Saarbruecker Zeitung

App soll helfen, vermisste Kinder zu finden

In der EU verschwind­en jährlich Hunderttau­sende Minderjähr­ige. Ein Programm soll künftig die Suche erleichter­n.

- VON SEBASTIAN STOLL

(epd) Schlägt die App „Child Rescue“Alarm, bedeutet dies, dass sich in der Nähe des Smartphone-Nutzers ein vermisstes Kind aufhalten könnte. Das Projekt „Child Rescue“ist der erste europaweit­e Versuch, vermisste Kinder mithilfe der Bürger schneller zu finden. Nach Angaben der Betreiber kam das App-Suchsystem bislang zehnmal zum Einsatz. „Alle Kinder wurden wohlbehalt­en wieder aufgefunde­n“, sagt Isabelle Brantl vom Fachbereic­h Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt University of Applied Sciences. Die Frankfurte­r Hochschule ist eine von insgesamt zehn Universitä­ten und Nichtregie­rungsorgan­isationen aus mehreren europäisch­en Ländern, die an dem EU-geförderte­n Projekt beteiligt sind.

Die Zahlen, auf die Brantl sich bezieht, stammen aus Griechenla­nd und Belgien, wo das Programm vor der Veröffentl­ichung im August ausführlic­h getestet wurde. Mittlerwei­le ist die App auch in Deutschlan­d verfügbar. „Jedes Jahr werden in der EU 250 000 Minderjähr­ige als vermisst gemeldet“, sagt Brantl. „Unser Ziel ist es, die Zeit zwischen Verschwind­en und Rettung effektiv zu verkürzen.“Unbegleite­te Kinder hätten ein extrem erhöhtes Risiko, Opfer eines Verbrechen­s zu werden, daher sei rasches Handeln wichtig. Herunterge­laden wurde die im August gestartete App nach Angaben der Frankfurte­r Hochschule in den ersten Wochen rund 15 000 Mal.

Wer sich das Programm auf sein

Handy lädt, kann damit Fälle von vermissten Kindern einsehen. Eine Registrier­ung ist nicht notwendig, aber möglich. Wer seinen Namen und Wohnort hinterläss­t, erhält einen Alarm, wenn angenommen wird, dass sich eine vermisste Person in seiner Nähe aufhält. „Menschen melden sich eher, wenn sie glauben, dass ein vermisstes Kind in ihrer Nähe sein könnte“, erklärt Brantl. Habe ein Nutzer den Verdacht, einen vermissten Jugendlich­en gefunden zu haben, solle er ihn auf keinen Fall selbst ansprechen. „Man weiß nicht, in welcher

Lage er gerade ist“, so Brantl.

In welchen Fällen eine Suche über die App angestoßen wird, entscheide­n die beteiligte­n Projektpar­tner. In manchen Ländern ist wie auch in Deutschlan­d eine Vermissten­anzeige bei der Polizei die Grundlage für eine Suche.

„Unser Ziel ist es, die Zeit zwischen Verschwind­en und Rettung effektiv zu verkürzen.“

Isabelle Brantl

Frankfurt University of Applied Sciences

In anderen Ländern wird die Polizei absichtlic­h nicht einbezogen. Handelt es sich bei dem Vermissten zum Beispiel um einen unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling, fürchten die Organisati­onen, dass er in Abschiebeh­aft kommt, sobald er aufgefunde­n wurde.

Die App-Suche wird in den Ländern von ganz unterschie­dlichen Organisati­onen verwaltet. Während in Deutschlan­d die Frankfurte­r Hochschule in das Projekt eingebunde­n ist, sind es etwa in Griechenla­nd staatsfern­e Organisati­onen wie das Rote Kreuz oder die Nichtregie­rungsorgan­isation „The Smile of the Child“.

Scrollt man in dem Programm durch die aktuellen Suchen, fällt der große Anteil an unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en unter den Gesuchten auf. Der Bundesfach­verband unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e, der an dem Projekt nicht beteiligt ist, sieht in der „Child Rescue“-App viel Potenzial, weil nach vermissten Flüchtling­skindern viel zu selten gesucht werde. „Viele Vermissten­anzeigen bei der Polizei laufen ins Leere“, sagt Johanna Karpenstei­n.

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FOTO: LE MANNA/ISTOCK PHOTO Je länger vermisste Kinder alleine unterwegs sind, desto höher ist das Risiko, dass sie Opfer eines Verbrechen­s werden.

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