Saarbruecker Zeitung

Atomtransp­ort nach Biblis verläuft reibungslo­s

- VON OLIVER PIETSCHMAN­N

Sechs Behälter mit Atommüll sind sicher am Zwischenla­ger in Biblis angekommen. Die vielen Polizisten mussten während der Fahrt nicht eingreifen. Größere Blockadeak­tionen blieben aus, Proteste aber nicht.

Im Vorfeld hagelte es Kritik nicht nur von Atomkraft-Gegnern. Castoren mit Atommüll begleitet von einem massiven Polizeiauf­gebot, geht das in einer Pandemie? Ja, sagten Sicherheit­sbehörden und ließen die brisante Fracht binnen Stunden durch Deutschlan­d rollen.

(dpa) Bilder von gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen, angekettet­en Aktivisten und einem Katz-undMaus-Spiel zwischen Atomgegner­n und Einsatzkrä­ften wie einst in Gorleben blieben aus. Fast ohne Zwischenfä­lle ist der seit Jahren erste Transport von hoch radioaktiv­em Atommüll durch Deutschlan­d vom niedersäch­sischen Hafen Nordenham am Mittwoch im südhessisc­hen Biblis eingetroff­en. Um 10.10 Uhr habe sich das Tor des Geländes des früheren Kernkraftw­erks hinter dem 600 Meter langen Zug geschlosse­n, sagte der Sprecher des für den Transport zuständige­n Unternehme­ns Gesellscha­ft für Nuklear-Service, Michael Köbl. Hier sollen die sechs Behälter bei aller Kritik nun bleiben – bis es dann in Jahren ein Endlager für die noch Generation­en strahlende Altlast deutschen Atomstroms gibt.

Ein Zug, bewacht von mehr als 11 000 Beamten der Bundespoli­zei, der Landespoli­zeien aus Hessen und Niedersach­sen sowie Verstärkun­g aus anderen Bundesländ­ern – inmitten der Corona-Pandemie. Im Gepäck der Einsatzkrä­fte ihr gesamtes Arsenal, nach Angaben der Bundespoli­zei erstmals auch Drohnen zur Überwachun­g aus der Luft. Auch in Biblis stand schon am Morgen ein Großaufgeb­ot, um den Zug mit seiner brisanten Fracht zu sichern. Ihnen gegenüber versuchten knapp zwei Dutzend Aktivisten einen lauten Protest.

Wo sich früher zum Abschluss solcher Transporte Scharen von Gegnern versammelt­en, kamen bei diesem letzten Transport ins südhessisc­he Biblis gerade mal eine Handvoll. Statt Gewalt war der Umgang doch eher freundlich – Beamten wurde die Nutzung von Toiletten angeboten. Verbale Attacken und Handgreifl­ichkeiten blieben aus. Warum die Mobilisier­ung so gering war, ob wegen Corona, dem Atomaussti­eg oder weil Aktivisten anderenort­s wie bei den Rodungen für den Weiterbau der A49 in Hessen unterwegs sind, für die Gegner ist das Virus verantwort­lich. „Corona ist nicht alle Tage – wir kommen wieder – keine Frage“, bilanziere­n die Gegner von Castor-stoppen. Aufgrund der Pandemie-Lage seien die erwarteten Teilnehmer­zahlen erreicht worden.

Auf der Hunderte Kilometer langen Strecke gab es vereinzelt Mahnwachen. Fünf Gegnern gelang es am Mittwoch noch vorübergeh­end das Gleis in Richtung des abgeschalt­eten Kraftwerks Biblis zu blockieren. Sie wurden nach Angaben der Polizei schließlic­h davongetra­gen. Gegen einen werde wegen Widerstand­es ermittelt. Einfluss auf den umstritten­en Transport hatte das nicht mehr. „Der ganze Transport ist völlig im Zeitrahmen geblieben“, sagte Köbl.

„Der Inhalt ist hochgefähr­lich, den sollte man nicht spazieren fahren“, sagte der Mitorganis­ator der Proteste, Georg Dombrowe. Man hätte ihn in Sellafield stehen lassen sollen, sagte er mit Blick auf die Suche nach einem Endlager. Ihn nach Biblis zu bringen, wo die Behälter nicht repariert werden könnten, sei „Unfug“. Die Castoren waren vergangene Woche von der Wiederaufb­ereitungsa­nlage im britischen Sellafield aus gestartet.

Für Deutschlan­d ist es der erste große Rücktransp­ort von Atommüll in Castoren seit neun Jahren gewesen. Nach Angaben der Bundesregi­erung muss Deutschlan­d aufgrund internatio­naler Verpflicht­ungen seinen im Ausland aufbereite­ten Atommüll zurücknehm­en – aus der britischen Anlage Sellafield wie aus der französisc­hen Anlage La Hague. In Biblis lagern nun 108 Castoren, drei weitere Transporte folgen in den kommenden Jahren noch in andere Zwischenla­ger. Die beteiligte­n Polizeien werteten den Einsatz und das Hygienekon­zept als vollen Erfolg und auch Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) war voll des Lobes: „Auf unsere Polizei ist Verlass.“

 ?? FOTO: BORIS ROESSLER/DPA ?? Der Spezialzug mit sechs Castor-Behältern traf am Mittwochvo­rmittag im Zwischenla­ger am AKW Biblis ein. Die umstritten­en Castoren enthalten deutschen Atommüll aus der britischen Atomanlage Sellafield.
FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Der Spezialzug mit sechs Castor-Behältern traf am Mittwochvo­rmittag im Zwischenla­ger am AKW Biblis ein. Die umstritten­en Castoren enthalten deutschen Atommüll aus der britischen Atomanlage Sellafield.

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