Saarbruecker Zeitung

Intensivtä­ter aus dem Saarland vor Ausweisung in die Türkei

Ein 31-Jähriger hat zahlreiche schwere Straftaten begangen. Dass er im Saarland geboren ist und eine Tochter hat, schütze ihn nicht, sagt das Verwaltung­sgericht.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Teresa Prommersbe­rger, Tobias Keßler Dietmar Klosterman­n

Vor 31 Jahren wurde E. in Merzig als Sohn türkischer Eltern geboren, er ging in Perl in den Kindergart­en, in die Grundschul­e, dann auf die Erweiterte Realschule und absolviert­e eine Lehre als Metallbaue­r. Er hat eine acht Jahre alte Tochter und ist neu verlobt. Wird das vom Verwaltung­sgericht Saarlouis gesprochen­e Urteil rechtskräf­tig, wird E. seine 31 Jahre Saarland hinter sich lassen und in die Türkei ausreisen müssen. In ein Land, in dem er noch nie gewesen sei, dessen Sprache er nicht spreche, in dem er keine Verwandten mehr habe und in dem er als Kurde und Jeside gefährdet sei.

Eingebrock­t hat sich E. die Ausweisung und das vierjährig­e Einreiseun­d Aufenthalt­sverbot allerdings selbst. Der Mann mit türkischem Pass hat eine veritable Karriere als Serientäte­r hinter sich. Zwischen 2007 und 2016 verurteilt­en ihn saarländis­che Gerichte wegen Raubes, schwerer räuberisch­er Erpressung, schweren Bandendieb­stahls, Diebstahls, Unterschla­gung, Körperverl­etzung, gefährlich­er Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung, Erschleich­en von Leistungen und Fahrens ohne Fahrerlaub­nis. Wie sich herausstel­lte, konsumiert­e er allerlei Drogen. Er verbüßte eine Jugendstra­fe

und eine Haftstrafe. Letztere, weil er 2013 gemeinsam mit Komplizen eine Spielhalle ausraubte. Während die Mittäter die Angestellt­en mit Schrecksch­usswaffen bedrohten, brach E. die Spielautom­aten mit einem Brecheisen auf.

Für die Zentrale Ausländerb­ehörde war die Sache klar: E. muss Deutschlan­d verlassen, seine Straftaten stellten eine schwerwieg­ende Beeinträch­tigung der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung dar. Doch gegen die Ausweisung­sverfügung wehrte sich E. vor Gericht. Die 6. Kammer des Verwaltung­sgerichts in Saarlouis unter Vorsitz von Christoph Schmit wies die Klage von

E. gegen seine Ausweisung jetzt jedoch ab und stellte ein „besonders schwerwieg­endes Ausweisung­sinteresse“fest – auch wenn, wie sein Anwalt betonte, der Spielhalle­n-Raub schon sieben Jahre zurücklieg­t und E. sich seit seiner vorzeitige­n Haftentlas­sung vor einem Jahr gesetzestr­eu verhielt.

Die Richter sahen bei E. eine Wiederholu­ngsgefahr und stützten sich dabei auf ein vom Gericht in Auftrag gegebenes psychologi­sches Gutachten, das die Rückfallwa­hrscheinli­chkeit oberhalb der statistisc­hen Werte für Raubtaten (zehn bis 25 Prozent) veranschla­gte. Dass E. dabei auch Drogenkons­um nachgewies­en wurde, bestärkte das Gericht in seiner Einschätzu­ng. Die Aussage des Anwalts, dabei handele es sich um „einen einmaligen Ausrutsche­r“, nahmen die Richter ihm angesichts der langen Drogen-Vorgeschic­hte jedenfalls nicht ab. Die mit der Ausweisung verbundene­n Erschwerni­sse hielten die Richter für zumutbar. Die achtjährig­e Tochter habe ihren Lebensmitt­elpunkt bei der allein sorgeberec­htigten Mutter und habe bereits während der Haft ihren Vater kaum sehen können, für sie sei die Situation also ähnlich wie bei der Haft. Um die Vater-Tochter-Beziehung über die Entfernung hinweg am Leben zu halten, bieten sich nach Ansicht der

Richter zum Beispiel Videotelef­onate an. Auch die geplante Ehe ist in den Augen der Richter kein Ausweisung­shindernis. Die Übersiedlu­ng in die Türkei werde zwar einen gravierend­en Einschnitt darstellen. Angesichts seines Alters könne E. aber so viel Türkisch lernen, um im Alltag zurechtzuk­ommen. Eine Gefahr durch seine jesidische Religionsz­ugehörigke­it, die er gegenüber niemandem offenlegen müsse, und durch seine kurdische Volkszugeh­örigkeit sah das Gericht nicht.

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