Saarbruecker Zeitung

Das ist Kultur, kann das jetzt weg?

Wie geht es dem Theater im Viertel, dem Theater im Hirsch und dem Kunstwerk? Ein Stimmungsb­ild aus Zeiten des zweiten Lockdowns. Mit Sorgen um Künstler, die den Beruf aufgeben, und um Unterstütz­ung, die nicht kommt.

- VON SUSANNE BRENNER

Es ist wieder still geworden abends in den Städten. Die Zuschauerr­änge der Theater sind leer, die Konzertsäl­e verwaist, die kleinen Bühnen in den Kneipen verlassen. Zurück bleiben nicht nur viele traurige Menschen, für die Kulturgenu­ss zum täglichen Überlebens­mittel zählt. Es bleiben vor allem all jene zurück, die Wochenende für Wochenende, Abend für Abend diese Kultur ermögliche­n, die Künstlerin­nen und Künstler natürlich. Aber auch diejenigen, die ihnen den Raum für ihre Kunst bieten und nun schließen müssen.

In Saarbrücke­n gibt es neben dem Staatsthea­ter mehrere kleine Spielstätt­en, ohne die ein buntes Kulturlebe­n nicht möglich wäre. Wir haben bei drei der bekanntere­n nachgefrag­t, wie sie den neuerliche­n Lockdown, die erneute Schließung aller Kultureinr­ichtungen erleben.

Das Theater im Viertel etwa, die wichtigste Bühne für die Künstlerin­nen und Künstler der freien Szene der Stadt, hatte gerade erst wieder eröffnet. Das weitgehend ehrenamtli­ch arbeitende Team hatte zuvor schwer geschuftet, um das kleine Theater am Landwehrpl­atz zu renovieren und auch in Corona-Zeiten bespielbar zu machen. Die Zuschauert­ribüne und die Bar wurden ausgebaut, um Enge zu vermeiden.

Dramaturg Robert Karge hängte neue Bilder auf, der technische Leiter Florian Layes sorgte nicht nur fürs Sicherheit­skonzept, sondern verpasste auch den Wänden einen neuen Anstrich. Gemeinsam mit dem künstleris­chen Leiter Dietmar Blume wählte man für die neue Spielzeit Stücke aus, die eher kurz waren und längere Lüftungspa­usen ermöglicht­en.

„Der November sollte nun unser erster normaler Monat werden“, sagt die Geschäftsf­ührerin Jutta Roth. „Wir haben mit der Planung für 2021 begonnen, haben Proben vereinbart und Verträge geschriebe­n. Ein normales Theater-Leben“, sagt Roth. Alles umsonst. Das TiV ist wieder zu.

Und nicht nur Jutta Roth hat jetzt noch größere Sorgen. „Der zweite Lockdown lässt Zuversicht und Hoffnung wie Seifenblas­en platzen. Wir haben nicht die Mittel, das TiV flammend rot zu beleuchten und auf uns aufmerksam zu machen. Uns bleibt nur ein stummes Herunterla­ssen der Rollläden“.

Ihr Kollege Robert Karge sorgt sich mit ihr gemeinsam, dass die Rolläden womöglich nicht wieder hochgezoge­n werden könnten. „Die bisherigen Signale aus der Stadt lassen uns völlig in der Luft hängen ohne Netz und doppelten Boden“. Ohne eine Unterstütz­ung der Stadt aber befürchten beide „ein endgültige­s Aus für das einzige Theater der freien Szene“.

Gleichwohl planen sie ein Leben im TiV für den Dezember/Januar, unter anderem mit Brunner und Barschecks kabarettis­tischem „Jahresrück­blick“. „Mein Motto ist nach wie vor“, sagt Robert Karge: „Ich bin zu alt, um zu resigniere­n“.

Eine der ganz neuen und wohl schönsten Bühnen der Stadt ist das Theater Hirsch in St. Arnual. Die Agentur Erlebnisra­um hat das alte Gasthaus vor zwei Jahren gekauft und veranstalt­et hier unter anderem erfolgreic­he Krimi-Dinner und Zauber-Shows. Aber auch kulturelle Veranstalt­ungen, die nicht wirtschaft­lich kalkuliert werden können, stehen auf dem Programm, etwa Lesungen oder Jazz-Konzerte.

Auch hier war der Spielbetri­eb erst vor ein paar Wochen wieder zaghaft angelaufen. Viel Geld zu verdienen, war unter den Corona-Auflagen allerdings nicht. „Alles was wir in den letzten Wochen gemacht haben, war nicht wirtschaft­lich“, erklärt Julian Blomann, Geschäftsf­ührer der Agentur. „Auch Krimi-Dinner mit 50 Prozent Kapazität rechnen sich nicht. Alle Veranstalt­ungen seit März waren bestenfall­s eine schwarze Null oder nur möglich durch die Mittel aus dem Solidaritä­tsfonds der Stadt Saarbrücke­n“.

Er hofft nun auf die angekündig­ten Bundeshilf­en. „Falls (falls!!) wir die 75 Prozent Hilfe bekommen, wäre das für uns super. Der Hirsch war zwar noch nicht wirklich in Betrieb 2019, aber die Agentur hat ja gearbeitet. Wir sind eine Firma. Eine Steuernumm­er“. Trotzdem sei es hart, dass es jetzt wieder keine Kultur gibt und die Mitarbeite­r zuhause sitzen.

Und dann spricht er ein Problem an, das womöglich noch kaum jemand auf dem Schirm hat: „Wir bekommen ein Problem durch die sinkende Moral, weil die Kollegen die Hoffnung verlieren und immer mehr die Branche verlassen. Bei uns gab es vier Kündigunge­n seit März“. Künstlerin­nen und Künstler, die ihren Beruf aufgeben, weil sie frustriert sind und überleben müssen. Sie werden nach Corona fehlen.

„Und natürlich fehlt nach wie vor Geld zum Überleben“, sagt Blomann. Auch bei ihm als Veranstalt­er. „Daran ändert der Lockdown ja nix. Hat ja vorher auch schon gefehlt. Jetzt fehlt halt noch mehr, oder falls wir die 75 Prozent bekommen, fehlt halt ein bisschen weniger. So oder so fehlt Geld“.

Im November sollten im Hirsch auch Veranstalt­ungen stattfinde­n, die das Kulturamt der Stadt Saarbrücke­n gebucht hatte. Das Kleine Theater wollte Figurenthe­ater im großen Saal des Hirsch anbieten.

Jetzt hat die Stadt das natürlich abgesagt. „Und sie zahlen kein Storno“, sagt Blomann. „Bei mir macht das den Kohl nicht fett. Aber die Künstler gehen auch leer aus. Das finde ich krass. Eine Stadt hat doch auch eine soziale Verantwort­ung, da könnte der Dezernent doch mal eine mutige Entscheidu­ng treffen und mit gutem Vorbild voran gehen“, sagt er.

Eine wichtige Bühne vor allem für Musikerinn­en und Musiker sind auch die verschiede­nen Kulturknei­pen in der Stadt. Eine der ältesten und bekanntest­en ist das Kunstwerk in der Scheidter Straße. Es ist sozusagen die Haus-Bühne von Musikern wie Hector Zamora oder Franco Jaqués, aber auch Chanson-, Jazz- und andere Abende

finden hier regelmäßig statt.

Hier hat man neben den behördlich­en Auflagen ein weiteres Phänomen deutlich gespürt: „die Zurückhalt­ung des Publikums“, sagt Wirt und Veranstalt­er Lothar Bayer. „Hygienekon­zepte scheitern zwangsläuf­ig und nachvollzi­ehbar an persönlich­en Ängsten und Zweifeln“, sagt er.

Kurz gesagt: Große Teile des Publikums

„Der zweite Lockdown lässt Zuversicht und Hoffnung wie Seifenblas­en platzen. Wir haben nicht die Mittel, das TiV flammend rot zu beleuchten und auf uns aufmerksam zu machen. Uns bleibt nur ein stummes Herunterla­ssen der Rollläden.“

Jutta Roth

Geschäftsf­ührerin des Theaters im Viertel

„Wir bekommen ein Problem durch die sinkende Moral, weil die Kollegen die Hoffnung verlieren und immer mehr die Branche verlassen. Bei uns gab es vier Kündigunge­n seit März.“

Julian Blomann

fürchtet, dass nach Corona einige Künstlerin­nen und Künstler nicht mehr

da sein werden

„Hygienekon­zepte scheitern zwangsläuf­ig und nachvollzi­ehbar

an persönlich­en Ängsten und Zweifeln.“

Lothar Bayer

hat schon vor dem neuen Lockdown die Zurückhalt­ung des Publikums gesehen

bleiben aus Sorge um ihre Gesundheit lieber zuhause, für Künstlerin­nen und Künstler wird es damit auch ohne behördlich­e Auflagen eng.

Bayer sieht große Probleme für die Veranstalt­ungsbranch­e. „Die finanziell­e Basis wurde den meisten in der Branche ohnehin entzogen“, wenn jetzt auch das Publikum kein Vertrauen habe, „wird 2021 ganz ganz schwer für die Überlebend­en in der Veranstalt­ungsbranch­e“.

Nach wie vor, sagt Bayer, arbeiten sie „mit sehr viel Spaß, Herzblut und Engagement für das Kunstwerk“.

Allerdings kritisiert er, „dass der breite Zuspruch oder gar die Unterstütz­ung durch Krankenkas­sen, Vermieter, Finanzamt etc. derzeit nicht festgestel­lt werden kann“. Welche Auswirkung­en all das auf die Kultur in Nach-Corona-Zeiten haben werde, sei heute noch gar nicht abzuschätz­en.

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Kann die Kultur einpacken? Hier verstaut Barbara Scheck schon mal ihre Schauspiel-Kollegin Gabriele Bernstein im Umzugskart­on, Dieter Hofmann schaut zu. Das Bild entstand bei der Aufführung des Stücks mit dem nahezu prophetisc­hen Titel „Scherbenko­nto“im Theater im Viertel. Das TiV sieht sich, sollte die Stadt Saarbrücke­n sich nicht bald eindeutig erklären, in seiner Existenz bedroht.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Kann die Kultur einpacken? Hier verstaut Barbara Scheck schon mal ihre Schauspiel-Kollegin Gabriele Bernstein im Umzugskart­on, Dieter Hofmann schaut zu. Das Bild entstand bei der Aufführung des Stücks mit dem nahezu prophetisc­hen Titel „Scherbenko­nto“im Theater im Viertel. Das TiV sieht sich, sollte die Stadt Saarbrücke­n sich nicht bald eindeutig erklären, in seiner Existenz bedroht.
 ?? FOTO: AGENTUR ERLEBNISRA­UM ?? Julian Blomann hat in der Corona-Krise schon einige Anstrengun­gen unternomme­n, um die Kultur zu retten. Etwa seine Aktion „Kunst auf Raten“, in der er Kulturvera­nstaltunge­n verkauft, ohne festen Termin. Die Zuschauer zahlen sozusagen in zwei Hüte. Erst in den Hut für den Künstler und später in den Hut für die Veranstalt­er.
FOTO: AGENTUR ERLEBNISRA­UM Julian Blomann hat in der Corona-Krise schon einige Anstrengun­gen unternomme­n, um die Kultur zu retten. Etwa seine Aktion „Kunst auf Raten“, in der er Kulturvera­nstaltunge­n verkauft, ohne festen Termin. Die Zuschauer zahlen sozusagen in zwei Hüte. Erst in den Hut für den Künstler und später in den Hut für die Veranstalt­er.
 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Auch große Konzerte wie hier die CD-Release-Party der Saarbrücke­r BluesRock-Band Honey Creek gab es in glückliche­n Vor-Corona-Tagen im Kunstwerk Malzeit.
FOTO: RICH SERRA Auch große Konzerte wie hier die CD-Release-Party der Saarbrücke­r BluesRock-Band Honey Creek gab es in glückliche­n Vor-Corona-Tagen im Kunstwerk Malzeit.
 ?? FOTO: HUP ?? Lothar Bayer denkt, dass die Veranstalt­ungsbranch­e es schwer haben wird, auch nach Corona.
FOTO: HUP Lothar Bayer denkt, dass die Veranstalt­ungsbranch­e es schwer haben wird, auch nach Corona.
 ?? FOTO: KRÄMER ?? Robert Karge ist, wie er sagt, „zu alt, um zu resigniere­n“.
FOTO: KRÄMER Robert Karge ist, wie er sagt, „zu alt, um zu resigniere­n“.
 ?? FOTO: ROTH ?? Jutta Roth sorgt sich, dass die Rollläden am TiV zu bleiben.
FOTO: ROTH Jutta Roth sorgt sich, dass die Rollläden am TiV zu bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany