App soll helfen, vermisste Kinder zu finden
In der EU verschwinden jährlich Hunderttausende Minderjährige. Ein Programm soll künftig die Suche erleichtern.
(epd) Schlägt die App „Child Rescue“Alarm, bedeutet dies, dass sich in der Nähe des Smartphone-Nutzers ein vermisstes Kind aufhalten könnte. Das Projekt „Child Rescue“ist der erste europaweite Versuch, vermisste Kinder mithilfe der Bürger schneller zu finden. Nach Angaben der Betreiber kam das App-Suchsystem bislang zehnmal zum Einsatz. „Alle Kinder wurden wohlbehalten wieder aufgefunden“, sagt Isabelle Brantl vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt University of Applied Sciences. Die Frankfurter Hochschule ist eine von insgesamt zehn Universitäten und Nichtregierungsorganisationen aus mehreren europäischen Ländern, die an dem EU-geförderten Projekt beteiligt sind.
Die Zahlen, auf die Brantl sich bezieht, stammen aus Griechenland und Belgien, wo das Programm vor der Veröffentlichung im August ausführlich getestet wurde. Mittlerweile ist die App auch in Deutschland verfügbar. „Jedes Jahr werden in der EU 250 000 Minderjährige als vermisst gemeldet“, sagt Brantl. „Unser Ziel ist es, die Zeit zwischen Verschwinden und Rettung effektiv zu verkürzen.“Unbegleitete Kinder hätten ein extrem erhöhtes Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden, daher sei rasches Handeln wichtig. Heruntergeladen wurde die im August gestartete App nach Angaben der Frankfurter Hochschule in den ersten Wochen rund 15 000 Mal.
Wer sich das Programm auf sein
Handy lädt, kann damit Fälle von vermissten Kindern einsehen. Eine Registrierung ist nicht notwendig, aber möglich. Wer seinen Namen und Wohnort hinterlässt, erhält einen Alarm, wenn angenommen wird, dass sich eine vermisste Person in seiner Nähe aufhält. „Menschen melden sich eher, wenn sie glauben, dass ein vermisstes Kind in ihrer Nähe sein könnte“, erklärt Brantl. Habe ein Nutzer den Verdacht, einen vermissten Jugendlichen gefunden zu haben, solle er ihn auf keinen Fall selbst ansprechen. „Man weiß nicht, in welcher
Lage er gerade ist“, so Brantl.
In welchen Fällen eine Suche über die App angestoßen wird, entscheiden die beteiligten Projektpartner. In manchen Ländern ist wie auch in Deutschland eine Vermisstenanzeige bei der Polizei die Grundlage für eine Suche.
„Unser Ziel ist es, die Zeit zwischen Verschwinden und Rettung effektiv zu verkürzen.“
Isabelle Brantl
Frankfurt University of Applied Sciences
In anderen Ländern wird die Polizei absichtlich nicht einbezogen. Handelt es sich bei dem Vermissten zum Beispiel um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling, fürchten die Organisationen, dass er in Abschiebehaft kommt, sobald er aufgefunden wurde.
Die App-Suche wird in den Ländern von ganz unterschiedlichen Organisationen verwaltet. Während in Deutschland die Frankfurter Hochschule in das Projekt eingebunden ist, sind es etwa in Griechenland staatsferne Organisationen wie das Rote Kreuz oder die Nichtregierungsorganisation „The Smile of the Child“.
Scrollt man in dem Programm durch die aktuellen Suchen, fällt der große Anteil an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen unter den Gesuchten auf. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, der an dem Projekt nicht beteiligt ist, sieht in der „Child Rescue“-App viel Potenzial, weil nach vermissten Flüchtlingskindern viel zu selten gesucht werde. „Viele Vermisstenanzeigen bei der Polizei laufen ins Leere“, sagt Johanna Karpenstein.