Das Corona-Stipendium für Solokünstler im Saarland kommt nicht bei allen gut an.
Das Krisen-Stipendium des Landes sollte Solokünstlern helfen, doch der Großteil wurde nicht ausgeschüttet. Warum nicht?
SAARBRÜCKEN „Es war eine gut gemeinte Tat und ein Versuch, zu helfen. Aber es hat nicht funktioniert.“Für Peter Tiefenbrunner ist das Stipendienprogramm, das für Solokünstler und Solokünstlerinnen ohne eigenen Betrieb bis zu 3000 Euro vorsah, nicht aufgegangen. Der Sprecher der Freien Szene Saar sagt, die benötigten Hilfen seien aufgrund strenger Auflagen bei vielen Künstlern nicht angekommen, der Bedarf bestünde weiter. Dem Verein gehören 36 Gruppen und Einzelkünstler an, darunter die wesentlichen Akteure der Szene.
Tatsächlich ist der überwiegende Teil der Fördersumme nicht abgerufen wurden. Das Stipendienprogramm des Landes sah ein Fördervolumen von 2,5 Millionen Euro vor und lief am 31. Juli aus. Bis Anfang September waren nach Angaben des Kulturministeriums 106 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 234 000 Euro bewilligt. Bei 14 Anträgen ohne Unterlagen stand zu dem Zeitpunkt die Bearbeitung noch aus, 17 Anträge waren abgelehnt – weil „eine oder mehrere Voraussetzungen der entsprechenden Richtlinie nicht erfüllt“wurden. Wie am Donnerstag auf Nachfrage zu erfahren war, „wurde insgesamt ein Betrag von rund 270 000 Euro verausgabt“. Bleiben noch 2,23 Millionen Euro im Topf. „Die Stipendien-Nachfrage war zunächst geringer als vom Ministerium für Bildung und Kultur erwartet. Wir gehen davon aus, dass viele Kulturschaffende bereits Mittel aus anderen Bundes- und Landesprogrammen beantragt und zum Teil auch erhalten hatten“, teilt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. Auch nehme man an, „dass viele Kulturschaffende schnell neue Formate entwickelt wie Musikunterricht online, so Einnahmen erzielt und sich gegen einen Stipendienantrag entschieden haben“.
Tatsächlich schlossen die Förderrichtlinien, die mit dem Finanzministerium abgestimmt wurden, Künstler aus, die bereits Soforthilfen des Landes oder des Bundes erhalten hatten. Als das Stipendium Anfang Mai aufgelegt wurde, hatten nach Auskunft von Tiefenbrunner die meisten Künstler der Freien Szene die – schon Mitte März angekündigte – Landessoforthilfe
beantragt. Er meint: Niemand wäre „zu unverhofftem Reichtum“gekommen, wenn er neben dem Landessoforthilfeprogramm noch das Corona-Stipendium erhalten hätte. Schließlich sei ja nicht nur die künstlerische Arbeit auf der Bühne weggefallen, sondern in den allermeisten Fällen auch die zweiten und dritten Standbeine wie Musikunterricht, Theaterprojekte oder das Musizieren auf Privatfeiern. Einen Vorwurf macht Tiefenbrunner dem Kulturministerium deswegen nicht, im Gegenteil. „Das Kulturministerium ist sehr bemüht, arbeitet kontinuierlich mit uns zusammen und versucht, mit uns etwas auf die Beine zu stellen.“
Über die Zukunft der nicht-abgerufenen Stipendiumsmittel war im September aus dem Kulturministerium zu erfahren, dass man „die aktuellen Bedarfe der Kulturschaffenden im Saarland“eruiere. Dabei seien die umfangreichen Programme des Bundes, vor allem das komplex gestaltete „Neustart Kultur“des Bundeskulturministeriums, die sogenannte Kulturmilliarde, zu berücksichtigen – „hinsichtlich ihrer Ergiebigkeit für die genannte Zielgruppe im Besonderen und für die gesamte saarländische Kulturlandschaft im Allgemeinen“. Erst mit Ergebnissen aus dieser Prüfung könne das Ministerium „in enger Abstimmung mit den Kulturschaffenden einen Vorschlag für passgenauen Einsatz der Mittel erarbeiten“.
Nun, zwei Monate später, scheint es Fortschritte zu geben. „Wir sind aktuell mit dem Finanzministerium in der Abstimmung, um das Programm angesichts der neuerlichen Einschränkungen für die Kulturszene weiterzuführen und anzupassen“, teilte der Sprecher am Donnerstag auf erneute Anfrage mit. Mit der Neuauflage des Programms wolle man einen Beitrag dazu leisten, die saarländische Kulturlandschaft zu erhalten. „Unser Ziel ist es, bei der Weiterführung des Programms auch den Kreis der Antragsberechtigten zu erweitern – entsprechend der Verfahrensweise in anderen Ländern.“Dabei könnte das Ausschlusskriterium der Doppelförderung aufgehoben werden.
Als sich im Frühsommer abzeichnete, dass aufgrund des Ausschlusses von Doppelförderung weniger Bewerbungen auf das Stipendium eingingen als gedacht, obwohl der Bedarf weiter bestand, hatte Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) appelliert, dass sich Künstler dennoch bewerben sollen. Damit der Bedarf offensichtlich werde. Szenekenner merkten an, dass dies, trotz des Aufrufs, kaum ein Künstler machen werde – angesichts sehr geringer Erfolgsaussicht des Antrags. Aber auch angesichts einer immer unübersichtlicher werdenden Situation aus Hilfen, Programmen, Stipendien von Bund und Land, der Sommer-Euphorie über stattfindende Freiluft-Kultur, und des allgemeinen großen bürokratischen Aufwands durch die Krise.
Gut gemeint, aber nicht wirklich angekommen, trifft auf die Bundessoforthilfe zu, an welche die meisten Künstler laut Tiefenbrunner auch nicht herangekommen seien: „Die Bundeshilfe von bis zu 6000 Euro hat von uns praktisch keiner bekommen.“Gut gelaufen sei dafür aber die Landessoforthilfe, die für Soloselbstständige 3000 Euro vorsah: „Diese Förderung haben viele von uns erhalten.“
Optimistisch blickt Peter Tiefenbrunner auf die Überbrückungshilfe II des Bundes, bei der auch Soloselbständige im November ihre Ausfälle ersetzt bekommen sollen – zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem November
2019 oder wahlweise den Durchschnitt ihres Jahresumsatzes 2019. Auch die Kulturmilliarde, die über verschiedene Bundesprogramme ausgeschüttet wird, verspricht Unterstützung. Doppelförderung als Ausschlusskriterium kommt saarländischen Künstlern hier nicht in die Quere. Soweit so gut? „Die Kulturmilliarde löst unser Problem mit der unsicheren Förderung durch die Stadt nicht“, sagt Tiefenbrunner und erklärt, „wir sind auf eine regelmäßige Projektförderung angewiesen“.
Am Mittwochabend hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit den neuen Corona-Hilfen Unterstützung für Soloselbstständige der Kulturszene angekündigt. Nach Aussagen der CDU-Politikerin soll eine Förderung bis zu 5000 Euro möglich sein. Details, zu Vergabe oder Voraussetzungen, stehen noch aus.