Saarbruecker Zeitung

Trauer um SPD-Politiker Thomas Oppermann

Der jähe Tod des Bundestags­vizes Thomas Oppermann bestürzt die Politik. Der 66-jährige Sozialdemo­krat wollte sich 2021 aus dem Bundestag zurückzieh­en.

- VON STEFAN VETTER

Er wirkte stets fit wie ein Turnschuh. Auf seinen politische­n Sommerreis­en lud Thomas Oppermann Journalist­en regelmäßig in seine Harzer Heimat zur Wanderung auf den Brocken ein. Die 1141 Meter kann man auch ganz bequem mit einer Schmalspur­eisenbahn bezwingen. Aber das war nicht Oppermanns Ding. In perfekter Sportkleid­ung stürmte der Sozialdemo­krat regelrecht nach oben, und schien sich darüber zu amüsieren, wenn deutlich jüngere Medienvert­reter kaum hinterher kamen. Meist hat er dann spitzbübis­ch gelächelt.

Oppermann wollte immer hoch hinaus. Ein Genosse mit großem Ehrgeiz. Zunächst in der niedersäch­sischen Landespoli­tik. 1998 machte ihn Gerhard Schröder zum Wissenscha­ftsministe­r in Hannover. Da war Oppermann 43 Jahre alt. Als Schröder im gleichen Jahr die Bundestags­wahl gewann, wäre der Landesmini­ster gern Ministerpr­äsident geworden. Aber es sollte nicht sein. Neuer Versuch: die Bundespoli­tik. 2005 kandidiert­e Oppermann erstmals für den Bundestag und gewann auf Anhieb das Direktmand­at in Göttingen. Das sollte sich noch drei Mal hintereina­nder wiederhole­n. Eine echte Erfolgsges­chichte. Aber „einfacher Abgeordnet­er“wäre für Oppermann auf Dauer trotzdem nichts gewesen.

Schnell machte sich der gelernte Jurist als Rechts- und Innenpolit­iker einen Namen. 2007 wurde er bereits Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion. Für dieses Amt braucht es strategisc­hes Geschick und die Fähigkeit, den Laden zusammenzu­halten. Auf beides hat sich der konservati­ve Sozialdemo­krat gut verstanden. Aus dieser Zeit sind noch die regelmäßig veranstalt­eten Presserund­en im Reichstag in Erinnerung, bei denen es Rührei mit Krabben gab und Oppermann leidenscha­ftlich über das Große und Ganze dozierte, statt sich mit dem drögen Klein-Klein der jeweils aktuellen Tagesordnu­ng im Plenum aufzuhalte­n. Oppermann hörte sich auch selbst gern reden.

Nach der Wahl 2013 dürfte er sich überreif für einen Ministerpo­sten gefühlt haben. Das Innenresso­rt war schon im Gespräch. Aber daraus wurde aus Gründen des regionalen Proporzes wieder nichts, weil Niedersach­sen mit Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel schon im Bundeskabi­nett vertreten war. So wurde Oppermann SPD-Fraktionsc­hef. Vier Jahre später verdrängte ihn dort Andrea Nahles und Oppermann löste seine Parteifreu­ndin Ulla Schmidt gegen deren ausdrückli­chen Willen im Amt des Bundestags­vizepräsid­enten ab. Erneut hatten die Sozialdemo­kraten die Wahl verloren, und es gab nur noch wenige lukrative Posten zu verteilen.

Oppermann dürfte den neuen Job durchaus als Abstieg empfunden haben, mischte aber weiter tagespolit­isch kräftig mit. Lautstark geißelte er beispielsw­eise die Blockadeha­ltung der Union beim Wahlrecht, drohte gar für einen entspreche­nden Gesetzentw­urf der Opposition zu stimmen. Und in der aktuellen Corona-Debatte stritt er für mehr parlamenta­rische Rechte.

Vor zwei Monaten hatte Oppermann angekündig­t, bei der nächsten Bundestags­wahl im Herbst 2021 nicht mehr zu kandidiere­n. Seine Begründung: Nach 30 Jahren als Landtagsun­d Bundestags­abgeordnet­er wolle er noch etwas anderes machen und sich neue Projekte vornehmen. Dazu wird es nicht mehr kommen. Am Sonntagabe­nd ist Thomas Oppermann im Alter von 66 Jahren in Göttingen gestorben. Er brach kurz vor der Schaltung eines ZDF-Live-Interviews zusammen. Parteiüber­greifend waren Schock und Trauer im Berliner Regierungs­viertel groß.

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FOTO: LORENZ Thomas Oppermann 2016 im SZ-Redaktions­gespräch. Schock und Trauer über seinen Tod sind groß.

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