Arbeitslosigkeit bedeutet in Deutschland oft Armut
Fast drei Viertel der Erwerbslosen sind armutsgefährdet. Das Saarland ist laut dem Sozialverband VdK besonders stark betroffen.
Arbeitslose sind in Deutschland häufiger von Armut bedroht als im Rest der EU. Wegen hoher Langzeitarbeitslosigkeit sei das Saarland besonders betroffen, mahnt der Sozialverband VdK.
(vet/maw) Erwerbslose in Deutschland sind im EU-Vergleich überdurchschnittlich stark von Armut bedroht. Fast drei Viertel von ihnen galten laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat im vergangenen Jahr als armutsgefährdet.
2019 lag die Armutsgefährdungsquote unter den Arbeitslosen in Deutschland bei 73,8 Prozent. Im Schnitt der 27 Staaten in der Europäischen Union waren es nur 48,5 Prozent. Als armutsgefährdet gilt nach EU-Definition, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung im jeweiligen Mitgliedsland auskommen muss. Für Ein-Personen-Haushalte in Deutschland lag diese Schwelle 2019 bei 1176 Euro im Monat. Darin eingerechnet sind auch alle staatlichen Transfers wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) oder Wohngeld.
Wegen des unterschiedlichen Niveaus bei den Einkünften weist die Armutsschwelle in den Mitgliedsländern allerdings eine große Bandbreite auf. So musste etwa in Luxemburg ein Single im vergangenen Jahr ein Monatseinkommen von wenigstens 1818 Euro erzielen, um nicht als von Armut bedroht zu gelten. In Griechenland genügten dafür schon 410 Euro. In Rumänien lag die kritische Marke nur bei 192,50 Euro.
Seit den Hartz-Reformen werde die soziale Sicherung für Erwerbslose in Deutschland überwiegend „Hartz IV“überlassen, kritisierte die Sozialexpertin der Linken, Sabine Zimmermann. „Auf diese Weise hat sich Armut ausgebreitet und verfestigt.“Gerade die Corona-Pandemie zeige, wie wichtig eine soziale Absicherung
sei, die vor dem Absturz in Armut bewahre, sagte Zimmermann.
„In Deutschland bestrafen wir seit 20, 25 Jahren die Arbeitslosen dafür, dass sie keinen Job kriegen“, kritisiert auch der saarländische Landesvorsitzende des Sozialverbands Vdk, Armin Lang. Dafür zahle man jetzt den Preis. Gerade im Saarland, das bundesweit den größten Anteil von
Langzeitarbeitslosen habe, schaffe man es nicht, diese Menschen zurück in die Beschäftigung zu bringen, stattdessen seien diese immer häufiger auf Nothilfen angewiesen.
Gleichzeitig fordert Lang, auch Geringqualifizierten die Chance auf Weiterbildung zu ermöglichen. „Die Politik muss für eine echte Chancengleichheit sorgen – nicht nur auf dem Papier.“
Am Donnerstagabend hatte der Bundestag eine Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung beschlossen. Für einen Alleinstehenden steigt der „Hartz-IV“-Satz zum 1. Januar 2021 von 432 auf 446 Euro im Monat. Jugendlichen ab 14 Jahren stehen dann 373 Euro zu. Das sind 45 Euro mehr als jetzt. Kritiker halten diese Anpassung allerdings für deutlich zu niedrig, weil nicht bedarfsgerecht.