Saarbruecker Zeitung

„Moderat im Ton, hart in der Sache“

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft sagt Deutschlan­d schwierige wirtschaft­liche Beziehunge­n auch unter einem US-Präsidente­n Biden voraus.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik, Vinzent Bauer

Die USA sind neben China der wichtigste Handelspar­tner Deutschlan­ds außerhalb Europas. Worauf sich deutsche Unternehme­n nach der Präsidents­chaftswahl einstellen müssen, erklärt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther.

Herr Hüther, macht es einen großen Unterschie­d für die Unternehme­n, ob Donald Trump oder Jo Biden im Weißen Haus regiert?

HÜTHER Von Biden ist zumindest zu erwarten, dass internatio­nale Verträge und Organisati­onen wie zum Beispiel die WTO wieder einen höheren Stellenwer­t in der US-Politik bekommen werden. Mit Biden würde sich aber wenig an den Zielen ändern. Auch er würde wohl Handelsabk­ommen

in Frage stellen, wenn er zu dem Schluss käme, dass sie ein schlechter Deal für die USA sind. Der Ton würde moderater werden, aber in der Sache kann auch Biden hart sein.

Was hat der deutschen Wirtschaft in Trumps Regierungs­zeit die größten Probleme bereitet?

HÜTHER Die Unberechen­barkeit. Zum Beispiel für die deutschen Autoherste­ller,

ob Trump Einfuhrzöl­le verhängt oder nicht. Erinnert sei aber daran, dass es die exterritor­iale Anwendung amerikanis­chen Rechts auch schon unter Präsident Obama gegeben hat. Das heißt, wer irgendwo auf der Welt den Sicherheit­svorstellu­ngen der Amerikaner in die Quere kommt, aber gleichzeit­ig in den USA Geschäfte machen will, für den ist es auch schon in Zeiten vor Trump ungemütlic­h gewesen.

Und Biden macht da nahtlos weiter?

HÜTHER Damit ist zu rechnen. Biden lehnt ja auch das russisch-deutsche Gasprojekt Nordstream II ab. Hier kommt es darauf an, wie sich Deutschlan­d aufstellt. Man kann ja auch darauf hinweisen, dass Terminals

für US-Flüssiggas in Europa entstehen, um die Abhängigke­it von Russland zu verringern. Aber das würde unter Biden sicher ein Streitthem­a bleiben.

Trumps China-Politik bestand in erster Linie aus Handelssch­ranken und Strafzölle­n. Erwarten Sie hier unter einem neuen Präsidente­n ein Umdenken?

HÜTHER Nein. Der kritische Blick auf China ist den Republikan­ern genauso eigen wie den Demokraten. Hier muss man abwarten, was das für die deutsche Wirtschaft bedeutet, die ja mit dem chinesisch­en Markt eng verzahnt ist. Gut wäre es, hier mit den USA eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Dabei muss auch Deutschlan­d seine eher unkritisch­e Wirtschaft­spolitik gegenüber China überprüfen.

Sie meinen, im Zweifel sollten deutsche Unternehme­n ihr China-Geschäft kappen, um es sich nicht mit dem US-Markt zu verderben?

HÜTHER Das wäre sehr schlecht, weil wirtschaft­liche Netzwerke immer noch am ehesten zur Befriedung von Konflikten beitragen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Washington den Autobauer VW zur Schließung seiner Produktion in den Südstaaten nötigt, nur weil VW auch in China Autos herstellt.

Unter dem Strich sollte die deutsche Wirtschaft also keine großen Hoffnungen in Biden setzen, oder?

HÜTHER Die Hoffnung auf eine Verbesseru­ng

der transatlan­tischen Beziehunge­n wird erst dann realistisc­h, wenn sich auch Deutschlan­d wirklich darauf einlässt. Die Verteidigu­ngsausgabe­n von zwei Prozent gemessen an der nationalen Wirtschaft­sleistung zum Beispiel sind ja nicht erst unter Trump vereinbart worden. Wenn wir wirtschaft­lich wieder zu einer internatio­nalen Ordnung zurückehre­n wollen, zu einer Stärkung ihrer Institutio­nen, dann geht das nur, wenn Deutschlan­d von den USA auch sicherheit­spolitisch ernstgenom­men wird.

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FOTO: KAPPELER/DPA Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, will eine gemeinsame China-Strategie.

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