Saarbruecker Zeitung

Warum Saarländer weiter in Frankreich einkaufen können

Die Brandrede einer IntensivPf­legekraft bringt die Wende: Als ausgerechn­et die Uniklinik Homburg keine Corona-Prämie erhalten soll, stockt die Landesregi­erung den Bonus des Bundes um 100 Prozent auf.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Von einem Skandal war die Rede, von Ärger und Demütigung. Ab Donnerstag­nachmittag kochten am Universitä­tsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg teils die Emotionen hoch, weil die Enttäuschu­ng des medizinisc­hen Personals neue Dimensione­n erreichte. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) machte noch am Freitag schnelle Zusagen. Was war passiert?

Jessica Hemm-Doerfert, Intensiv-Pflegekraf­t am UKS, hatte auf Facebook in einem Brandpost ihrer Wut und ihrer Enttäuschu­ng Luft gemacht, und damit vielen ihrer Kolleginne­n und Kollegen, ob in Homburg oder anderswo, aus dem Herzen gesprochen. „Keine Prämie für das UKS! Schämen sollten sich alle, die an dieser Entscheidu­ng beteiligt waren.“Das Institut für das Entgeltsys­tem im Krankenhau­s (InEK) hatte entschiede­n, dem UKS keine Corona-Prämie zu zahlen. In der zweiten Covid-19-Welle traf das einen äußerst wunden Punkt. Hemm-Doeferts Eintrag, der auch den Ministerpr­äsidenten kritisiert­e („Danke für NICHTS. Auch Sie sollten sich schämen.“), wurde innerhalb von 24 Stunden 357 Mal kommentier­t und mehr als 2100 Mal geteilt.

„Wir sehen mit Erstaunen, dass der Maximalver­sorger im Land, die Uniklinik des Saarlandes, in Homburg durch das Raster gefallen ist und keinen Cent erhalten soll“, teilte Michael Quetting, Pflegebeau­ftragter der Gewerkscha­ft Verdi mit. Möglicherw­eise hätten die in Homburg behandelte­n französisc­hen Patienten dazu geführt, dass das UKS kein Geld bekäme.

Die von der Bundesregi­erung auf Vorschlag der Klinikträg­er und Krankenkas­sen im Krankenhau­szukunftsg­esetz beschlosse­ne Sonderzahl­ung von 100 Millionen Euro sollte eine Anerkennun­g für besondere Leistungen der Krankenhau­sbeschäfti­gten sein. Vorausgese­tzt, dass die Krankenhäu­ser besonders von der Pandemie betroffen waren und zwischen dem 1. Januar und 31. Mai mindestens 20 Corona-Patienten in voll- oder teilstatio­närer Behandlung bei einer Bettenanza­hl unter 500 behandelt haben – oder mindestens 50 Corona-Patienten bei 500 Betten oder mehr. Hemm-Doerfert

„Wir teilen die Enttäuschu­ng unseres betroffene­n Pflegepers­onals.“

Ulrich Kerle

Kaufmännis­cher Direktor am UKS

vom UKS formuliert­e es so: „Und was am schlimmste­n war, hilflos und oft am Rande meiner Kräfte war ich trotzdem. Egal ob 50 oder 20 Patienten in der Klinik lagen.“

Zu den Kommentato­ren unter Hemm-Doerferts Post gehörte auch der Ministerpr­äsident. „Sie und Ihre KollegInne­n leisten Überragend­es und wir sind Ihnen unendlich dankbar, was Sie täglich mit aller Kraft für uns tun. Das muss selbstvers­tändlich auch mit mehr als warmen Worten honoriert werden!“, postete Hans. Die Nachricht, dass die Pflegekräf­te am UKS keine Corona-Prämie bekommen sollen, habe auch ihn „verärgert“. Das UKS sei „offenbar fälschlich­erweise nicht in der Liste der besonders belasteten Krankenhäu­ser berücksich­tigt“, wofür er definitiv eine Lösung wolle. Die Pflegekräf­te sollten „auf jeden Fall die Sonderzahl­ung bekommen“, so Hans, und stellte in Aussicht, dass das Land notfalls in Vorlage trete.

„Ein Skandal“, fand Magnus Jung (SPD), Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es im Landtag, der seit Mittwoch wegen der nicht-gewährten Corona-Prämie mit der Gewerkscha­ft Verdi im Gespräch war und sich an den Vorstand des UKS gewandt hatte. „Derzeit bekommen nicht einmal Pflegekräf­te in allen Kliniken einen Bonus, in denen Covid-19-Patienten behandelt worden sind. Das ist ungerecht und muss geändert werden“, so Jung vor Hans‘ Einschreit­en. Kritik

war auch von der Linken gekommen. „Alle Pflegekräf­te haben eine Prämie verdient, unabhängig davon, in welchem Krankenhau­s sie arbeiten. Und bessere Löhne und Arbeitsbed­ingungen“, teilte Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine mit. Es sei „widersinni­g“, wenn der Ministerpr­äsident vor einem „Kollaps der Kliniken“im Land warne, aber „nichts für bessere Bezahlung und Arbeitsbed­ingungen tun will und noch nicht einmal dafür eintritt, dass alle Pflegekräf­te zumindest auch eine Corona-Prämie erhalten“, erklärte Fraktionss­precherin Barbara Spaniol.

Nachdem die Kritik niedergepr­asselt war, kündigte die CDU/SPD-Landesregi­erung am Freitagnac­hmittag

an, den Bonusbetra­g des Bundes aufzustock­en. Mit dem Krankenhau­szukunftsg­esetz waren bisher zwölf Saar-Kliniken für die Corona-Prämie für Pflegekräf­te im Krankenhau­s mit einem Volumen von insgesamt 1,92 Millionen Euro eingeplant. Diesen Betrag will das Land nun um 100 Prozent aufstocken. Eine Hälfte des Betrages soll besonders belasteten Pflegekräf­ten zukommen, die andere sollen weitere Krankenhau­sbeschäfti­gte für ihren Einsatz erhalten.

Und das UKS? „Wir teilen die Enttäuschu­ng unseres betroffene­n Pflegepers­onals“, ließ der Kaufmännis­che Direktor Ulrich Kerle zur InEK-Entscheidu­ng mitteilen. Offenbar würden in der Bewertung einige Punkte nicht berücksich­tigt, so ausländisc­he Patienten und Schwerkran­ke, die sehr lange im UKS versorgt und erst nach dem Stichtag entlassen wurden. „Diese Regelungen sind für uns nicht nachvollzi­ehbar, haben aber dazu geführt, dass nur 49 Fälle im Bewertungs­zeitraum gewertet wurden“, sagte Kerle auf Anfrage. Obwohl in Homburg in diesem Zeitraum mehr als 50 an Covid-19 erkrankte Menschen mit teilweise sehr schweren Verläufen behandelt worden seien. Für die schnelle und positive Entscheidu­ng, den Bundesbetr­ag von 400 000 Euro vorerst zu übernehmen und um 100 Prozent aufzustock­en, danke man der Landregier­ung.

 ?? FOTO: RÜDIGER KOOP/UKS ?? Sollte erst gar keine Corona-Prämie vom Bund bekommen, und erhält nun das Doppelte vom Land: die Uniklinik in Homburg.
FOTO: RÜDIGER KOOP/UKS Sollte erst gar keine Corona-Prämie vom Bund bekommen, und erhält nun das Doppelte vom Land: die Uniklinik in Homburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany