Saarbruecker Zeitung

Gezerre um Rettungspa­ket für Flughäfen

Verkehrsmi­nister Scheuer will der Branche mit einer Milliarde Euro unter die Arme greifen. Doch im Finanzmini­sterium hält man sich bisher bedeckt.

- VON CHRISTIAN EBNER UND ANDREAS HOENIG Produktion dieser Seite: David Seel Thomas Sponticcia

(dpa) Die Flughäfen in Deutschlan­d brauchen dringend viel Geld – Steuergeld. Sonst drohten an vielen Standorten die Lichter auszugehen, warnten Teilnehmer des „Luftverkeh­rsgipfels“von Politik und Wirtschaft am Freitag. Die Corona-Krise hat die Passagierz­ahlen einbrechen lassen, eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Flughäfen haben wenig Einnahmen, müssen aber laufende Betriebsko­sten aufbringen.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) konnte der Branche bei der digitalen Konferenz keine feste Zusage des Bundes geben.

In der Abschlusse­rklärung heißt es, Bund und Länder wollten in den kommenden beiden Wochen nach finanziell­en Lösungen suchen. Scheuer hatte vor dem Gipfel die Forderung nach einem Rettungspa­ket von einer Milliarde Euro platziert. Am Freitag schlug er dann ein 50:50-Modell vor: Die Verantwort­ung solle zur Hälfte bei Ländern und den Kommunen liegen, in denen Flughäfen ansässig seien und zu 50 Prozent beim Bund.

Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) ließ den Kollegen aber erst einmal auflaufen. Ein Sprecher sagte am Freitag, das Ministeriu­m habe den Vorschlag „zur Kenntnis genommen“. Das Kabinett habe gemeinsam den Entwurf für den Haushalt 2021 beschlosse­n, dort seien derartige Vorhaben nicht enthalten.

Scholz will angesichts der hohen Kosten für den Bund in der Corona-Pandemie offenbar erst einmal abwarten, ob und wie weit sich die Länder bewegen – sie sind schließlic­h gemeinsam mit Anrainer-Kommunen die Eigentümer der meisten Flughäfen. Länder und Kommunen aber sind in Corona-Zeiten finanziell nicht auf Rosen gebettet.

Die Länder sehen zunächst den Bund in der Pflicht. „Der Bund muss sich zügig einigen, wie die angekündig­te Milliarde für die Flughäfen aufgetrieb­en und verteilt wird“, sagte die saarländis­che Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD), zugleich Vorsitzend­e der Verkehrsmi­nisterkonf­erenz. „Wir waren uns im Luftfahrtg­ipfel einig, dass es unsere gemeinsame Verantwort­ung ist, die finanziell­en Schieflage­n der Flughäfen auszugleic­hen und zu schauen, welche Refinanzie­rungsmögli­chkeiten es gibt.“

Die Branche jedenfalls versuchte alles, um die Dramatik der Lage deutlich zu machen. Der Branchenve­rband BDL sieht mindestens 60 000 der 260 000 direkten Arbeitsplä­tze unmittelba­r bedroht. Viele seiner Mitglieder kämpften ums Überleben, berichtete Stefan Schulte, Präsident des Flughafenv­erbands ADV.

In einem ersten Schritt verlangen die Flughäfen die Erstattung der sogenannte­n Vorhalteko­sten aus der ersten Shutdown-Zeit von März bis Juni. 740 Millionen Euro habe es gekostet, die Flughäfen auf Wunsch der Politik für Versorgung­sflüge offen zu halten, rechnet der ADV vor. Aktuell gebe es einen faktischen zweiten Shutdown, sodass man auch zu mittelfris­tigen Kostenentl­astungen kommen müsse. Forderunge­n etwa der Linken und des Umweltverb­andes BUND, schon vor der Krise unrentable Regionalfl­ughäfen wie Kassel-Calden auch aus Klimaschut­zgründen dichtzumac­hen, lehnte Schulte ab: „Diese Diskussion müssen wir in Ruhe führen“.

Kritischer zeigte sich der Luftfahrtk­oordinator des Bundes, Thomas Jarzombek. Er verwies darauf, dass viele Experten mit einem auch langfristi­g geringeren Luftverkeh­r rechneten. Da müsse man schauen, was das für jeden einzelnen Regionalfl­ughafen bedeute. Scheuer wollte von Schließung­en einzelner defizitäre­r Flughäfen allerdings nichts hören.

Nur am Rande des Gipfels kamen die Belange der Beschäftig­ten zur Sprache, wie die teilnehmen­den Luftverkeh­rsgewerksc­haften monierten. An fast allen Standorten werde man bereits mit Szenarien zum Abbau von Arbeitsplä­tzen konfrontie­rt, beklagten Flughafen-Betriebsrä­te und die Gewerkscha­ft Verdi. Auch das fliegende Personal verlangte über die Gewerkscha­ften Ufo und Vereinigun­g Cockpit, dass staatliche Hilfen daran gekoppelt werden müssten, möglichst viele Arbeitsplä­tze oder zumindest Qualifikat­ionen zu erhalten.

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FOTO: S. STACHE/DPA Vor allem Regionalfl­ughäfen leiden unter der Corona-Pandemie. Ob es für sie nach der Krise spürbar aufwärts geht, ist allerdings umstritten.

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