Uralte Rezepte Saarbrücker Köchinnen
Der Geistkirch-Verlag hat mit 63 Jahren Verspätung ein Saarbrücker Kochbuch auf den Markt gebracht.
Fast wäre es dem Tod gelungen, ein Stück Saarbücker Kultur mit in den Schlaf des Vergessens zu reißen. Dabei hatte es Karl Lohmeyer trotz körperlicher Gebrechen geschafft, seinem Verleger ein Manuskript mit Rezepten Saarbrücker Köchinnen auf den Schreibtisch zu legen, ja sogar erste Druckfahnen zu korrigieren. Dann, am 8. November 1957, starb der Saarbrücker Kunsthistoriker und Volkskundler. „Als hätte man kurz vor der Druckfreigabe pietätvoll die Finalisierung der Rezeptsammlung abgebrochen, verschwanden die Korrekturbögen vorerst aus dem Fokus des Herausgebers“, vermutet Florian Brunner nun 63 Jahre später.
Brunner hat hat Lohmeyers Werk veröffentlicht. Die alten Druckfahnen hat er nach einem „dankenswerten Hinweis“, wie er schreibt, aus dem saarländischen Kultusministerium bekommen. Mit dem Sichten der alten Unterlagen fing die Arbeit erst richtig an. Denn „so einfach ließen sich die Rezepte nicht abdrucken“, schreibt
Brunner im Vorwort des von seinem Geistkirch-Verlag herausgegebenen Alt-Saarbrücker Kochbuchs.
Lohmeyer hat nämlich nicht nur Rezepte aus seiner Familie und von anderen Saarbrücker Köchinnen zusammengetragen. Er hat auch viel über die Herkunft der Rezepte, also über die Familie, aus denen sie stammen, aufgeschrieben. „Aus heutiger Sicht ist es vielleicht etwas ungeschickt, damit in ein Kochbuch einzuführen, das Appetit und Lust aus Nachkochen machen soll“, sagt Brunner.
Der Saarbrücker Historiker Stefan Weszkalnys hat die Aufgabe übernommen, im ersten Teil des Buches aus dem Leben des im Januar 1878 geborenen Karl Lohmeyer zu erzählen. Wer das Kochbuch lese, schreibt Weszkalnys, könne meinen, dass sich Karl Lohmeyer
„bemerkenswerte Ehrungen“, darunter die Ehrenbürgerschaft der Stadt Saarbrücken, durch „erwiesene Meisterschaft am Herd“erarbeitet habe.
„Das Kochen war allerdings nicht sein Beruf. Berufung war ihm jedoch alles, was das Leben angenehm sein lässt: die Schönheit in der Natur, der Landschaft, der Kunst“, schreibt Weszkalnys. Zu diesen schönen Dingen im Leben habe auch ein „geschmackvoll gedeckter Tisch“und die Speisen darauf gehört. Die Sehnsucht nach allem Schönen sei „keine Neureichen-Allüre“Lohmeyers gewesen. In den großbürgerlichen Verhältnissen, in denen er aufwuchs, habe er das alles seit seiner Kindheit verinnerlichen können, erklärt Weszkalnys. Und: „Das Aufspüren, Sammeln, Bewahren und Erforschen von zeugnissen des Schönen machte sich der zunächst zu weitaus lebenspraktischerer Berufsausübung Bestimmte zur Erfüllung und Lebensaugabe.“
Das, was Lohmeyer aus den Küchen Saarbrücker Familien, vor allem aber aus der Küche des Familienanwesens Nussberger Hof zusammengetragen hat, weist für den Journalisten und Koch Marlon Wilhelm darauf hin, dass in Saarbrücken „früher wohl mehr gebacken als gekocht“wurde. So beginne die Rezeptsammlung von Karl Lohmeyer auch mit Fleischpasteten. „Butter-Eier-Mehl, dazu die andere Dreifaltigkeit Rind-Kalb-Schwein, davon konnten sich die Menschen im alten Saarbrücken gut ernähren“, schreibt Wilhelm. Die Rezepte, sagt Brunner, „reichen von den 1930er Jahren bis zurück in die Fürstenzeit. Sie stammen gewiss aus einer Zeit, in der ausgewogene Ernährung eher Nebensache war“.
„Karl Lohmeyers Rezeptsammlung ist ein wahres Kulturgut! Die authentischen Aufzeichnungen erfahrener
Saarbrücker Köchinnen reichen von den 1930er Jahren bis zurück in die Fürstenzeit.“
Florian Brunner
Altsaarbrücker Kochbuch, zusammengetragen von Karl Lohmeyer, 144 Seiten, erschienen im Geistkirch-Verlag, 19,80 Euro.
Geistkirch-Verlag