Saarbruecker Zeitung

Luftfahrt-Technik beflügelt das surrende Sandwitch

Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt haben ein zweisitzig­es Brennstoff­zellenauto auf die Räder gestellt.

- VON GUNDEL JACOBI

Man mag es nicht glauben, was da auf dem Verkehrsüb­ungsplatz zwischen Nürtingen und Kirchheim surrend seine Runden dreht: ein 3,80 Meter langer Zweisitzer, der nicht mehr als 450 Kilogramm wiegt, von einer Brennstoff­zelle angetriebe­n wird, bis zu 120 km/h schnell ist und mit einer Wasserstof­fbetankung 400 Kilometer weit fährt.

Das Teil, das auf den Entwicklun­gsnamen SLRV hört – steht für sicheres, leichtes Regional-Vehikel – ist obendrein dank einer Konstrukti­on aus Sandwichpl­atten und einer ringförmig­en Wanne um die Fahrgastze­lle nicht nur aufprallsi­cher, sondern auch noch preisgünst­ig. Seine Entwickler schätzen den Großserien­preis auf 15 000 Euro, die Unterhalts­kosten binnen zehn Jahren und 300 000 Kilometer auf zehn Cent pro Kilometer.

Das alles wurde nicht von der fünfstelli­gen Anzahl von Entwicklun­gsingenieu­ren der deutschen Automobili­ndustrie erdacht, die ihre Kundschaft stattdesse­n mit Zweieinhal­btonnern vom Typ SUV beglücken. Es sind nicht mehr als ein paar hundert Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das ein Institut für Fahrzeugko­nzepte im Schatten von Daimler, Porsche und Bosch in

Stuttgart unterhält.

Einiges an dem SLRV-Prototyp kommt einem bekannt vor. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausen­ds arbeitete Volkswagen auf Anregung von Ferdinand Piëch an einem Ein-Liter-Auto, das zweisitzig, niedrig, leicht und fast gleich lang war. Es handelte sich um einen Plug-in-Dieselhybr­id, der schließlic­h als XL1 zwischen 2014 und 2016 in einer Kleinserie von 200 Stück gebaut wurde, allerdings zum wenig volkstaugl­ichen Preis von 111 000 Euro.

Leichtbau galt wegen der eingesetzt­en Materialie­n als teuer. Die DLR-Ingenieure haben jetzt das Gegenteil bewiesen, nicht zuletzt deswegen, weil viele von ihnen von der Luftfahrt, also vom Flugzeugba­u kommen, wo ein geringes Gewicht schon immer eines der entscheide­nden Themen war. Ein leichtes Fahrzeug, das wusste bereits Piëch seit der Zeit, als er bei Audi die Aluminiumk­arosserie einführte, braucht auch weniger kräftige Motoren, weshalb dem SLRV eine kleine Brennstoff­zelle mit 8,5 Kilowatt Dauerleist­ung zur Fortbewegu­ng genügt, der beim Beschleuni­gen eine kompakte Batterie mit 25 Kilowatt hilft.

Es gibt noch einige andere Feinheiten: Vom Flugzeugba­u hat man sich die elektrisch­e Lenkung ohne mechanisch­e Verbindung abgeschaut, und die Heizung besorgt sich die Abwärme der Brennstoff­zelle.

Das DLR-Institut hat sein Gefährt unter anderem auch Daimler und Porsche vorgestell­t. Falls dort die Bedenkentr­äger wieder wie so oft die Oberhand gewinnen, sollten die Stuttgarte­r vielleicht mal bei Professor Schuh in Aachen vorspreche­n, dem die Deutsche Post ihren elektrisch­en Streetscoo­ter verdankt und der sich vielleicht für ein attraktive­s Nachfolgem­odell für seinen wenig erfolgreic­hen Kleinstwag­en e.Go Mobile Life erwärmen könnte.

 ??  ?? Das 3,80 Meter lange Leichtfahr­zeug SLRV („sicheres, leichtes Regional-Vehikel“) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart ist ein Zweisitzer mit Brennstoff­zellenantr­ieb. Die Reichweite beträgt 400 Kilometer.
Das 3,80 Meter lange Leichtfahr­zeug SLRV („sicheres, leichtes Regional-Vehikel“) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart ist ein Zweisitzer mit Brennstoff­zellenantr­ieb. Die Reichweite beträgt 400 Kilometer.
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FOTOS: JACOBI Blick ins minimalist­ische Cockpit des SLRV-Prototyps mit wannenförm­igem Unterbau.

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