Gezerre um Rettungspaket für Flughäfen
Verkehrsminister Scheuer will der Branche mit einer Milliarde Euro unter die Arme greifen. Doch im Finanzministerium hält man sich bisher bedeckt.
(dpa) Die Flughäfen in Deutschland brauchen dringend viel Geld – Steuergeld. Sonst drohten an vielen Standorten die Lichter auszugehen, warnten Teilnehmer des „Luftverkehrsgipfels“von Politik und Wirtschaft am Freitag. Die Corona-Krise hat die Passagierzahlen einbrechen lassen, eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Flughäfen haben wenig Einnahmen, müssen aber laufende Betriebskosten aufbringen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) konnte der Branche bei der digitalen Konferenz keine feste Zusage des Bundes geben.
In der Abschlusserklärung heißt es, Bund und Länder wollten in den kommenden beiden Wochen nach finanziellen Lösungen suchen. Scheuer hatte vor dem Gipfel die Forderung nach einem Rettungspaket von einer Milliarde Euro platziert. Am Freitag schlug er dann ein 50:50-Modell vor: Die Verantwortung solle zur Hälfte bei Ländern und den Kommunen liegen, in denen Flughäfen ansässig seien und zu 50 Prozent beim Bund.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ließ den Kollegen aber erst einmal auflaufen. Ein Sprecher sagte am Freitag, das Ministerium habe den Vorschlag „zur Kenntnis genommen“. Das Kabinett habe gemeinsam den Entwurf für den Haushalt 2021 beschlossen, dort seien derartige Vorhaben nicht enthalten.
Scholz will angesichts der hohen Kosten für den Bund in der Corona-Pandemie offenbar erst einmal abwarten, ob und wie weit sich die Länder bewegen – sie sind schließlich gemeinsam mit Anrainer-Kommunen die Eigentümer der meisten Flughäfen. Länder und Kommunen aber sind in Corona-Zeiten finanziell nicht auf Rosen gebettet.
Die Länder sehen zunächst den Bund in der Pflicht. „Der Bund muss sich zügig einigen, wie die angekündigte Milliarde für die Flughäfen aufgetrieben und verteilt wird“, sagte die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), zugleich Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. „Wir waren uns im Luftfahrtgipfel einig, dass es unsere gemeinsame Verantwortung ist, die finanziellen Schieflagen der Flughäfen auszugleichen und zu schauen, welche Refinanzierungsmöglichkeiten es gibt.“
Die Branche jedenfalls versuchte alles, um die Dramatik der Lage deutlich zu machen. Der Branchenverband BDL sieht mindestens 60 000 der 260 000 direkten Arbeitsplätze unmittelbar bedroht. Viele seiner Mitglieder kämpften ums Überleben, berichtete Stefan Schulte, Präsident des Flughafenverbands ADV.
In einem ersten Schritt verlangen die Flughäfen die Erstattung der sogenannten Vorhaltekosten aus der ersten Shutdown-Zeit von März bis Juni. 740 Millionen Euro habe es gekostet, die Flughäfen auf Wunsch der Politik für Versorgungsflüge offen zu halten, rechnet der ADV vor. Aktuell gebe es einen faktischen zweiten Shutdown, sodass man auch zu mittelfristigen Kostenentlastungen kommen müsse. Forderungen etwa der Linken und des Umweltverbandes BUND, schon vor der Krise unrentable Regionalflughäfen wie Kassel-Calden auch aus Klimaschutzgründen dichtzumachen, lehnte Schulte ab: „Diese Diskussion müssen wir in Ruhe führen“.
Kritischer zeigte sich der Luftfahrtkoordinator des Bundes, Thomas Jarzombek. Er verwies darauf, dass viele Experten mit einem auch langfristig geringeren Luftverkehr rechneten. Da müsse man schauen, was das für jeden einzelnen Regionalflughafen bedeute. Scheuer wollte von Schließungen einzelner defizitärer Flughäfen allerdings nichts hören.
Nur am Rande des Gipfels kamen die Belange der Beschäftigten zur Sprache, wie die teilnehmenden Luftverkehrsgewerkschaften monierten. An fast allen Standorten werde man bereits mit Szenarien zum Abbau von Arbeitsplätzen konfrontiert, beklagten Flughafen-Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi. Auch das fliegende Personal verlangte über die Gewerkschaften Ufo und Vereinigung Cockpit, dass staatliche Hilfen daran gekoppelt werden müssten, möglichst viele Arbeitsplätze oder zumindest Qualifikationen zu erhalten.