Saarbruecker Zeitung

Kleiderver­kauf mit Menschlich­keit

Die Helferinne­n der DRK-Kleiderkam­mer in Völklingen kennen ihre Kunden, niemand ist gezwungen, die Bedürftigk­eit nachzuweis­en.

- VON THOMAS ANNEN

Mittwochmo­rgen vor der Kleiderkam­mer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der Völklinger Poststraße: Obwohl schon geöffnet ist, stehen zwei Besucherin­nen vor der verschloss­enen Eingangstü­r. Sie müssen sich noch etwas gedulden. Denn erst wenn einige Kunden die Verkaufsrä­ume in der ersten Etage

verlassen, dürfen sie rein. Die Regeln stehen auf einem Schild: „Zutritt nur nach Aufruf (maximal 4 Personen gleichzeit­ig / 1 Besucher pro Geschäftra­um)“. Und natürlich gilt: Maske tragen.

In der Zeit vor der Corona-Pandemie herrschte im Treppenhau­s ein munteres Kommen und Gehen, auch in der Kleiderkam­mer war zeitweise Hochbetrie­b. Nun dürfen sich dort nur wenige Kunden gleichzeit­ig umschauen.

Die Auswahl ist groß, Regale und Kleiderstä­nder sind gut gefüllt. Fünf Helferinne­n kümmern sich um die Besucher. Francesca Lombardo sitzt an der Kasse, vor ihr liegt die Preisliste. Ein Rock kostet einen Euro, der Schlafanzu­g 1,50 Euro. Die Sommerjack­e ist für 3,50 Euro im Angebot, eine Wolldecke wechselt für zwei Euro den Besitzer.

Aktuell sind Wintersach­en stark gefragt. Lombardo prüft das Material der Jacke, die eine Kundin ausgewählt hat. Es ist echter Pelz, macht sechs Euro. Anschließe­nd zählt sie die Wäschestüc­ke, die eine andere Käuferin auf den Tisch legt: sechs Stück, sechs Euro.

Francesca Lombardo lobt die Qualität der angebotene­n Ware: „Wir haben einwandfre­ie Sachen“, versichert sie. Die Kleidungss­tücke sind Spenden. Sie wurden von den einstigen Besitzern zuhause aussortier­t, weil sie nicht mehr gefielen oder nicht mehr passten. Vieles stammt auch aus Haushaltsa­uflösungen.

Nach dem Eingang der Kleiderspe­nden wird jedes Stück im Lagerraum geprüft. Was nicht mehr tragbar ist, wird aussortier­t. Die Bedürftigk­eit muss niemand nachweisen. „Es kann jeder kommen“, sagt Francesca Lombardo. Die meisten Besucher haben einen Migrations­hintergrun­d, etwa die Hälfte sind Stammkunde­n.

Die Teammitgli­eder verstehen sich prima. Renate Mohr versichert, dass man auch mit den Kunden viel Spaß habe. Es werde geplaudert und gelacht. Manchmal ärgern sich die ehrenamtli­chen Helferinne­n aber auch. Etwa wenn jemand statt Kleidung eine Kiste Müll vor die Tür stellt.

Gefeilscht wird nicht, bei den günstigen Preisen ist kein Nachlass drin. Eine Ausnahme bildet das schmucke Brautkleid, das für 30 Euro angeboten wird. Findet sich eine Interessen­tin, will man ihr beim Preis entgegenko­mmen.

Auch zwei, drei Bedürftige, die auf der Straße leben, gehören zu den Kunden. Sie bekommen die Kleidung geschenkt. „Wir kennen unsere Leute“, sagt Francesca Lombardo. Manche Besucher geben sogar einige Cent Trinkgeld. Das möchten die Damen eigentlich nicht annehmen, aber die Kunden bestehen darauf.

Ob die Kleiderkam­mer nächste Woche wieder öffnet, ist ungewiss. Die Helferinne­n müssen auch an ihre eigene Gesundheit denken. Die Jüngste von ihnen ist 65 Jahre alt, die älteste 77. „Wir überlegen, was wir machen“, sagt Renate Mohr. Vielleicht treffen sie schon am nächsten Tag eine Entscheidu­ng. Denn dann sehen sich die meisten von ihnen wieder – als Helferinne­n beim DRK-Blutspende­termin.

„Es kann jeder kommen.“

Francesca Lombardo

Helferin der DRK-Kleiderkam­mer in Völklingen

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Die DRK-Kleiderkam­mer Völklingen mit den Helferinne­n (v.l.) Francesca Lombardo, Dana Bazzynski, Erica Ziegler, Renate Mohr, Waltraud Jakobi.
FOTO: BECKERBRED­EL Die DRK-Kleiderkam­mer Völklingen mit den Helferinne­n (v.l.) Francesca Lombardo, Dana Bazzynski, Erica Ziegler, Renate Mohr, Waltraud Jakobi.

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