17 000 Euro für fragwürdigen Aufprallschutz an der A 8
Die Landesstelle für Suchtfragen und die Liga der freien Wohlfahrtspflege Saar fordern Richtlinien zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen.
„Trinken Sie während der Coronamaßnahmen mehr Alkohol als normal?“Eine nicht ernst gemeinte „Corona-Umfrage“hatte während des Frühjahr-Lockdowns in den Sozialen Medien gute Konjunktur. Unter der Frage war ein hingekrakeltes Kreuzchen, ein gutes Stück weg vom vergeblich anvisierten „Nein“-Feld. Ausgangssperren-Humor, der vergessen lässt, dass die Schritte vom gelegentlichen Genuss zum regelmäßigen Konsum schleichend in eine Sucht führen können. Zukunftssorgen, fehlende Tagesstruktur oder Langeweile verführen in Zeiten von Corona erst recht zum Konsum, warnen deutschlandweit Sucht-Experten. Und merken an, dass problematischer Konsum jetzt noch unsichtbarer wird. Aber gerade jetzt soll und muss ein Teil der Zukunft der saarländischen Suchtberatung und Suchtprävention neu entschieden werden.
„Wenn man Suchtberatung als Selbstverständlichkeit begreift und sich jetzt nicht darum kümmert, bleibt sie uns in der Zukunft nicht so erhalten“, sagt Andreas Heinz, Vorsitzender der Landesstelle für Suchtfragen. Zum bundesweiten Aktionstag hat am Mittwoch auch die Suchtberatung im Saarland auf die Dringlichkeit der Weiterfinanzierung der Beratungsstellen aufmerksam gemacht. Im Saarland erreichten 2019 sieben Suchtberatungsstellen an 16 verschiedenen Standorten rund 3800 Suchtkranke und ihre Angehörigen.
Ab dem 1.1.2021 beabsichtigt das Land eine Neuordnung der Suchthilfe. Auslöser war die Kritik des Landesrechnungshofes an der bisherigen Finanzierung und dessen Forderung nach inhaltlicher Trennung von Prävention und Beratung, einheitlichen Rahmenbedingungen und Förderrichtlinien. Zur Umsetzung der Vorgaben will das Land künftig zu 100 Prozent die Förderung der Suchtprävention stemmen. Dagegen sollen Landkreise, Städte und Gemeinden die Suchtberatung übernehmen. Das Land hatte geplant, seinen Beitrag von bisher 600 000 Euro auf eine Million Euro aufzustocken. Landkreise und Regionalverband hatten sich grundsätzlich bereit erklärt, die bis dahin bekannten Pläne mitzutragen. Der stellvertretende Vorsitzende des Landkreistages, St. Wendels Landrat Udo Recktenwald (CDU), hatte im Februar gesagt, Ziel solle sein, bis Jahresmitte Planungssicherheit zu schaffen. Dann kam Corona. „Der Termin naht, aber die Situation ist nicht geklärt“, sagt Martin Luckas, Geschäftsführer des Landkreistags Saarland, und fügt an, „wir warten auf einen Vereinbarungsentwurf mit dem Land“. Die durch die Pandemie geforderten Gesundheitsämter sind auch für die Suchtberatung zuständig. Doch Luckas ist zuversichtlich. „Es ist noch zu schaffen.“
Eine Gefahr, die durch die Neustrukturierung drohe, ist laut Heinz, eine schlechtere Koordination von Prävention und Suchtberatung. Ebenfalls problematisch: Suchtberatung
„Suchtberatung ist systemrelevant.“
Pfarrer Udo Blank
Liga der Freien Wohlfahrtspflege Saar
ist keine kommunale Pflichtleistung, sondern gehört deutschlandweit zu den freiwilligen sozialen Leistungen. „Legt man die Suchtberatung nicht als Pflichtleitung fest, riskiert man, dass sie ins Hintertreffen gerät“, sagt Heinz. „Suchtberatung braucht eine stabile, verlässliche und kostendeckende Finanzierung“, teilt der evangelische Pfarrer Udo Blank, Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Saar, mit. „Sie ist systemrelevant und trägt nachweislich dazu bei, die Chronifizierung und die Folgekosten von Abhängigkeitserkrankungen zu verringern“, so Blank.
Angesichts der Situation sind die Akteure der saarländischen Suchtberatung selbst tätig geworden und haben sich an den Landkreistag gewandt. „Wir haben Förderrichtlinien erarbeitet und stellen diese dem Landkreistag Anfang Dezember vor“, sagt Heinz. „Das Land hat jahrelang versucht, Förderrichtlinien aufzustellen, aber es ist ihm nicht gelungen“, fügt er hinzu. Die wichtigsten Punkte dieser Förderrichtlinien für die Suchtberatung: einheitliche Regelungen für alle Landkreise, eine gleichmäßig gute Qualität in allen Landkreisen und eine hinreichende Finanzierung.
Positiv für Heinz: Ab 2021 wird die Landesregierung die Finanzierung einer flächendeckenden Versorgung mit Angeboten für Kinder aus suchtbelastenden Familien und Lebensgemeinschaften komplett übernehmen. „Ich finde dieses Projekt sehr gut, eine flächendeckende Versorgung wie im Saarland kenne ich aus keinem anderen Bundesland“, sagt er.