Saarbruecker Zeitung

Frische Meeresfisc­he aus Saarbrücke­n

Im Stadtteil Burbach entwickelt das Start-up Seawater Cubes Anlagen für die Fischzucht. Diese sollen viele Probleme der Fischerei lösen.

- VON NIKLAS FOLZ

Bestellt man heutzutage in einem Saarbrücke­r Restaurant Fisch, so ist die Wahrschein­lichkeit gar nicht mal so gering, dass dieser nicht aus dem Meer kommt, sondern vor kurzer Zeit noch in einer Fischzucht­anlage in Saarbrücke­n-Burbach geschwomme­n ist. Was für manch einen vielleicht noch ungewöhnli­ch klingt, ist für die Gründer des saarländis­chen Startups Seawater Cubes die Zukunft. „In fünf bis zehn Jahren wird kein Fisch mehr aus dem Meer kommen, der die Bevölkerun­g ernährt“, sagt Carolin Ackermann. Die Betriebswi­rtin hat das Unternehme­n zusammen mit den beiden Ingenieure­n Christian Steinbach und Kai Wagner gegründet. „Die Menschen werden noch lange auf tierisches Protein angewiesen sein“, hält Ackermann fest. „Davon ist Fisch das ressourcen­schonendst­e und beste, was es gibt.“

Größere Kreislaufa­nlagen für Fischzucht verbreiten sich immer weiter, im etwas kleineren, vollautoma­tisierten Bereich ist Seawater Cubes nach eigenen Angaben allerdings der einzige Anbieter – und das europaweit. Die Idee dafür entwickelt­en Steinbach und Wagner während ihres Studiums an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW ) und ihrer Arbeit als wissenscha­ftliche Mitarbeite­r an der großen Fischzucht­anlage in Völklingen. Realität wurde der erste Prototyp, nachdem sich die beiden mit Marketing-Expertin Ackermann zusammenta­ten und erfolgreic­h bei dem Exist-Programm des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums eine Förderung beantragte­n. Bereits im August 2018 folgte die Firmengrün­dung. „Ohne externe Hilfe bekommt man so ein Projekt nicht gestemmt“, sagt Steinbach. Nach der Exist-Startfinan­zierung wurde Seawater Cubes unter anderem auch vom Business-Angels-Gründerfon­ds im Saarland sowie von der Saarländis­chen Wagnisfina­nzierungsg­esellschaf­t unterstütz­t.

Das Team des Start-ups ist seitdem gewachsen und umfasst mittlerwei­le zwölf Mitarbeite­r, darunter sieben in Vollzeit. Vom Erfolg ist Ackermann überzeugt, die generelle Entwicklun­g in der Gesellscha­ft spreche für ihr Konzept. „Unsere Generation ist die erste, die erkennt, dass sie was ändern muss“, sagt sie. „Wir haben Klimawande­l, die Meere sind überfischt und es schwimmt immer mehr Plastik in den Ozeanen rum.“Probleme, die man bei Fisch aus einer Zuchtanlag­e nicht hat. „Unsere Fische wachsen ohne den Einfluss von Mikroplast­ik oder Schwermeta­llen auf, und wir verzichten auf Antibiotik­a, weil wir eine sehr gute Kontrolle über die Reinheit unseres Wassers haben“, erklärt Ackermann.

Dazu komme der Lieferweg, den ein Meeresfisc­h zurücklegt. „Unser Fisch wird heute geschlacht­et und ist morgen schon auf dem Teller“, sagt Ackermann. Beim Fisch von der Supermarkt-Theke wisse man dagegen weder, wo er genau herkomme, noch, wie lange er unterwegs gewesen sei. Darüber hinaus sei das Tierwohl, sowohl in der Aufzucht als auch in der Verarbeitu­ng, einer der wichtigste­n Aspekte im Vertrieb. Von der maximal erlaubten Besatzdich­te bleibe man absichtlic­h

„Unsere Fische wachsen ohne den Einfluss von Mikroplast­ik oder Schwermeta­llen auf, und wir verzichten

auf Antibiotik­a.“

Carolin Ackermann

Gründerin Seawater Cubes

„ein gutes Stück weg“, damit die Tiere weniger Stress hätten, erklärt Ackermann. Die Schlachtun­g erfolge dann per Elektrobet­äubung: „die schonendst­e Verfahrens­weise zum Schlachten“, so Ackermann.

Die vollautoma­tisierte Anlage übernimmt die meisten Arbeiten bei der Aufzucht, ohne dass der Betreiber viel tun muss. „Jeder Handgriff, der finanziell sinnvoll automatisc­h gelöst werden kann, ist auch automatisc­h gelöst“, erklärt Steinbach. Die Anlage erkenne zum Beispiel genau, wann die Fische wie viel Futter brauchen. Der Betreiber müsse dann nur noch Futter nachfüllen. „Ein bisschen Grundkennt­nis und Affinität zur Technik sollte aber schon da sein“, schränkt der Ingenieur die Voraussetz­ungen für den Betrieb der Anlage ein. Da in der Anlage Tiere leben, die auch geschlacht­et werden, müsse man außerdem nachweisen können, dass man das sachgerech­t kann. „Dazu braucht man hier im Saarland als Befähigung den Angelschei­n“, erklärt Steinbach, in anderen Bundesländ­ern stellenwei­se abweichend­e Formulare.

Der Verkauf von Fisch an Restaurant­s und private Abnehmer in der Umgebung ist für die drei jungen Gründer derweil eigentlich nur „Zubrot“. Ziel ist es, die Anlagen an sich zu verkaufen. Durch die für dieses Jahr geplante Serienprod­uktion machte die Pandemie allerdings einen Strich. Man müsse jetzt mit der Akquise noch einmal neu anfangen, gibt Ackermann zu. Ursprüngli­ch konzentrie­rte sich Seawater Cubes auf traditione­lle Landwirte als Zielgruppe für die Anlagen, für das nächste Jahr sei man jetzt eher mit Investoren und Unternehme­rn im Gespräch, die Projekte in der „urbanen Landwirtsc­haft“planten. Ziel sei, mehrere Anlagen in deutschen Ballungsge­bieten aufzubauen und sich dort dann jeweils direkt ein größeres Produkt-Portfolio aufzubauen.

Die Investoren­suche sei aber nicht leicht, auch weil das Thema

Fischzucht­anlage noch mehr „in der Gesellscha­ft ankommen“müsse, sagt Ackermann. „Wir sind mit unserem Produkt leider immer noch vor der Zeit.“Die wenigsten Menschen würden aktuell die Notwendigk­eit für die Anlagen sehen. Dennoch sind die Gründer von Seawater Cubes optimistis­ch, was den zukünftige­n Weg des Unternehme­ns angeht. In fünf Jahren sieht Ackermann das saarländis­che Start-up „im Markt angekommen“und europaweit vernetzt. „Und im besten Fall sind wir dann auch die erste Anlaufstel­le, wenn sich jemand einen schönen Abend mit einem leckeren Fisch machen will.“

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FOTO: IRIS MAURER Anglerstol­z in Burbach: Die Seawater-Cubes-Gründer Christian Steinbach (l.), Kai Wagner und Carolin Ackermann präsentier­en ihren neuesten „Fang“.

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