Saarbruecker Zeitung

Mallorcas sehnsüchti­ger Blick auf die Kanaren

Wegen des erneuten Notstands in Spanien liegt auch Mallorca brach. Ganz anders sieht es auf den Kanaren aus, für die keine Reisewarnu­ng gilt.

- VON RALF PETZOLD UND EMILIO RAPPOLD

Nachdem die Reisewarnu­ng für die Kanarische­n Inseln aufgehoben wurde, bereitet sich die Tourismusb­ranche dort auf neue Gäste vor. Mallorca gleicht hingegen einer Geisterins­el – woran sich aktuell nichts zu ändern scheint.

(dpa) Bademeiste­r ist derzeit am Ballermann ein überschaub­arer Job. Der Lebensrett­er an der legendären Strandbude Balneario 6 muss nur drei Kinder im Blick behalten, die sich bei spätsommer­lichem Wetter an den Wellen erfreuen. Am ansonsten leeren Strand wird ein zurückgela­ssener Schwimmrei­fen vom Wind weggeweht. Eigentlich sollte die liebste Insel der Deutschen im Oktober voller Touristen sein, die in den Herbstferi­en noch einmal die Sonne genießen wollen. „Ich habe so gut wie keinen gesehen“, sagt Beatrice Ciccardini, Chefin der strandnahe­n Bar „Zur Krone“. Es sei derzeit „schlimmer als in normalen Jahren im Winter.“

Die Hoteliers und Gastronome­n Mallorcas blickten am Wochenende neidisch auf die Kanaren. Die Atlantik-Inseln vor der Westküste Afrikas haben es nämlich geschafft, das Coronaviru­s einigermaß­en unter Kontrolle zu bringen – und wurden in Deutschlan­d von der Liste der Risikogebi­ete gestrichen. Auch Großbritan­nien gab fast zeitgleich grünes Licht für die Kanaren. Und auch der von der spanischen Regierung am

Sonntag ausgerufen­e Notstand samt nächtliche­r Ausgehsper­re gilt überall, nur eben nicht auf den Kanaren.

Nach monatelang­er Zwangspaus­e trafen dort in den vergangene­n Tagen wieder die ersten Flugzeuge voller Urlauber ein. Die Zeitung El Mundo sprach von einem „Ansturm“, vor allem der Briten. „Es ist eine Freude, wieder diesen Betrieb hier zu sehen“, sagte ein Arbeiter des Flughafens von Las Palmas auf Gran Canaria der Zeitung La Provincia. Das spanische Fernsehen sprach mit einer jungen Mutter aus Großbritan­nien: „Wir sind gestern Abend angekommen. Der Flieger war voll, alle superfroh. Und alle mit Maske natürlich.“

Kontrastpr­ogramm auf Mallorca: Frau Ciccardini, eine Schweizeri­n mit spanischen Pass, lebt seit 1976 dort. „Als ich auf die Insel gekommen bin, war die Straße am Strand entlang nicht einmal geteert. Und dennoch war mehr los als jetzt.“Ihre Kneipe ist eine der wenigen, die noch geöffnet haben. Die derzeitige­n Einnahmen beziffert sie auf 20 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. In guten Jahren geht die Saison auf Mallorca bis Anfang November. Mitte Oktober schließen meist die ersten Hotels, Restaurant­s und Bars. Dieses Jahr ist alles anders. „Wir müssen ganz schön weit wandern, um offene Geschäfte zu finden“, sagt Christian Guirsch. Der Luxemburge­r ist mit drei Freunden da. Sie gehören zu den wenigen Touristen, die sich an der Playa herumtreib­en. Es klingt verrückt, doch die Urlauber aus dem Großherzog­tum machen

„Wir müssen ganz schön weit wandern, um offene Geschäfte zu finden.“Christian Guirsch Mallorca-Urlauber aus Luxemburg

den Deutschen derzeit „Konkurrenz“am Ballermann. „Für Spanien gibt es keine Reisewarnu­ng bei uns“, sagt Guirsch.

Seit Mitte Oktober dürfen Bars und Restaurant­s in Schinken- und Bierstraße wieder öffnen. Das gilt aber nicht für die Tanztempel. Mario Gross flaniert die Straße vor dem geschlosse­nen Kult-Partytempe­l „Bierkönig“entlang. „Nichts los hier“, sagt er. Seit sechs Jahren lebt der Mannheimer auf Mallorca. „Ich habe im PR-Bereich und als Flyerverte­iler gearbeitet. Es gab immer Jobs und gutes Geld.“Heute lebt er von Arbeitslos­engeld und Sozialhilf­e. Eine Rückkehr in die Heimat kommt für ihn dennoch nicht in Frage. „Ich warte auf die Besserung.“

Dem Anliegen von Juan Ferrer könnte die Pandemie hingegen zuträglich sein. Fünf Jahre lang hat er gegen betrunkene Partytouri­sten angekämpft. Der Inhaber von sechs Restaurant­s hat die Initiative Palma Beach gegründet, die sich für mehr Qualität an der Playa de Palma einsetzt. „Es ist ein Turboeffek­t für den Wandel. Alle müssen sich neu erfinden.“Er sagt allerdings auch: „So eine Ruhe wie jetzt wollten wir aber nie.“Man wolle „Partyzone“bleiben. Die Urlauber sollen feiern, „aber nicht so, dass sich die Landsleute fremdschäm­en.“

Ferrer beteuert, die Playa de Palma sei sicheres Gebiet. „Hier gab es nie einen Infektions­herd. Es war ein Fehler, ganz Mallorca als Risikogebi­et einzustufe­n. Das lag auch an der schlechten Kommunikat­ion zwischen den Ländern. Ferrer räumt aber ein, dass die Kanaren in Sachen Corona-Bekämpfung ein Vorbild sein können.

Von Neid will Ciccardini derweil nichts wissen: „Wir kennen keinen Neid. Wir freuen uns für jeden, der überleben kann“, sagt sie. Und nennt einen positiven Aspekt der Malaise: Nachts sei es totenstill. „Es ist das erste Mal, dass ich wieder durchschla­fen kann.“

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FOTO: MAR GRANEL PALOU/DPA Ein Bademeiste­r arbeitet am leeren Strand von Palma. Touristen sind dort zurzeit kaum unterwegs. Die meisten Hotels sind geschlosse­n.

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