Saarbruecker Zeitung

Merz keilt gegen die CDU-Führung

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz will die Verschiebu­ng der Entscheidu­ng nicht hinnehmen und attackiert das „Partei-Establishm­ent“.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Vincent Bauer

Mit einer beispiello­sen Medienoffe­nsive hat Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, in den letzten beiden Tagen versucht, die Verschiebu­ng des für den 4. Dezember geplanten CDU-Bundespart­eitages in das nächste Jahr doch noch zu verhindern. Er verband den Aufruf zu einer Korrektur des Beschlusse­s des Parteivors­tands vom Montag mit massiven Vorwürfen sowohl an seine Mitbewerbe­r als auch an das „Partei-Establishm­ent“.

Live-Auftritte in Morgenmaga­zin, Tagestheme­n und Heute-Journal, dazu Twitter-Äußerungen und ein großes Interview in der Welt – der 64-jährige Sauerlände­r ließ praktisch kein wichtiges Medium aus, um seine Botschaft und seine Verärgerun­g rüberzubri­ngen. Ein Teil seiner Argumente klang sachlich: Bis zur Bundestags­wahl seien es nur noch elf Monate. Eine CDU, die ohne Angela

Merkel antreten wolle, müsse sich jetzt neu aufstellen. Merz: „Uns läuft die Zeit davon“. Im nächsten Jahr sei die Corona-Lage erst einmal auch nicht besser, das Warten bringe also nichts. Außerdem habe er eine Alternativ­e zu dem abgesagten Parteitag in Stuttgart vorgeschla­gen: Ein digitales Treffen der 1001 Delegierte­n mit anschließe­nder Briefwahl.

Hintergrun­d: Das Parteienge­setz lässt seit einer Reform Anfang Oktober zwar digitale Parteitage zu, aber immer noch keine digitale Abstimmung über Personalen­tscheidung­en. Als weiteren Grund für eine schnelle Entscheidu­ng nannte Merz, dass die Amtszeit des CDU-Vorstands mit dem Dezember ende und er dann nur noch als Notvorstan­d amtiere. Allerdings übersah Merz hier, dass nach der gleichen Gesetzesän­derung Parteivors­tände wegen Corona neuerdings weiter regulär amtieren können, bis Nachfolger gewählt sind. Alle diese Argumente waren am Sonntag in einer kleinen Führungsru­nde zusammen mit den drei Kandidaten bereits abgewogen worden, ebenso dann am Montag im Parteipräs­idium und Vorstand, wo Merz nicht Mitglied ist. Dort fiel die Entscheidu­ng einstimmig, erst Mitte Dezember und dann wieder Mitte Januar über neue Terminmögl­ichkeiten zu beraten. Vordringli­ches Ziel ist laut Generalsek­retär Paul Ziemiak weiterhin ein Präsenzpar­teitag, aber auch die digitale Variante scheint möglich. Für Verstimmun­g sorgte in der CDU, dass Merz seine sachlichen Einwände mit einer Verschwöru­ngstheorie verband: Die Verzögerun­g sei „der letzte Teil der Aktion ‚Merz verhindern‘“, sagte er der Welt. Diese Aktion laufe „mit der vollen Breitseite des Establishm­ents hier in Berlin“. Dazu zählte Merz auch das Kanzleramt. Außerdem warf er seinem Mitbewerbe­r, NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, vor, hinter der Aktion zu stecken. „Ich habe eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performanc­e zu verbessern“, so Merz. Hingegen habe er selbst laut Umfragen bei den CDU-Mitglieder­n doppelt so viel Zustimmung wie Laschet und der dritte Bewerber Norbert Röttgen zusammen, so Merz weiter.

Damit ist nun der „ruinöse Wettbewerb der Kandidaten“eingetrete­n, vor dem die noch amtierende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Sommer gewarnt hatte. Bei den Führungsle­uten der Partei kamen Merz‘ Attacken nicht gut an. Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus stellte den Kandidaten indirekt sogar auf ein Niveau mit einem Pennäler:

„Das ist ja so, wie wenn man sich auf eine Prüfung vorbereite­t. Und dann wird der Prüfungste­rmin verschoben. Dann ist man natürlich sauer“, sagte Brinkhaus. Jedoch müsse die Gesundheit vorgehen. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak mahnte ganz allgemein: „Die Lage in unserem Land ist schwierig. Damit sollte man sich mehr beschäftig­en als mit der Lage der CDU.“

Gegen Merz‘ Idee, die Vorstandsw­ahlen nach einem digitalen Treffen per Briefwahl zu absolviere­n, führte der frühere CDU-Generalsek­retär Ruprecht Polenz auf Twitter an, dass die Prozedur mehr als einen Monat dauern würde. Inklusive Stichwahle­n und der Wahl von Stellvertr­etern und Beisitzern könnten es sogar bis zu 72 Tage sein. Das wäre dann auch nicht viel früher als nun offiziell geplant ist.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Friedrich Merz wittert eine Intrige hinter der Verschiebu­ng des CDU-Parteitags.

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