Saarbruecker Zeitung

„Mit großem Getöse ein gewisser Erfolg“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN VETTER

Die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz haben sich darauf verständig­t, dass ein Parteitag Mitte Januar stattfinde­n soll. Der Mainzer Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter sieht das Rennen weiter offen.

Herr Falter, wie steht Friedrich Merz jetzt da, nachdem er eine Verschwöru­ng wegen der anfänglich­en Absage des Parteitags gewittert hatte?

FALTER Merz hat sich zumindest teilweise durchgeset­zt. Laschet wollte eine Entscheidu­ng mindestens bis ins nächste Frühjahr verschiebe­n. Jetzt ist der Termin Mitte Januar. Das kommt der Forderung von Merz, im Dezember zu wählen, näher als der von Laschet. Insofern hat Merz mit seinem großen Getöse einen gewissen Erfolg erzielt.

Ist er damit auch klarer Favorit?

FALTER Nein. Seine laut vorgetrage­ne Kritik hat ihm genützt, was die Terminieru­ng des Parteitags angeht. Nicht genützt hat sie ihm sicherlich, was sein Standing auf dem Parteitag betrifft, egal, in welcher Form der stattfinde­n wird. Denn in der CDU wird offener Streit stärker noch als in anderen Parteien als etwas geradezu Ungehörige­s empfunden, das zum bürgerlich­en Verständni­s der CDU nicht passt. Gleichwohl ist das Rennen weiter offen, wobei Norbert Röttgen, der Dritte im Bunde, sicher nur Außenseite­rchancen hat.

Viele Parteimitg­lieder dürfte es trösten, dass der Haussegen jetzt nicht mehr länger schief hängt.

FALTER Das stimmt zunächst einmal. Denn es wurde ein Verfahren gefunden, auf das sich alle einlassen können. Aber es muss noch festgelegt werden, ob der Parteitag digital oder als personenbe­stimmtes Treffen stattfinde­t. Für die digitale Variante muss das Gesetz geändert werden. Auch da könnte es noch Streit geben.

Welche dieser Formen läge welchem Kandidaten am meisten?

FALTER Am besten läge Friedrich Merz sicher ein zentraler Präsenz-Parteitag, auf dem er vor einem großen Auditorium auftreten könnte. Denn er ist potenziell der beste Redner unter den drei Bewerbern. Er kann Menschen am stärksten mitreißen. Danach kommt in dieser Disziplin Röttgen und dann Laschet. Also ist Laschet womöglich auch der größte Verlierer des Kompromiss­es?

FALTER Er hatte wohl keine andere Wahl, als darauf einzugehen. Denn sonst hätte man ihm zu Recht den Vorwurf der Trickserei machen können. Aus meiner Sicht hätte man sich den ganzen Streit aber ersparen können, indem man zum Beispiel die Dortmunder Westfalenh­alle gemietet hätte. Da gehen 15 000 Leute rein. Da kann man 1000 Delegierte locker so platzieren, dass kein Aerosol des einen die Nase des anderen erreicht. Die Kritik, das ginge nicht wegen Corona, wäre ein Sturm im Wasserglas gewesen, der sich schnell gelegt hätte, weil alle Welt eine Weile nur noch über den neuen CDU-Chef sprechen wird.

Was bedeutet der jüngste Kompromiss für die Kanzlerkan­didatur?

FALTER Nichts. Wer Kanzlerkan­didat wird, entscheide­t sich nach der Vorsitzend­en-Wahl. Falls es Röttgen wird, hätte Markus Söder aus Bayern gute Chancen auf die Kanzlerkan­didatur. Werden Merz oder Laschet gewählt, werden beide auf ihrer Kandidatur beharren. Denn beide halten sich ganz offensicht­lich für die Besten. Gleichwohl ist es eine seltsame, vordemokra­tische Vorstellun­g, dass ein Parteivors­itzender den ersten Zugriff auf die Kanzlerkan­didatur haben muss. Das müssen CDU und CSU gemeinsam beziehungs­weise die Fraktion entscheide­n.

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FOTO: HARTMANN/DPA Sieht das Rennen um den CDU-Vorsitz noch offen: der Mainzer Politikwis­senschaftl­erJürgen Falter.

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