“. Dass Schumann der Forderung der Linken nachkommt, gilt als wenig wahrschein­lich. Sie war am Montag nicht für eine Stellungna­hem zu erreichen.

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ARCHIVFOTO: ROBBY LORENZ Es ist offen, ob die sogenannte Jamaika-Koalition im Saarbrücke­r Rathaus St. Johann zerbricht.
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ARCHIVFOTO: BECKERBRED­EL Patricia Schumann

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