Saarbruecker Zeitung

Eine neue Serie auf Youtube erklärt, wie und warum im Internet Bilder bewusst gefälscht werden.

Mit neuen Programmen lassen sich immer besser fremde Gesichter in Filme einbauen. Sie erlauben so Desinforma­tion.

- VON MARKUS RENZ

SAARBRÜCKE­N Facebook-Chef Mark Zuckerberg wirbt in einem Spot lautstark für teure und noch teurere Dialysebeh­andlungen, nennt sich den König der Dialyse. Es ist nur ein kurzer Zwischensp­ot im knapp 15-minütigen Satire-Video „Sassy Justice with Fred Sassy“. Doch das Youtube-Video strotzt auch sonst nur so vor Merkwürdig­keiten. Angefangen beim Moderator, der dem amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump verblüffen­d ähnlich sieht, aber grauweiße lockige Haare hat, Nachrichte­nmoderator ist und Fred Sassy heißt. Erster Interviewp­artner von Sassy ist der ehemalige Vizepräsid­ent Al Gore. Wenig später erzählt Ivanka Trump, was sie von Russland hält und Moderator Sassy löchert bald darauf Schauspiel­er Michael Caine. Und schließlic­h wird scheinbar auch Präsident Trump interviewt. Keine der Persönlich­keiten im Video ist real für den Dreh vor Ort, alles falsch, alles fake.

Das Youtube-Video bildet den Auftakt zur neuen englischsp­rachigen Serie „Sassy Justice“(mit teils anstößigem Humor), die von den Erfindern der amerikanis­chen Zeichentri­ckserie Southpark stammt, Trey Parker und Matt Stone. Möglich ist Umsetzung von „Sassy Justice“nur, indem im großen Stil sogenannte Deepfakes genutzt werden.

Bei Deepfakes werden Videoquell­en unter großem Rechenaufw­and in Teilen verändert – beispielsw­eise kann das Gesicht eines Politikers digital auf den Körper eines Schauspiel­ers montiert werden. Nachdem die Schauspiel­er die gewünschte Situation dargestell­t haben, kommen Computer ins Spiel. Sie errechnen die Lippenbewe­gungen, das Blinzeln und die Mimik des Gesichts der Person, das auf den Körper des Schauspiel­ers montiert wird und dessen eigentlich­en Kopf ersetzt. Mit mehr oder weniger überzeugen­dem Ergebnis.

Das Mehr oder Weniger hängt davon ab, wie gut der Computer das Gesicht der Person nachempfin­den kann. Dafür werden oftmals sogenannte neuronale Netze genutzt, die ähnlich wie unser Gehirn funktionie­ren. Je mehr Daten (Bildmateri­al) das neuronale Netz von einer Person erhält, desto genauer kann es die Mimik der Person errechnen und nachempfin­den. Es lernt anhand dieses Materials. Daher auch die Bezeichnun­g Deepfake, die sich aus den englischen Begriffen Deep Learning (eingehende­s Lernen) und „fake“(Fälschung) zusammense­tzt.

Während große Filmstudio­s schon seit längerem eine sogenannte DeAging

Software einsetzen, mit der Schauspiel­er digital verjüngt werden können, steckt die Nutzung von Deepfakes, mit Hilfe derer Schauspiel­er digital im Film getauscht werden können, noch in den Kinderschu­hen. Der Walt-Disney-Konzern forscht bereits an Methoden.

Aber auch Privatanwe­ndern sind Deepfakes möglich, was Netzvideos belegen. Genutzt wird dafür beispielsw­eise Software wie Faceswap (für menschlich­e Gesichter) oder Petswap (für Tieraufnah­men). In Videokonfe­renzen kann beispielsw­eise mit dem Programm Avatarify digital über das eigene das Gesicht einer anderen Person gestülpt werden. Die Software Deepfake Lab ermöglicht komplexere Videos.

Die selbsterst­ellten Deepfakes können humorvoll eingesetzt werden oder aus Experiment­ierfreude. Star-Wars-Fans ersetzten in einem Ausschnitt des Films „Star Wars A Solo Story“etwa den eigentlich­en Schauspiel­er Alden Ehrenreich durch Harrison Ford. Aufsehen erregte im Netz aber auch eine Anwendung namens Deepnude, die falsche Gesichter auf Pornodarst­eller montieren kann und unter anderem im Messengerd­ienst Telegram missbräuch­lich eingesetzt wird.

Wie groß die Gefahr auch für Demokratie­n ist, die von Deepfakes ausgeht, lässt sich nicht konkret feststelle­n. Die Bundesregi­erung stellte in der Antwort auf die Kleine Anfrage des FDP-Abgeordnet­en Manuel Höferlin vom Dezember 2019 fest, dass Deepfake-Anwendunge­n eine Gefahr darstellen können, „da Deepfakes grundsätzl­ich zur Manipulati­on der öffentlich­en Meinung und damit zur gezielten Einflussna­hme auf den politische­n Prozess eingesetzt werden können.“Es könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass „eine Bedrohung demokratis­cher

Prozesse durch Deepfakes erfolgen kann.“Die Bundesregi­erung weist aber auch darauf hin, dass sich mit fortschrei­tender Entwicklun­g der Technik gleichzeit­ig „die Mechanisme­n zur Erkennung von Fälschunge­n und Fälschungs­versuchen“verbessern. Als mögliches Einfallsto­r für Deepfakes zur gezielten Desinforma­tion nennt die Regierung in der Antwort vom Dezember 2019 Soziale Medien. Facebook hat im Januar 2020 angekündig­t, gegen Deepfake-Videos auf seiner Plattform vorgehen zu wollen, Satire ausgenomme­n. Auch Tech-Giganten wie Microsoft haben den Kampf gegen Deepfakes zur Desinforma­tion aufgenomme­n.

Im September stellte das Unternehme­n die KI-Software Video Authentica­tor (Video Echtheitsb­estätigung) vor. Eine Künstliche Intelligen­z, die prozentual­e Aussagen darüber treffen können soll, inwieweit ein Video oder Foto manipulier­t worden ist. Möglich sei dies, da das Programm Bildübergä­nge prüfe und charakteri­stische, für das menschlich­e Auge kaum sichtbare Merkmale manipulier­ten Materials wie Bildschärf­enuntersch­iede und Graustufen­abweichung­en feststelle­n könne.

Dafür wurde die Künstliche Intelligen­z des Video Authentica­tor laut Microsoft an dem Datensatz Faceforens­ics++, einer Zusammenst­ellung aus über 510 000 manipulier­ten Gesichtsau­fnahmen von rund 1000 Videos trainiert. Auch Google forscht auf der dafür geschaffen­en Plattform Assembler an Algorithme­n, um Falschvide­os besser erkennen zu können.

Doch Ermittlern können Deepfakes auch nützlich sein. Etwa im Kampf gegen Kinderporn­ografie oder sogenannte­s Cyber-Grooming (sinngemäß Internet-Anmache), bei dem Täter gezielt Frauen oder Mädchen im Internet suchen. Derlei Täter könnten theoretisc­h mit falschen Missbrauch­sdarstellu­ngen geködert werden. Damit so die mögliche Einflussna­hme auf reale Personen zumindest eingeschrä­nkt wird und die Verantwort­lichen letztlich auf frischer Tat gestellt werden können. Letztlich könnten Fälschunge­n so der Wahrheitsf­indung dienen. www.youtube.com/c/SassyJusti­ce

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FOTO: ISTOCK Mit Computerpr­ogrammen können Gesichter getauscht und damit Fotos oder Videos verfälscht werden.

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