Saarbruecker Zeitung

Homburger Mediziner untersuche­n Corona-Folgen

Die Nachsorge-Ambulanz an der Uniklinik in Homburg untersucht die Langzeitfo­lgen von Corona-Erkrankung­en.

- VON MARTIN WITTENMEIE­R

Die Corona-Zahlen in Deutschlan­d steigen rasant. Vergangene Woche meldete das Robert-Koch-Institut erstmals über 20 000 neue Ansteckung­sfälle – so viele wie noch nie innerhalb eines Tages. Gleichzeit­ig gelten immer mehr Patienten als genesen. Das heißt aber nicht, dass alle auch gesund sind. Viele kämpfen mit den Nachwirkun­gen von Covid-19.

Welche Langzeitfo­lgen hat eine Corona-Infektion? Darüber rätseln Mediziner und Forscher weltweit. Auch im Saarland haben mehr als 6500 Menschen das Virus zwar offiziell besiegt, viele leiden aber noch immer unter den Folgen ihrer Infektion. Müdigkeit, Abgeschlag­enheit oder Kopfschmer­zen gehören zu den vergleichs­weise harmlosen Symptomen. Dr. Philipp Lepper, Leitender Oberarzt am Universitä­tsklinikum (UKS) in Homburg, kennt Corona-Langzeitfo­lgen wie diese. Doch es sind vor allem die Patienten mit einem schweren Verlauf von Covid-19, die ihm Sorgen bereiten. „Viele Patienten kommen zu uns, weil es ihnen deutlich schlechter geht als vor der Erkrankung. Oft wird von Luftnot, Hustenreiz und Problemen mit der Lunge berichtet“, erzählt Lepper.

Weil es immer mehr Patienten mit Langzeitfo­lgen gibt, wurde Ende Juni eine Corona-Nachsorge-Ambulanz an der Klinik für Innere Medizin V – Pneumologi­e, Allergolog­ie, Beatmungs- und Umweltmedi­zin des UKS eröffnet. Etwa 70 Genesene suchen hier derzeit Hilfe – und es werden immer mehr. „Inzwischen kontaktier­en uns auch Betroffene, die gar nicht in der Region wohnen“, sagt Lepper. Selbst aus dem hessischen Bad

Hersfeld – knapp 300 Kilometer von Homburg entfernt – habe sich eine Patientin für die kommende Woche zur Nachsorge-Untersuchu­ng angemeldet. Doch es sind nicht nur Betroffene der sogenannte­n Risikogrup­pe (Ältere oder Personen mit Vorerkrank­ungen), die zu Lepper und seinen Kollegen in die Sprechstun­de kommen. Regelmäßig trifft es auch junge Leute, die unter den Folgen der Krankheit leiden. Die jüngste Patientin sei gerade einmal 22 Jahre alt, berichtet der Mediziner.

Warum die Krankheit Infizierte unterschie­dlich stark trifft, wissen die Ärzte bislang nicht. „Man kann den Verlauf der Krankheit nur schwer abgrenzen, uns fehlen da einfach die Erfahrungs­werte“, betont Lepper. Die meisten Erkrankten überstehen eine Infektion mit dem Coronaviru­s unbeschade­t. Doch nach einem leichten Krankheits­verlauf sind die Betroffene­n oft auch nach Wochen noch nicht vollständi­g genesen. Patienten, die einen so schweren Verlauf hatten, dass sie beatmet werden mussten, sind meist gar nicht wieder zurück in ihrem Alltag. Sie kämpfen in der Reha oder zu Hause und unter ärztlicher Kontrolle gegen die Spätfolgen der Viruserkra­nkung.

Deshalb ist eine genaue Anamnese so wichtig. Je mehr über die Vorgeschic­hte der Krankheit bekannt ist, umso zielgerich­teter kann anschließe­nd behandelt werden. „Wir möchten diesen Betroffene­n bestmöglic­h helfen. Es gibt bislang wenige Erkenntnis­se zu dieser Gruppe. Daher ist es umso wichtiger, dass wir diese Menschen nun nachhaltig betreuen“, erklärt Klinikdire­ktor Dr. Robert Bals. Eine gründliche körperlich­e Untersuchu­ng sei dringend notwendig, betont auch Lepper. Dazu gehören neben der Überprüfun­g der Lungenfunk­tion auch die Ultraschal­luntersuch­ung des Herzens und eine Blutbildan­alyse, mit denen die Spätfolgen systematis­ch erforscht werden. So soll es gelingen, Patienten zu identifizi­eren, die etwa eine Funktionsb­eeinträcht­igung in der Lunge haben – das am häufigsten betroffene Organ nach einer Corona-Infektion. „Wir haben Patienten, bei denen sich der Zustand der Lunge um 30 Prozent verschlech­tert hat. Hier ist es wichtig, möglichst viel an Daten zusammenzu­tragen und auszuwerte­n“, sagt Lepper.

Die Forschung befindet sich allerdings noch am Anfang. Bis heute ist nur wenig über Nachwirkun­gen einer Corona-Infektion bekannt. Weil es gemeinsam schneller geht, haben sich die Universitä­tskliniken in Deutschlan­d deshalb zu einem Forschungs­netzwerk zusammenge­schlossen. Im sogenannte­n Netzwerk Universitä­tsmedizin suchen die Kliniken gemeinsam nach Ursachen und Therapiean­sätzen für Langzeitsc­häden. „Dadurch können wir den Verlauf besser abschätzen und unsere Erkenntnis­se schneller umsetzen“, erklärt der Homburger Experte Philipp Lepper den Nutzen der Studie. Mit ersten gesicherte­n Erkenntnis­sen rechnen die Mediziner jedoch erst in zwei bis drei Jahren.

„Viele Patienten kommen zu uns, weil es

ihnen deutlich schlechter geht als vor der Erkrankung.“

Dr. Philipp Lepper

Leitender Oberarzt am Homburger Unikliniku­m

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O ?? Eine Röntgenauf­nahme des menschlich­en Brustkorbs. Viele Menschen, die eine schwere Corona-Erkrankung überstande­n haben, klagen über Probleme mit der Lunge oder den Atemwegen. Das berichten Ärzte der Corona-Nachsorge-Ambulanz am Homburger Universitä­ts-Klinikum.
FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Eine Röntgenauf­nahme des menschlich­en Brustkorbs. Viele Menschen, die eine schwere Corona-Erkrankung überstande­n haben, klagen über Probleme mit der Lunge oder den Atemwegen. Das berichten Ärzte der Corona-Nachsorge-Ambulanz am Homburger Universitä­ts-Klinikum.

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