KZ-Film: Saarbrücker Bürger quälten Häftlinge an der Bremm
(red) Sechs Wochen lang folterte und verhörte die „Geheime Staatspolizei“(Gestapo) des Nazi-Regimes die 17-jährige Polina Bortkova in der heute sogenannten Gestapo-Zelle im Alt-Saarbrücker Schlosskeller. Doch das Mädchen schwieg eisern.
Die Nazis hatten Bortkova als Zwangsarbeiterin aus der Ukraine nach Deutschland verschleppt. Und Bortkova hatte sich hier dem Widerstand angeschlossen – sie schmuggelte Informationen nach Frankreich. Im August 1944 flog sie auf. Nach den Verhören steckten die Nazis ihr Opfer zunächst in das Konzentrationslager (KZ) an der Neuen Bremm. Später wurde Bortkova von Saarbrücken aus noch in verschiedene andere KZ deportiert. Doch Bortkova überlebte und konnte der
Welt ihre Geschichte erzählen.
Die Erinnerung an Bortkova und die geschätzt 20 000 Menschen, die im KZ Neue Bremm gequält wurden, soll wach bleiben. Dafür möchte der Landesjugendring sorgen – mit seinem Projekt „Damit kein Gras drüber wächst“.
Dessen Leiterin Lisa Denneler stellte das Projekt nun bei einer digitalen Gesprächsrunde des Teams der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Saarbrücker Kirchenladen „welt:raum“vor.
„Es soll keine Erinnerungsarbeit von oben sein, die Fragen der Jugendlichen stehen im Mittelpunkt“, sagte Denneler. Die Vorkenntnisse der Jugendlichen seien sehr unterschiedlich: „Manche wissen nicht, was der Nationalsozialismus war, andere sagen: Wir wussten, dass es
KZ gab, aber nicht, dass es auch bei uns passiert ist.“Ein erstes Filmprojekt wurde mit Studierenden des Seminars „Erinnerungspädagogik“der Hochschule für TechnikundWirtschaft(HTW)verwirklicht. Die Studierenden drehten auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte einen 20-minütigen Film mit Horst Bernard. Der 88-Jährige war Anfang der 1970er-Jahre einer der Ersten, die sich mit der Geschichte des Lagers befassten. Die Publikation, die er 1984 mit seiner Tochter und deren damaligem Lebensgefährten herausbrachte, sorgte für Wirbel.
Die Resonanz war enorm: Viele ehemalige Häftlinge meldeten sich bei Bernard, um ihm ihre Geschichte zu erzählen. Bernard führt noch heute Schulklassen über die Gedenkstätte und schult Scouts, die dann wiederum Führungen anbieten. Er weiß von Augenzeugen aus erster Hand von ihrem Martyrium.
1940 bis 1943 internierten die Nazis an der Bremm zunächst Zwangsarbeiter, dann auch Kriegsgefangene. Im Dezember 1943 wurde zusätzlich zum Männerlager ein Frauenlager eröffnet. Die meisten Überlebenden wurden später in andere KZ deportiert. Die Zahl der in Saarbrücken ermordeten Gefangenen wird auf mehrere Hundert geschätzt. Im Dezember 1944 befreiten die Alliierten die Überlebenden.
Die Erlebnisse der Augenzeugen schildert Bernard im Film eindrucksvoll: „Die Männer mussten in Fünferreihen im Entengang um das Löschwasserbecken gehen – stundenlang, tagelang, bis zur Erschöpfung.“Wer zusammenbrach wurde ins Becken geworfen – aus eigener Kraft die schrägen, bemoosten Wände hochzuklettern war für viele unmöglich und somit ihr Todesurteil.
Besonders perfide: Die Wächter, die die Gefangenen schikanierten und folterten, waren in der Regel keine SS-Leute, sondern – von drei Berufssoldaten abgesehen – Saarbrücker Bürger, die vom Arbeitsamt zum Wachdienst abgeordnet worden waren.
Die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachzuhalten, betrachtet Bernard als seine Lebensaufgabe: „Ich glaube, dass es möglich ist, etwas Ähnliches heute zu verhindern, wenn man die Menschen mit dem konfrontiert, was damals passiert ist.“Gestapo-Zelle und KZ-Gedenkstätte erinnern an die deutschen Verbrechen aus der Zeit des
Nazi-Regimes. Die Folter-Zelle im Schlosskeller war nach dem Krieg zunächst vergessen. Erst bei Renovierungsarbeiten im Schloss wurde die Folter-Zelle hinter Aktenbergen wiederentdeckt. Wenig später verschwand die Zellentür, auf der viele Gefangene Inschriften eingeritzt hatten. Sie blieb bis heute verschwunden. Dank einer Fotografie konnte jedoch eine Rekonstruktion der Tür hergestellt werden. Heute ist die Gestapo-Zelle Teil der ständigen Ausstellung zur NS-Zeit des Historischen Museums Saar.
1947 wurde an der Bremm ein Obelisk mit Gedenktafel aufgestellt, 2004 wurde die Gedenkstätte neu gestaltet. 2018 wurden die Fundamente der Häftlingsbaracken gekennzeichnet. Das teilte die Bischöfliche Pressestelle mit.