Bundespolizei unterstützt Corona-Streife
Der Saartalk von SR und SZ hat bei der Veranstaltungsbranche nachgefragt: Wie kann sie während Corona überleben?
Am Freitag haben Ordnungsämter, Landes- und Bundespolizei bei einem landesweiten Aktionstag gemeinsam die Einhaltung der Corona-Regeln kontrolliert. Besonderes Augenmerk lag auf der Maskenpflicht im ÖPNV.
Kneipen sind dicht, Konzerte finden nicht statt, Bühnen sind leer, kein Zirkus gastiert, kein Kabarett rebelliert – kurz: Alles, was Menschen Spaß macht, ist zumindest in diesem November wieder zu. Die Corona-Krise nimmt damit nicht nur Künstlern, Gastronomen und Schauspielern die Luft zum Atmen. Auch Bühnenbauer, Tonmischer, Caterer, Ordner oder Club-Betreiber sehen ihre Existenzen in Gefahr.
Soll die Branche kapitulieren? Hat sie Ideen, wie sie trotz Corona ausreichend Umsätze machen kann? Oder sollen einfach Bund und Länder stärker helfen? Diese Fragen stellte am Donnerstagabend der Saartalk von SR und SZ. Die Sendung mit dem Titel „Stimmungskiller Corona“, moderiert von SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst, umriss damit ein Thema, das viele bewegt. „Wie soll es weitergehen?“, war die Leitfrage der Sendung.
Antworten suchten die Moderatoren gemeinsam mit Julian Blomann. Er ist Kultur-Veranstalter aus Saarbrücken (Zum Hirsch) und Leiter des Krisenstabes des saarländischen „Poprates“. Ebenfalls in der Runde dabei war Trixi Hussong. Sie ist Konzertbookerin in Luxemburg. Sie saß neben Falk Maria Schlegel. Er ist Keyboarder der weltweit erfolgreichen saarländischen Power-Metal-Band Powerwolf. Aus Berlin zugeschaltet war die Saarbrücker Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb (SPD).
Ortleb erlebt, dass die Branche der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft „sehr hart getroffen ist. Und das nicht erst seit den neuesten Schließungen – sondern die ganze Zeit schon: Mich macht das total betroffen“. Denn diese Branche sei das, „was das Saarland, im speziellen Saarbrücken, so lebendig und liebenswert“mache. „Wir müssen schauen, dass diese Branche nach der Krise noch genauso da ist, wie vorher.“
Vorher, das ist für Powerwolf der 14. März. An diesem Tag hat die Band ihr bisher letztes Konzert gespielt. „In Mexiko-Stadt“, erinnert sich Schlegel. Dann kam Corona – und seither hat die Band keinen Auftritt mehr gehabt. „Es ist natürlich eine Menge Geld, die da verloren geht“, sagt Schlegel. Nicht nur für die Band. Wenn Powerwolf auf Tour ist, sind jeden Tag gut „20 Menschen für uns tätig, die mit uns mitfahren“. Die Veranstalter vor Ort haben auch ihre Leute. Insgesamt seien es 50 bis 60 Menschen, die für solch ein Konzert arbeiten. „Da hängen Existenzen dran. Wenn Powerwolf nicht spielt, verdient die Crew nichts und die Band auch nichts“, sagt Schlegel. Die Band verdiene zwar mit Plattenverkäufen, Merchandise und Streaming weiterhin Geld, der Crew fehlen diese Quellen natürlich.
Veranstalter Blomann erklärt, dass seine Agentur seit März pro Monat 20 000 Euro Miese einfahre. Eine „Umsatz-Erholungsphase“wie in der Gastronomie hatte er nicht. „Wir sind sozusagen im neunten Monat Krise“, fasst er zusammen. Mehr als 100 000 Euro Verlust habe er eingefahren, „die jetzt in der Altersvorsorge fehlen, daher habe ich das Geld genommen“, sagt er. Und: Vor der Krise hatte er 16 Mitarbeiter, jetzt nur noch zwölf. Sie haben sich wegbeworben. Aus Angst, dass die Branche keine Zukunft hat? Das sei ein Grund dafür, vermutet Blomann. Die Sorge, nach der Krise keine Mitarbeiter zu finden, sei „schon da“. Wie bewertet er die bisherigen Hilfen? „Genug Hilfe gibt es fast nie“, sagt er und lacht. „Das Positive war die Soforthilfe zu Beginn der Krise, die war schnell da, war unbürokratisch. Dann kam aber lange Zeit nichts mehr.“
Derzeit diskutiert Berlin, wie weitere zehn Milliarden Euro den Branchen zu Gute kommen können: die so genannten „Novemberhilfen“. Bundes-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte kurz vor der Sendung an, dass „wir auch für die Solo-Selbstständigen schneller nach Lösungen suchen werden“. Falk Schlegel findet das gut, gibt aber zu bedenken: Die Schlagzeilen waren in Sachen Hilfen für die Branche „oft schon sehr gut“. Im Endeffekt hätten sie „wenig Effekt gehabt, da viele durchs Raster fielen“. Das müsse sich ändern. „Nicht nur kurzfristig, auch nicht nur mittelfristig – sondern langfristig.“Auch Blomann arbeitet mit Solo-Selbstständigen zusammen. Mit Licht und Ton, aber vor allem mit Künstlern. „Die sitzen derzeit auf der Straße. Die haben nichts. Die kämpfen mit riesigen Problemen. Mit den Ämtern um Hartz 4.“
Das Problem sei in der Politik angekommen, versichert Ortleb. Sie schlussfolgert: „Wir brauchen in dieser Branche in Zukunft existenzsichernde Beschäftigung und keine prekäre.“Kurzfristig, so Ortleb, sollen die Novemberhilfen für Solo-Selbstständige „unbürokratisch“fließen. Bis zu 5000 Euro sollen ohne den Umweg über Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater ausbezahlt werden.
Dass Corona sich Ende November verzieht, daran glaubt in der Runde niemand. „Kommende Überbrückungshilfen müssen wir passgenauer aufstellen“, sagt Ortleb, das habe bisher noch nicht so gut geklappt. Sie könne sich zum Beispiel vorstellen, dass der Bund die Kosten für geplante und wegen Corona abgesagte Veranstaltungen übernimmt. „Vielleicht auch rückwirkend. Das wäre zum Beispiel eine passgenaue Lösung für die Veranstaltungsbranche.“Neue Ideen wären auch Kulturgenossenschaften. Solche Gesellschaften könnten nun auch Kurzarbeitergeld an Künstler auszahlen.
Hussong erklärt, dass die Situation in Luxemburg eine andere sei. Viele Veranstaltungsorte und Kulturzentren seien nicht unerheblich subventioniert. Techniker, Aufbauhelfer und Caterer seien daher oft keine Solo-Selbstständigen – sondern Angestellte. Hussong macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam. Zwar seien in Luxemburg die Hallen noch offen, aber es lohne sich nicht, sie unter den Corona-Bedingungen zu füllen. Derzeit dürfen nur 100 Menschen rein. „In Hallen, die auf 1000 Menschen ausgelegt sind, kann man mit 100 Besuchern natürlich überhaupt kein Geld verdienen.“Um weiterhin unter diesen Bedingungen Konzerte anbieten zu können, ob in Luxemburg oder Deutschland, müsste man „die Tickets subventionieren“, schlägt Hussong vor. Ähnlich wie jeder Platz im Staatstheater subventioniert sei. Das wäre Grundvoraussetzung dafür, auch im Sommer Festivals „unter diesen Umständen durchziehen zu können“, sagt sie. Streaming oder Autokino-Konzerte scheinen nur schwache Alternativen zu sein. Abgesehen von der schweren Monetarisierung ließe „sich das Life- und Eventgefühl nicht über einen digitalen Kanal transportieren“, sind sich Blomann wie Schlegel sicher.
Letztlich sollte eh nicht nur über die Wirtschaftlichkeit der Branche geredet werden, waren sich alle einig. „Wir sehen das momentan als Luxusproblem“, weiß Schlegel. Das findet er falsch: „Unsere Fans freuen sich zum Beispiel monatelang auf unsere Konzerte, sie sind beseelt, schöpfen Kraft daraus – ich übrigens auch. Solche Erlebnisse sind mit entscheidend auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das ist kein Luxusproblem, wenn sie ausfallen.“
Am Ende der Sendung sollten die Teilnehmer zeichnen. Und zwar die Antwort auf folgende Frage: Wenn Kunst ein Lebensmittel wäre, welches wäre es? Unabhängig voneinander zeichneten Hussong, Blomann und Ortleb eine Pizza. Jeder mag sie, sie kann im Luxusrestaurant oder auf der Couch genossen werden, und sie ist unendlich vielfältig. Schlegel entschied sich gleich für zwei Lebensmittel: ein Stück Torte. Sie schmeckt halt jedem. Und ein Pils. „Schließlich spiele ich in einer Heavy-Metal-Band.“
„In Hallen, die auf 1000
Menschen ausgelegt sind, kann man mit 100 Besuchern natürlich überhaupt kein Geld
verdienen.“
Trixi Hussong
Konzertbookerin