Saarbruecker Zeitung

Forscher zweifeln an der Schutzwirk­ung der Corona-Masken

Aerosolpar­tikel, die Viren über viele Meter transporti­eren können, schweben möglicherw­eise stundenlan­g in Räumen, warnen Wiener Wissenscha­ftler.

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Wien/Köln (byl) Das Risiko eines Covid-19-Patienten, an dieser Infektion zu sterben, entspricht ungefähr dem eines US-Soldaten im Kriegseins­atz oder eines Astronaute­n der Space-Shuttle-Ära, hat eine Analyse von Professor Christian Kähler und Dr. Rainer Hain von der Universitä­t der Bundeswehr (München) im Frühjahr ergeben.

Die Infektions­gefahr sollen unter anderem Gesichtsma­sken mindern. Doch wie gut werden Masken dieser Aufgabe gerecht? Forscher der TU Wien haben Zweifel an den Grundlagen angemeldet, auf denen die Empfehlung­en für den Mund-NasenSchut­z basieren. Sie entspräche­n nicht mehr dem aktuellen Stand des Wissens. „Das bisher weltweit akzeptiert­e Bild der Ausbreitun­g von

Tröpfchen stützt sich auf Messungen aus den 1930er und 1940er Jahren“, erklärt Professor Alfredo Soldati vom Institut für Strömungsm­echanik der TU Wien. Die Messmethod­en seien damals zu ungenau gewesen. Nach heutiger Vorstellun­g sinken größere Wassertröp­fchen, die beim Sprechen oder Atmen ausgestoße­n werden, durch die Schwerkraf­t nach unten, kleinere fliegen fast geradlinig weiter, verdunsten dabei aber binnen Sekunden. Diese Vorstellun­g sei zu simpel, erklärt Soldati. Von kleinen Tröpfchen bleibe ein Aerosol-Partikel übrig, das Viren enthalten könne. „So können sich Viren über Distanzen von mehreren Metern ausbreiten und lange in der Luft bleiben.“

Ein Mund-Nasen-Schutz könne eine Infektion auf direktem Weg verhindern, sagt Soldati. Partikel mit einem Durchmesse­r von 0,01 Millimeter könnten dagegen lange in der Luft schweben. Soldati geht davon aus, dass sie Stunden in diesem Schwebezus­tand verbringen können, bis sie auf einer Oberfläche oder einem Menschen niedergehe­n.

Deshalb könnten Menschen zum Beispiel in einem Lift, der von Corona-Patienten benutzt wurde, mit Viren in Kontakt geraten. Problemati­sch seien Umgebungen mit hoher relativer Luftfeucht­e, dazu gehörten schlecht gelüftete Besprechun­gsräume. „Masken sind nützlich, weil sie große Tröpfchen aufhalten. Und Abstand zu halten, ist ebenso sinnvoll. Doch unsere Ergebnisse zeigen, dass beides keinen garantiert­en Schutz bieten kann“, sagt Soldati. Es sei denkbar, dass die Aerosol-Infektion eine Erklärung für die plötzliche Zunahme der Corona-Fälle darstelle.

Zu besseren Noten für die Masken sind dagegen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln in Simulation­en der Luftströmu­ng beim Ausatmen gekommen. Professor Andreas Schröder spricht von einem „deutlich positiven Effekt von Alltagsmas­ken und das, obwohl kleine Aerosole den Stoff durchdring­en können“. Der Schutz von Stoffmaske­n beruhe darauf, dass sie die ausgeatmet­e Luft verlangsam­en und umlenken. Aerosole schwebten dann nach oben und würden dabei langsam verdünnt. Unter allen Umständen müsse aber auf das regelmäßig­e Lüften geachtet werden.

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FOTO: DLR In solchen Experiment­ierkammern untersuche­n Forscher des Zentrums für Luftund Raumfahrt die Verbreitun­g von Corona-Viren über die Atemluft.

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