Homburger Mediziner untersuchen Corona-Folgen
Die Nachsorge-Ambulanz an der Uniklinik in Homburg untersucht die Langzeitfolgen von Corona-Erkrankungen.
Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen rasant. Vergangene Woche meldete das Robert-Koch-Institut erstmals über 20 000 neue Ansteckungsfälle – so viele wie noch nie innerhalb eines Tages. Gleichzeitig gelten immer mehr Patienten als genesen. Das heißt aber nicht, dass alle auch gesund sind. Viele kämpfen mit den Nachwirkungen von Covid-19.
Welche Langzeitfolgen hat eine Corona-Infektion? Darüber rätseln Mediziner und Forscher weltweit. Auch im Saarland haben mehr als 6500 Menschen das Virus zwar offiziell besiegt, viele leiden aber noch immer unter den Folgen ihrer Infektion. Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen gehören zu den vergleichsweise harmlosen Symptomen. Dr. Philipp Lepper, Leitender Oberarzt am Universitätsklinikum (UKS) in Homburg, kennt Corona-Langzeitfolgen wie diese. Doch es sind vor allem die Patienten mit einem schweren Verlauf von Covid-19, die ihm Sorgen bereiten. „Viele Patienten kommen zu uns, weil es ihnen deutlich schlechter geht als vor der Erkrankung. Oft wird von Luftnot, Hustenreiz und Problemen mit der Lunge berichtet“, erzählt Lepper.
Weil es immer mehr Patienten mit Langzeitfolgen gibt, wurde Ende Juni eine Corona-Nachsorge-Ambulanz an der Klinik für Innere Medizin V – Pneumologie, Allergologie, Beatmungs- und Umweltmedizin des UKS eröffnet. Etwa 70 Genesene suchen hier derzeit Hilfe – und es werden immer mehr. „Inzwischen kontaktieren uns auch Betroffene, die gar nicht in der Region wohnen“, sagt Lepper. Selbst aus dem hessischen Bad
Hersfeld – knapp 300 Kilometer von Homburg entfernt – habe sich eine Patientin für die kommende Woche zur Nachsorge-Untersuchung angemeldet. Doch es sind nicht nur Betroffene der sogenannten Risikogruppe (Ältere oder Personen mit Vorerkrankungen), die zu Lepper und seinen Kollegen in die Sprechstunde kommen. Regelmäßig trifft es auch junge Leute, die unter den Folgen der Krankheit leiden. Die jüngste Patientin sei gerade einmal 22 Jahre alt, berichtet der Mediziner.
Warum die Krankheit Infizierte unterschiedlich stark trifft, wissen die Ärzte bislang nicht. „Man kann den Verlauf der Krankheit nur schwer abgrenzen, uns fehlen da einfach die Erfahrungswerte“, betont Lepper. Die meisten Erkrankten überstehen eine Infektion mit dem Coronavirus unbeschadet. Doch nach einem leichten Krankheitsverlauf sind die Betroffenen oft auch nach Wochen noch nicht vollständig genesen. Patienten, die einen so schweren Verlauf hatten, dass sie beatmet werden mussten, sind meist gar nicht wieder zurück in ihrem Alltag. Sie kämpfen in der Reha oder zu Hause und unter ärztlicher Kontrolle gegen die Spätfolgen der Viruserkrankung.
Deshalb ist eine genaue Anamnese so wichtig. Je mehr über die Vorgeschichte der Krankheit bekannt ist, umso zielgerichteter kann anschließend behandelt werden. „Wir möchten diesen Betroffenen bestmöglich helfen. Es gibt bislang wenige Erkenntnisse zu dieser Gruppe. Daher ist es umso wichtiger, dass wir diese Menschen nun nachhaltig betreuen“, erklärt Klinikdirektor Dr. Robert Bals. Eine gründliche körperliche Untersuchung sei dringend notwendig, betont auch Lepper. Dazu gehören neben der Überprüfung der Lungenfunktion auch die Ultraschalluntersuchung des Herzens und eine Blutbildanalyse, mit denen die Spätfolgen systematisch erforscht werden. So soll es gelingen, Patienten zu identifizieren, die etwa eine Funktionsbeeinträchtigung in der Lunge haben – das am häufigsten betroffene Organ nach einer Corona-Infektion. „Wir haben Patienten, bei denen sich der Zustand der Lunge um 30 Prozent verschlechtert hat. Hier ist es wichtig, möglichst viel an Daten zusammenzutragen und auszuwerten“, sagt Lepper.
Die Forschung befindet sich allerdings noch am Anfang. Bis heute ist nur wenig über Nachwirkungen einer Corona-Infektion bekannt. Weil es gemeinsam schneller geht, haben sich die Universitätskliniken in Deutschland deshalb zu einem Forschungsnetzwerk zusammengeschlossen. Im sogenannten Netzwerk Universitätsmedizin suchen die Kliniken gemeinsam nach Ursachen und Therapieansätzen für Langzeitschäden. „Dadurch können wir den Verlauf besser abschätzen und unsere Erkenntnisse schneller umsetzen“, erklärt der Homburger Experte Philipp Lepper den Nutzen der Studie. Mit ersten gesicherten Erkenntnissen rechnen die Mediziner jedoch erst in zwei bis drei Jahren.
„Viele Patienten kommen zu uns, weil es
ihnen deutlich schlechter geht als vor der Erkrankung.“
Dr. Philipp Lepper
Leitender Oberarzt am Homburger Uniklinikum