Warum Saarländer weiter in Frankreich einkaufen können
Die Brandrede einer IntensivPflegekraft bringt die Wende: Als ausgerechnet die Uniklinik Homburg keine Corona-Prämie erhalten soll, stockt die Landesregierung den Bonus des Bundes um 100 Prozent auf.
Von einem Skandal war die Rede, von Ärger und Demütigung. Ab Donnerstagnachmittag kochten am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg teils die Emotionen hoch, weil die Enttäuschung des medizinischen Personals neue Dimensionen erreichte. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) machte noch am Freitag schnelle Zusagen. Was war passiert?
Jessica Hemm-Doerfert, Intensiv-Pflegekraft am UKS, hatte auf Facebook in einem Brandpost ihrer Wut und ihrer Enttäuschung Luft gemacht, und damit vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen, ob in Homburg oder anderswo, aus dem Herzen gesprochen. „Keine Prämie für das UKS! Schämen sollten sich alle, die an dieser Entscheidung beteiligt waren.“Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) hatte entschieden, dem UKS keine Corona-Prämie zu zahlen. In der zweiten Covid-19-Welle traf das einen äußerst wunden Punkt. Hemm-Doeferts Eintrag, der auch den Ministerpräsidenten kritisierte („Danke für NICHTS. Auch Sie sollten sich schämen.“), wurde innerhalb von 24 Stunden 357 Mal kommentiert und mehr als 2100 Mal geteilt.
„Wir sehen mit Erstaunen, dass der Maximalversorger im Land, die Uniklinik des Saarlandes, in Homburg durch das Raster gefallen ist und keinen Cent erhalten soll“, teilte Michael Quetting, Pflegebeauftragter der Gewerkschaft Verdi mit. Möglicherweise hätten die in Homburg behandelten französischen Patienten dazu geführt, dass das UKS kein Geld bekäme.
Die von der Bundesregierung auf Vorschlag der Klinikträger und Krankenkassen im Krankenhauszukunftsgesetz beschlossene Sonderzahlung von 100 Millionen Euro sollte eine Anerkennung für besondere Leistungen der Krankenhausbeschäftigten sein. Vorausgesetzt, dass die Krankenhäuser besonders von der Pandemie betroffen waren und zwischen dem 1. Januar und 31. Mai mindestens 20 Corona-Patienten in voll- oder teilstationärer Behandlung bei einer Bettenanzahl unter 500 behandelt haben – oder mindestens 50 Corona-Patienten bei 500 Betten oder mehr. Hemm-Doerfert
„Wir teilen die Enttäuschung unseres betroffenen Pflegepersonals.“
Ulrich Kerle
Kaufmännischer Direktor am UKS
vom UKS formulierte es so: „Und was am schlimmsten war, hilflos und oft am Rande meiner Kräfte war ich trotzdem. Egal ob 50 oder 20 Patienten in der Klinik lagen.“
Zu den Kommentatoren unter Hemm-Doerferts Post gehörte auch der Ministerpräsident. „Sie und Ihre KollegInnen leisten Überragendes und wir sind Ihnen unendlich dankbar, was Sie täglich mit aller Kraft für uns tun. Das muss selbstverständlich auch mit mehr als warmen Worten honoriert werden!“, postete Hans. Die Nachricht, dass die Pflegekräfte am UKS keine Corona-Prämie bekommen sollen, habe auch ihn „verärgert“. Das UKS sei „offenbar fälschlicherweise nicht in der Liste der besonders belasteten Krankenhäuser berücksichtigt“, wofür er definitiv eine Lösung wolle. Die Pflegekräfte sollten „auf jeden Fall die Sonderzahlung bekommen“, so Hans, und stellte in Aussicht, dass das Land notfalls in Vorlage trete.
„Ein Skandal“, fand Magnus Jung (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag, der seit Mittwoch wegen der nicht-gewährten Corona-Prämie mit der Gewerkschaft Verdi im Gespräch war und sich an den Vorstand des UKS gewandt hatte. „Derzeit bekommen nicht einmal Pflegekräfte in allen Kliniken einen Bonus, in denen Covid-19-Patienten behandelt worden sind. Das ist ungerecht und muss geändert werden“, so Jung vor Hans‘ Einschreiten. Kritik
war auch von der Linken gekommen. „Alle Pflegekräfte haben eine Prämie verdient, unabhängig davon, in welchem Krankenhaus sie arbeiten. Und bessere Löhne und Arbeitsbedingungen“, teilte Fraktionschef Oskar Lafontaine mit. Es sei „widersinnig“, wenn der Ministerpräsident vor einem „Kollaps der Kliniken“im Land warne, aber „nichts für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen tun will und noch nicht einmal dafür eintritt, dass alle Pflegekräfte zumindest auch eine Corona-Prämie erhalten“, erklärte Fraktionssprecherin Barbara Spaniol.
Nachdem die Kritik niedergeprasselt war, kündigte die CDU/SPD-Landesregierung am Freitagnachmittag
an, den Bonusbetrag des Bundes aufzustocken. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz waren bisher zwölf Saar-Kliniken für die Corona-Prämie für Pflegekräfte im Krankenhaus mit einem Volumen von insgesamt 1,92 Millionen Euro eingeplant. Diesen Betrag will das Land nun um 100 Prozent aufstocken. Eine Hälfte des Betrages soll besonders belasteten Pflegekräften zukommen, die andere sollen weitere Krankenhausbeschäftigte für ihren Einsatz erhalten.
Und das UKS? „Wir teilen die Enttäuschung unseres betroffenen Pflegepersonals“, ließ der Kaufmännische Direktor Ulrich Kerle zur InEK-Entscheidung mitteilen. Offenbar würden in der Bewertung einige Punkte nicht berücksichtigt, so ausländische Patienten und Schwerkranke, die sehr lange im UKS versorgt und erst nach dem Stichtag entlassen wurden. „Diese Regelungen sind für uns nicht nachvollziehbar, haben aber dazu geführt, dass nur 49 Fälle im Bewertungszeitraum gewertet wurden“, sagte Kerle auf Anfrage. Obwohl in Homburg in diesem Zeitraum mehr als 50 an Covid-19 erkrankte Menschen mit teilweise sehr schweren Verläufen behandelt worden seien. Für die schnelle und positive Entscheidung, den Bundesbetrag von 400 000 Euro vorerst zu übernehmen und um 100 Prozent aufzustocken, danke man der Landregierung.