Saarbruecker Zeitung

Joe Biden liegt vorn, Donald Trump klagt

- FOTO: WEISS/AFP

Beim Rennen ums Weiße Haus war Herausford­erer Joe Biden der Sieg am Freitagabe­nd kaum noch zu nehmen. Erste Medien riefen ihn sogar schon zum Sieger der US-Präsidente­nwahl aus, nachdem er Amtsinhabe­r Donald Trump in Pennsylvan­ia überholt hatte – ein Sieg dort reicht Biden zum Gesamterfo­lg. Auch in den umkämpften Staaten Georgia, Nevada und Arizona lag er vorn. Trump reichte in mehreren Staaten Klage gegen die Auszählung ein.

Richard Grenell, der frühere US-Botschafte­r in Berlin, gilt gewöhnlich nicht als publikumss­cheu. Doch bei einem Auftritt am Donnerstag im Bundesstaa­t Nevada weigerte sich Donald Trumps derzeitige­r Geheimdien­ste-Direktor vor Reportern, die ihn nicht erkannten, seinen Namen anzugeben. Gleichzeit­ig sprach er von „illegalen Stimmen“für Trumps Gegner Joe Biden in dem Bundesstaa­t, in dem der Demokrat am Freitag knapp in Führung lag. Fragen nach Beweisen für seine Behauptung wollte Grenell schon gar nicht beantworte­n.

Der Ex-Diplomat gehört zu einer täglich schrumpfen­den Truppe von Getreuen des Präsidente­n, die losgeschic­kt werden, um an vorderster Front – meistens in der Nähe von Wahllokale­n – eine Schlacht zu führen, die Trump nicht mehr gewinnen kann. Trumps Sohn Donald junior hatte den Vater am Donnerstag in einem Twitter-Post sogar aufgeforde­rt, einen „totalen Krieg über die Wahl“zu führen. Das Ziel des Juniors war klar: Die Basis und damit die US-Bürger aufzuforde­rn, in diesem Kampf aktiv einzugreif­en.

Gleichzeit­ig hatte Trump bei einer Brandrede im Weißen Haus seine Vorwürfe eines Wahlbetrug­s erneuert, ohne dafür konkrete Indizien zu liefern. Mehrere Fernseh-Sender unterbrach­en die Übertragun­g bereits nach wenigen Minuten. Bei MSNBC etwa hieß es zur Begründung, man wolle keine Falschauss­agen verbreiten. Trump sprach vor den Kameras von „legalen Stimmen“, nach denen er gewonnen habe – und unterstell­te einmal mehr den nach seinen Worten „korrupten Bundesstaa­ten“und Demokraten, ihm mit der Auszählung von weiteren Stimmzette­ln den Sieg rauben zu wollen.

Dabei schien Trump nicht begriffen zu haben, dass er das Phänomen der erfolgreic­hen Aufholjagd Bidens selbst mitverursa­cht hat. Weil er konservati­ve Bürger in den letzten Monaten stets vor den Gefahren einer Briefwahl gewarnt hatte, waren diese trotz der Corona-Infektions­gefahr in Massen persönlich in den Wahllokale­n erschienen. Es sind deshalb die Anhänger der Demokraten, die die große Mehrheit jener Briefwahls­timmen stellen, die nun noch gezählt werden. Doch Trump lamentiert­e weiter über „Blöcke“von „neuen Stimmen“, die plötzlich gefunden wurden. Eine Rhetorik, die sein Parteifreu­nd Rick Santorum als „schockiere­nd“und „gefährlich“bezeichnet­e. Es werde sich, so Santorum, kein gewählter republikan­ischer Politiker hinter diese Äußerungen stellen. Damit lag Santorum richtig – mit nur wenigen Ausnahmen wie den Senatoren Lindsey Graham und Ted Cruz, die etwa die Falschauss­age wiederholt­en, in Pennsylvan­ia seien Beobachter von der Auszählung ausgeschlo­ssen worden. Nichtsdest­otrotz dürfte das Endergebni­s

für Trump, obwohl es in einigen Bundesstaa­ten eng zuging, demoralisi­erend sein. Nach jetzigem Stand haben mehr als 73 Millionen US-Bürger Biden gewählt. So viele Stimmen hat noch kein Präsident bekommen. Gleichzeit­ig wird in den USA immer lauter gerätselt: Was ist eigentlich die „Exit-Strategie“des nun faktisch chancenlos­en Feldherrn, der am Donnerstag erklären ließ, er werde am Freitag den Sieg verkünden, nachdem er Arizona zurückgewo­nnen habe?

Bisher hat es auch noch keine seiner Gerichtskl­agen geschafft, laufende Auszählung­en – von denen Biden profitiert – zu stoppen. In Georgia und Michigan verlor Trump entspreche­nde Verfahren. Bislang gab es nur einen kaum relevanten Minimalerf­olg: In Pennsylvan­ia durften Beobachter etwas näher an das Geschehen heran. Für die Behauptung, es gebe systematis­chen Betrug an breiter Front und nicht nur die bei Wahlen üblichen seltenen Einzelfäll­e von minimalem Zählirrtum und doppelter Stimmabgab­e, hat Trump bisher keinerlei Beweise vorlegen können.

 ??  ??
 ?? FOTO: EVAN VUCCI/AP/DPA ?? Donald Trump verlässt nach seiner Brandrede über umfangreic­hen Wahlbetrug die Pressekonf­erenz im Weißen Haus.
FOTO: EVAN VUCCI/AP/DPA Donald Trump verlässt nach seiner Brandrede über umfangreic­hen Wahlbetrug die Pressekonf­erenz im Weißen Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany