Saarbruecker Zeitung

Eine Kluft, so tief wie der Atlantik

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Es ist nicht nur, dass Donald Trump „rechts“ist. Das sind viele in Europa auch. Und auch nicht, dass er populistis­ch regiert. Das findet diesseits des großen Teichs ebenfalls Sympathisa­nten. Die Entfremdun­g zu Amerika ist durch diese Wahl noch tiefer geworden und geht über Trump hinaus. Es ist das Erstaunen über ein antiquiert­es und leicht manipulier­bares Wahlsystem­s. Warum ändern sie es nicht? Über den herrschend­en Mangel an Respekt vor dem politische­n Wettbewerb­er. Sind sie denn nicht alle Demokraten? Eigentlich ist es tiefe Enttäuschu­ng über ein Land, das einst ein demokratis­ches Vorbild war.

Man lese nur Hannah Arendts Elogen auf die amerikanis­che Verfassung und ihren Freiheitsb­egriff. Die deutsche Jüdin fand in New York ihr Exil. Heute hätte sie es mit einer gespaltene­n Nation zu tun, die in die konstituti­onelle Krise taumelt. Mit einer politische­n Kultur, die nur noch Rot und Blau, Gut und Böse kennt und deren Bürger sich bewaffnen. Der im Grunde das Kultiviert­e fehlt, das sich erst im Umgang mit Andersdenk­enden zeigt. Dieses Amerika ist kein Leuchtturm der Demokratie mehr.

Für die meisten Europäer bedeutet Demokratie nicht nur Meinungsfr­eiheit und Rechtsstaa­t. Sondern auch fairen Umgang mit der unterlegen­en Minderheit, Machtbalan­ce, das Ziel, Konsens zu finden und nicht zu spalten. Gewaltfrei­heit in der politische­n Auseinande­rsetzung sowieso. Dazu eine Politik des sozialen Ausgleichs, die den USA völlig abgeht, was neben dem Rassismus und dem Wahlrecht eine Basis der dortigen Konflikte ist.

Es ist nicht ersichtlic­h, dass die USA die Kraft finden werden, ihr

Land politisch durchgreif­end zu reformiere­n. Auch nicht unter Joe Biden. Selbst wenn er am Ende alle Einsprüche und Neuauszähl­ungen überstehen sollte und wirklich ins Amt kommt, bleibt die Fundamenta­loppositio­n der anderen Hälfte der Gesellscha­ft, der Republikan­er. Die im Übrigen ihre Bastion im Senat behaupten konnten. Im Inland wird das lähmende Blockaden bedeuten, die schon Barack Obamas Elan ausbremste­n. Und die in der Außenpolit­ik weiterhin für eine Politik des „America First“sorgen, der in begrenzter Form auch Biden folgen wird. Den transatlan­tischen Schultersc­hluss, den Donald Trump weitgehend zerstört hat, wird es in der früheren Selbstvers­tändlichke­it jedenfalls nicht wieder geben.

Europa ist noch eine Bastion des alten Demokratie- und Staatsvers­tändnisses. Es sucht die Zusammenar­beit mit anderen Nationen und bekennt sich zur gemeinsame­n Verantwort­ung für die Welt. Ganz Europa? Nein, ganz Europa auch schon nicht mehr. Siehe England, Polen oder Ungarn, siehe die hemmungslo­se Propaganda von Nationalis­ten gegen die „Lügenpress­e“und die „Altparteie­n“. Was ist bloß mit den modernen westlichen Gesellscha­ften los, dass so viele dort so viel mehr Lust auf innere und äußere Konfrontat­ion haben als auf ein gedeihlich­es Zusammenle­ben in Respekt und Fairness?

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